Der letzte Gong ist geläutet, der Ring ein Schlachtfeld - und die WWE-Fans entsprechend zufrieden.
So verändert Triple H WWE
Während sich das Barclays Center in New York nach dem ersten Showkampf-Abend des SummerSlam-Wochenendes langsam leert, ist der Arbeitstag für Triple H aber noch nicht zu Ende.
Die Wrestling-Legende lässt ausgewählte Journalisten - darunter SPORT1 - nach der Veranstaltung NXT TakeOver: Brooklyn noch hinter die Kulissen der Arena bitten.
Paul Levesque, wie der WWE-Vorstand bürgerlich heißt, möchte in einer Fragerunde noch ein paar Dinge erzählen. Über seine aufstrebenden Stars, seine Philosophie, darüber, wie sein Herzensprojekt NXT die Ausrichtung der weltgrößten Wrestling-Liga immer mehr verändert.
Triple H soll Vince McMahon beerben
An den Produktions-Trucks der Liga, einer Poster-Galerie vergangener Events und dem 150 Kilo schweren Nachwuchs-Chefcoach Matt "A-Train" Bloom - im entsprechend übergroßen Maßanzug - geht es vorbei in ein zweckmäßig eingerichtetes Konferenzzimmer, in dem Triple H schließlich das Wort ergreift.
Sein Thema hat der 14-malige WWE- und World-Champion vorher eingegrenzt, es soll nur um NXT gehen, von Triple H 2012 als Heimatbasis für die Talente und Neuverpflichtungen der Liga konzipiert. Nicht um die Hauptkader, wo sein Schwiegervater Vince McMahon noch immer das letzte Wort hat.
Aber interessant sind seine Ausführungen und Visionen auch für die RAW- und SmackDown-Fans. Ist Talentchef Triple H doch der Mann, der auserkoren ist, auch dort endgültig der starke Mann im kreativen Bereich zu werden. Dann wenn McMahon, der am Freitag 73 Jahre alt wird, sein Lebenswerk irgendwann nicht mehr weiterführen kann.
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NXT ist für viele die bessere WWE
Die meisten Fans freuen sich darauf, denn sie schätzen das, was Triple H schon jetzt angestoßen hat: NXT - wo sich gerade auch das deutsche Talent Marcel Barthel darauf vorbereitet, Landsmann Alexander Wolfe in den Hauptkader zu folgen - ist ein Erfolgsmodell, das gerade beim harten Zuschauerkern großen Anklang findet.
"Man kann schon nicht mehr von einer Entwicklungsliga sprechen, darüber sind wir weit hinaus", sagt der 49-Jährige, der noch immer gelegentlich selbst in den Ring steigt.
Tatsächlich locken die TakeOver-Shows zehntausende Zuschauer an. Gerade der harte, begeisterte Kern der WWE-Fans schätzt das auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene NXT-Konzept: weniger fokussiert auf Entertainment-Effekte, mehr auf die pure Ring-Action, durchdacht erzählte Matches auf athletisch herausragendem Niveau. Die großen NXT-Veranstaltungen fast immer bessere Kritiken als die Hauptshows.
Offener für kleinere und leichtere Stars
Auch dort allerdings ist der Geist von NXT immer mehr zu spüren.
Das Triple-H-Projekt - bei dem mittlerweile auch dessen langjähriger WWE-Weggefährte Shawn Michaels federführend mitmischt - war Keimzelle für die "Women's Revolution", die Qualitätsoffensive der WWE-Frauendivision. Auch hat der Erfolg von NXT starken Anteil daran, dass sich WWE immer mehr für talentierte Independent-Wrestler öffnet, die früher eher nicht McMahons Beuteschema entsprachen.
Den Hauptkampf von TakeOver: Brooklyn bestritten Johnny Gargano und Tommaso Ciampa, beide nur um die 1,80 Meter groß und um die 90 Kilo schwer. Bei McMahon wäre so ein Main Event früher undenkbar gewesen und ist es in den Hauptshows im Grunde immer noch. Auch beim SummerSlam gehörte die Bühne am Ende den (Super-)Schwergewichten Brock Lesnar, Roman Reigns und Braun Strowman.
Triple H schätzt auch die sehr, das ist zu beachten. Aber er gilt eben auch als sehr viel unbefangener bei der Auswahl seines Schlüsselpersonals, als McMahon es ist. Den 31 Jahre alten Gargano und dessen zwei Jahre älteren Erzrivalen Ciampa - deren Rivalität als die beste der vergangenen WWE-Jahre gilt - preist er als Ausnahmetalente, charakterliche Vorbilder und "Leader in der Umkleidekabine".
Stinkstiefel haben keine Chance
Gerade die letzten beiden Punkte betont Triple H besonders. "Ich bewerte das Menschliche, das was ein Wrestler täglich hinter den Kulissen für die anderen Wrestler tut, genauso hoch wie das Talent im Ring. Ich suche nach Leuten, die sich gegenseitig helfen, die ein Teil der Lösung sind, kein Teil des Problems."
Ego-Shooter, sagt Triple H, hätten unter ihm keine Chance. "Das Geschäft war früher anders", erklärt er: "Es gab Zeiten, da konnte man sich nicht leisten, Talente zu verlieren, deswegen musste man sich mit einigen Dingen herumschlagen."
Heute hat WWE keine Konkurrenzliga auf Augenhöhe, einen prall gefüllten Kader und ist nach ihren milliardenschweren TV-Deals finanzkräftig wie nie zuvor. Da kann Triple H es sich leisten, Stinkstiefel knallhart auszusortieren.
"Egal, wie talentiert jemand ist, wenn es menschlich nicht stimmt, muss er anderswohin gehen", sagt er: "Ich lasse mir die Kabinen-Kultur hier von niemandem kaputt machen. Von niemandem."
Kurz danach ist die Backstage-Audienz beendet – und auch die Journalisten werden am Ende noch zu menschlicher Rücksichtnahme aufgefordert. Die Stühle, sagt ein Mitglied des WWE-Stabs, sollten bitte ordentlich an den Tisch gerückt werden: "Morgen früh wird hier die Produktion des SummerSlam geplant."