Ist Box-Legende Mike Tyson wirklich in der gesundheitlichen Verfassung für ein Comeback im Ring?
Tyson: Klitschko-Arzt für Verbot
Ein besorgniserregender Auftritt im englischen Frühstücksfernsehen hat die Diskussion vor dem am 28. November geplanten Legenden-Fight gegen Roy Jones Jr. neu entfacht.
Für zwei renommierte und mit dem Boxen lange verbundene Ärzte ist der Fall klar, unabhängig davon, ob tatsächlich - wie von Tyson behauptet - nur Müdigkeit der Grund für den rätselhaften Auftritt war.
"Aus medizinischen Gründen muss der Kampf verboten werden", sagt der Duisburger Mediziner Dr. Stephan Bock - der frühere Ringarzt von Vitali und Wladimir Klitschko - im Gespräch mit SPORT1. Auch der Bayreuther Sportmediziner Professor Walter Wagner ist der Ansicht, dass Tyson allein aufgrund seines Alters "überhaupt nicht mehr in den Ring steigen sollte".
Mike Tyson offenbar "völlig übermüdet"
Die Art und Weise, wie Tyson sich in dem vieldiskutierten Interview mit dem Moderatoren-Duo Piers Morgan und Susanna Reid präsentiert hat, ist dabei für Bock nicht maßgeblich.
Tyson sei offensichtlich "voll übermüdet" gewesen, womöglich seien auch Alkohol oder andere Substanzen im Spiel gewesen, trotz seiner Artikulationsprobleme und seiner Schwierigkeit, sich gerade zu halten, sei er aber "nicht total wirr" herübergekommen. Es gebe keinen Anlass, gesundheitliche Probleme hineinzuinterpretieren.
Der für Bock wesentliche Punkt ist: In Tysons Alter sei Boxen generell zu gefährlich, so fit er in seinen Trainingsvideos auch gewirkt haben mag - worin er sich mit Wagner einig ist.
Schon Holyfields Kampf mit Mitte 40 grenzwertig
"Man hat früher gesagt: Ab 40 nur in Ausnahmefällen. Und das hatte schon seinen Sinn", sagt Wagner, Verbandsarzt beim Bund Deutscher Berufsboxer (BDB). Tyson ist 54, Jones 51. Tysons Rivale Evander Holyfield, der ebenfalls Comeback-Pläne verkündet hat, wird am kommenden Montag 58.
Mit Holyfield hatte Wagner schon zu tun, er hatte den Medizin-Check vor dem Kampf gegen den Riesen Nikolai Walujew in Zürich Ende 2008 vorgenommen.
"The Real Deal" war damals 46 und ein Kampf für Wagner gerade so noch vertretbar: "Aber da wurde er vorher bei uns in Bayreuth von zwölf Fachärzten acht Stunden lang untersucht, einschließlich neurologischer und kognitiver Untersuchungen. Das wäre das Minimum." Und selbst wenn die in Tysons und Jones' Fall ebenfalls vorgenommen würden, "würde ich noch überlegen".
Ringrichter kann Kampf mit Roy Jones Jr. jederzeit abbrechen
In Tysons und Jones' Heimat werden solche Diskussionen ebenfalls geführt, nicht umsonst versuchen die beiden, mit entschärften Regeln den Bedenken Rechnung zu tragen: In dem als Schaukampf ("Exhibition") ausgeschriebenen Duell tragen sie stärker gepolsterte Handschuhe, der Ringrichter ist zudem angewiesen, den Fight abzubrechen, "wenn er die Grenzen einer kompetitiven Box-Vorführung überschreitet".
Ein ungutes Gefühl haben Wagner und Bock trotzdem.
"Wenn die Boxer älter werden, wird es saugefährlich"
"Der Boxsport ist und bleibt ein gefährlicher Sport, das dürfen sie nicht unterschätzen", sagt Bock. Tyson und Co. könnten "froh sein, dass sie körperlich relativ gesund rausgekommen sind", gerade aus dem Schwergewicht.
"Jeder, der beim Boxen involviert ist, weiß, wenn die Boxer älter werden, wird es saugefährlich", führt Bock aus: "Bei jedem lassen im Alter die Reflexe und Reaktionen nach, möglicherweise auch unbemerkt. Das ist bei Schwergewichtlern bereits am Ende ihrer Karriere festzustellen. Und wenn Reflexe und Rektionen nachlassen, schwächt das auch die Schutzbereitschaft, also die Deckung und das Ausweichen. Die Schläge haben aber trotzdem dieselbe Wirkung. Man wird vielleicht sogar noch ungünstiger getroffen als früher."
Bocks eindeutiges Fazit: "Wenn ich der maßgebende Arzt wäre, würde ich es nicht erlauben. Auf keinen Fall." Warum der Kampf trotzdem über die Bühne geht? Für Bock leicht zu erraten: "Am Ende geht es um das Geld."