Wer sind eigentlich Jake und Logan Paul?
Die trüben Flecken der YouTube-Boxer
Manch ein Box-Fan, der mit YouTube und Co. nicht vertraut ist, wird sich diese Frage gestellt haben im Lauf der vergangenen Monate - in denen die beiden Brüder aus dem US-Bundesstaat Ohio einiges auf den Kopf gestellt haben in der Szene.
Mit einer Handvoll Kämpfen von fragwürdigem sportlichen Wert haben die Pauls um ein Vielfaches mehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen und Geld verdient als die meisten anderen Boxer in ihrer gesamten Karriere.
Logan Pauls ergebnisloser Acht-Runden-Schaukampf gegen Floyd Mayweather - in den USA inszeniert von der Traditionsmarke Showtime - hat den Hype am Wochenende auf die vorläufige Spitze getrieben: Er soll Logan 20 Millionen und Mayweather 100 Millionen Dollar Kampfbörse eingebracht haben. Und die Pauls kokettieren auch schon längst mit weiteren Megafights gegen große Namen wie UFC-Superstar Conor McGregor und Saul "Canelo" Alvarez.
Wie kommt es dazu, dass zwei Box-Anfänger, die in ihrer jungen Lebensgeschichte schon einige trübe Flecken angesammelt haben, so viel Staub aufwirbeln?
Jake und Logan Paul wurden mit Vine und YouTube berühmt
An sich ist die Frage einfach zu beantworten: In ihrem Hauptjob als Social-Media-Influencer haben die Pauls eine so große Fanbase aufgebaut, dass sie aus Vermarktungssicht für die Showbranche Boxen unwiderstehlich sind.
Die beiden Söhne eines Immobilienmaklers und einer Krankenschwester begannen im Jahr 2013, ihr Leben erfolgreich im Netz zu vermarkten, zunächst über die mittlerweile eingestellte Video-App Vine, dann vorrangig über YouTube.
Das Konzept der Brüder ist eine Mischung aus Comedy, Publicity-Stunts und Selbstbespiegelung, das Universum der Pauls ist eine große, in Eigenregie aufgezogene Multimedia-Realityshow - und eine enorm erfolgreiche: Mittlerweile haben beide je über 20 Millionen Abonnenten bei YouTube und an die 20 (Logan) bzw. 16 Millionen (Jake) Follower bei Instagram. Die Pauls sind Multimillionäre, ihr Vermögen soll mit jedem Social-Media-Post um fünf- bis sechsstellige Summen wachsen, ihr Jahresverdienst wird auf jeweils über 10 Millionen Dollar geschätzt.
Die Popularität der beiden hat auch die klassische Showbranche auf sie aufmerksam gemacht, sie bekamen Film- und Serienrollen, veröffentlichten Rap-Songs, zuletzt war Logan auch bei WWE zu sehen.
Letztlich haben die Pauls aber nicht jedem gutgetan, der sich mit ihnen eingelassen hat.
Diverse Skandale um die Pauls
Ein Engagement Jake Pauls als Disney-Schauspieler in der Serie Bizardvaark endete mit einer Entlassung Pauls, weil Berichte über Feier-Exzesse in seinem Haus zur Belastung für das familienfreundliche Image wurden.
Im vergangenen Jahr folgten brisantere Negativschlagzeilen, als eine riesige Hausparty Jake Pauls mitten in der Hochphase der Corona-Pandemie ihm sogar eine öffentliche Verdammung durch die Bürgermeisterin seiner Wahlheimat Calabasas in Kalifornien einbrachte. Jake Paul reagierte uneinsichtig mit substanzlosen Corona-Verharmlosungen und Verschwörungstheorien (Covid ist ein Hoax, Masken nützen nichts) und vergrößerte damit den Schaden.
Beide Pauls standen inzwischen im Zentrum diverser Skandale, oft ging es dabei um fehlendes Gespür für die Grenzen der Reality-Inszenierung: Jake handelte sich im vergangenen Jahr Kritik für sein Verhalten bei einer gewaltsam eskalierten Black-Lives-Matter-Demo ein, bei der er Plünderungen in einem Shopping-Zentrum filmte. Logan stellte Ende 2017 ein Video online, in dem die Leiche eines erhängten Mannes zu sehen war, die er bei einem von der Kamera begleiteten Trip nach Japan in einem Wald gefunden hatte.
Gegen Jake gibt es auch Vorwürfe der Abzocke seiner jungen Fanbase durch ein kostenpflichtiges, als inhaltsleer kritisiertes "Influencer-Lernprogramm" und der sexuellen Belästigung, erhoben durch Influencer-Kollegin Justine Paradise (die er als "100 Prozent falsch" zurückwies).
Logan und Jake Paul fürs Boxen eine Chance oder eine Gefahr?
Die Popularität der Pauls ist trotz aller Vorkommnisse und Vorwürfe ungebrochen, für ihren neuen Karrierepfad im Kampfsport ist ihre Umstrittenheit im Zweifel eher noch förderlich.
Das kommerzielle Potenzial der beiden wurde vor allem durch den Kampf von Jake gegen Ex-NBA-Star Nate Robinson im Vorprogramm des millionenfach als Pay Per View bestellten Mike-Tyson-Comebacks gegen Roy Jones Jr. deutlich. "Tyson hat 40, 50 Prozent der Käufer gelockt", sagte damals Mike Weber, Chef der übertragenden Plattform Fite: "Aber Jake Paul hat weitere 40 gebracht."
Viele andere Protagonisten der Branche sind dennoch sichtbar hin- und hergerissen, ob sie den Erfolg der glorifizierten Promi-Boxkämpfe als große Chance oder als Beleidigung ihrer Kämpferehre zu sehen haben, die dem Ruf der Sportart langfristig mehr schadet als nutzt.
Wollte Floyd Mayweather gar keinen K.o. gegen Logan Paul?
Beide Pauls müssen sich dabei nicht vorwerfen lassen, ihr Boxprojekt - das als Wettstreit unter YouTuber-Kollegen begonnen hatte - ohne Ehrgeiz zu betreiben. Gewisse athletische Grundvoraussetzungen brachte vor allem Logan schon mit, der an der Highschool ein guter Footballer und Ringer war.
Trotzdem begleitet die beiden der Dauerverdacht, dass bei ihren Kämpfen nicht alles mit rechten Dingen zugeht: Nach dem schnellen K.o. Jake Pauls gegen den früheren Olympiaringer und UFC-Kämpfer Ben Askren gab es zahlreiche Spekulationen über eine Absprache.
Und auch im Fall von Mayweather drängt sich die Frage auf, ob er einen K.o. gegen Logan in dem nicht sanktionierten Schaukampf wirklich nicht geschafft hat - oder ob er es bewusst nicht darauf anlegte.
Der logisch anmutende Hintergedanke: In seiner Funktion als Promoter konnte Mayweather kaum ein Interesse daran haben, den Hype um die Pauls zu beschädigen - und damit ein Geschäftsmodell, dass das Potenzial hat, auch ihm noch weitere große Zahltage zu bescheren.