“Der weiße Mann ist der Teufel”, sagte Muhammad Ali einst in einem berühmten Interview mit dem englischen Talkmaster Michael Parkinson.
Der Architekt hinter ikonischen Karrieren
Das tief verwurzelte Rassismus-Problem in Amerika, das die in Zeiten der Rassentrennung aufgewachsene Box-Legende selbst immer wieder am eigenen Leib zu spüren bekommen hatte, hatte ihn in dieser Hinsicht verbittert und radikalisiert. Natürlich, es gebe auch Gutmeinende, so der Tenor des legendären Auftritts - aber vertrauen könne er im Zweifel eben nicht darauf.
Umso bemerkenswerter ist vor diesem Hintergrund seine Beziehung zu einem Mann, der von seinem Misstrauen ausgenommen war: Angelo Dundee, seinem weißen Trainer - der heute 100 Jahre alt geworden wäre.
Zwar bestand Ali seinerzeit auf der Feststellung, dass Dundee kein "Freund" sei, sondern ein "Gefährte". Der "Greatest" liebte seinen Gefährten allerdings erklärtermaßen innig und blieb ihm treu bis zum Ende. Auch in politisch aufgeheizten Zeiten, in denen das einigen von Alis Freunden ein Dorn im Auge war.
Muhammad Ali und Angelo Dundee hielten zueinander
Ali hielt zu seinem Mentor, obwohl die "Nation of Islam", der Ali anhing, ihn zeitweise vehement aufgefordert hatte, Dundee loszuwerden und einen schwarzen Trainer zu verpflichten. Für Dundee aber nahm Ali Vorwürfe vermeintlicher Inkonsequenz in seiner Haltung in Kauf.
"Er ließ mich immer genau der sein, der ich sein wollte, und er war loyal. Dewegen liebe ich Angelo", schrieb er 2008 als Vorwort in Dundees Buch "Axis of Greatness". Dundee stand Ali ebenfalls stets bei, als der wegen seiner politischen Ansichten und Aktivitäten von weiten Teilen des konservativen Amerikas geächtet war.
Ali sei ein guter Mensch, das zähle, vermittelte Dundee stets. Seine Religion und sein Privatleben gingen ihn nichts an, sagte der Katholik Dundee stets (wobei er zu Beginn von Alis Karriere das FBI über dessen Verbindungen zur NOI in Kenntnis setzte).
Aus sportlicher Sicht wäre es absurd gewesen, wenn Ali sich von dem Mann getrennt hätte, der untrennbar mit Alis großer Karriere, seinen unvergessenen Rivalitäten mit Joe Frazier, George Foreman und Co. verbunden war.
Schicksalhafte Begegnung im Fifth Street Gym
Angelo Dundee kam am 30. August 1921 als Angelo Merena in Philadelphia zur Welt, den Namen Dundee gab er sich später als Hommage an den damaligen US-Meisterboxer Johnny Dundee.
Den Sohn italienischer Einwanderer zog es in jungen Jahren nach New York, wo er Ende der 40er Jahre sein Handwerk im “Stillman’s Gym” lernte, der sagenumwobenen Trainingsstätte von Lou Stillman, in der auch Joe Louis und Rocky Marciano ein- und ausgegangen waren.
Angelo und sein älterer Bruder Chris zogen schließlich weiter nach Miami und eröffneten 1950 im Herzen von Floridas Partymeile ihr "Fifth Street Gym", das ebenso legendär werden sollte.
Zu den jungen Boxern, auf die die Dundees damals trafen, zählte ein gewisser Cassius Clay, der ihnen nicht nur athletisch, sondern auch durch sein Selbstbewusstsein und seine Willensstärke imponierte. Der Rest ist Sporthistorie.
Auch George Foreman und "Sugar" Ray Leonard trainiert
Angelo Dundee führte Clay zum WM-Gewinn über Sonny Liston 1964, war sein Vertrauensmann und Stratege hinter allen großen Triumphen, die folgen sollten: dem im "Rumble in the Jungle" gegen Foreman, dem im unfassbar brutalen "Thrilla in Manila" gegen Frazier, der Ali zwischenzeitlich entthront hatte.
Der "Michelangelo des Boxens" (New York Times) entwickelte zusammen mit Ali dessen revolutionäre Ringtaktiken, wie etwa das "Rope a Dope", mit dem er Foreman zur Verzweiflung trieb. Der unterlegene Rivale warf Dundee damals vor, die Seile zu Alis Vorteil manipuliert zu haben - was er später zurücknahm.
Ironie der Boxgeschichte: Dundee war später Foremans Trainer, als der in den Neunzigern zum ältesten Schwergewichts-Champ aller Zeiten wurde - stand in seiner Ecke beim späten Fight gegen Evander Holyfield, dem WM-Gewinn gegen Michael Moorer und beim Skandal-Kampf gegen Axel Schulz.
Neben Ali und Foreman führte Angelo Dundee 13 weitere Boxer zum WM-Titel, unter ihnen "Sugar" Ray Leonard, der aus Dundees Sicht Alis Qualitäten am nächsten kam.
Dundee sah Klitschkos hinter Ali, Frazier, Foreman
Bis zuletzt waren Dundees Qualitäten gefragt: Oscar de la Hoya engagierte ihn als Berater für seinen Fight gegen Floyd Mayweather, die Macher des Hollywood-Films "Das Comeback" ("Cinderella Man") für das Training von Hauptdarsteller Russell Crowe und für einen Gastauftritt.
Gerne hätte Dundee in seinen letzten Lebensjahren auch noch einen neuen Schwergewichts-Weltmeister geformt, der die damalige Dominanz von Vitali und Wladimir Klitschko brechen hätte sollen.
Die Klitschkos sah Dundee nicht auf dem Niveau der Größen seiner Zeit, zu langsam und zu wenig beweglich wären sie im Verhältnis gewesen, als dass sie Foreman, Frazier, Larry Holmes in ihrer Blütezeit hätten besiegen können. Ali natürlich erst recht nicht.
Friedlicher Tod vier Jahre vor Ali
"Muhammad war der kompletteste Fighter, er konnte einfach alles", sagte Dundee wenige Monate vor seinem Tod der Welt.
Bis zuletzt hatte er regelmäßigen Kontakt zu Ali, die Parkinson-Tragödie um den 20 Jahre jüngeren Weggefährten - die durch den riskanten Kampfstil des Erfolgsgespanns begünstigt wurde - nahm auch ihn schwer mit.
Dundee entschlief am 1. Februar 2012 im Alter von 90 Jahren friedlich in einer Seniorenresidenz in Tampa, vier Jahre bevor auch der große Gefährte starb. “Bitte verwenden Sie im Zusammenhang mit Boxen nie das Wort groß, größer oder Größter”, bat Dundee 2011 noch: “Weil dieses Attribut nur einem zusteht: Muhammad Ali.”