„Ick hab ihn halt nicht umgehauen.“
Das miese Spiel um Axel Schulz
Axel Schulz sagt diesen Satz im Jahr 2020 im Gespräch mit SPORT1 ohne Zorn, ohne Verbitterung - und in seinem unverwechselbar schönen Brandenburg-Dialekt.
Man merkt Schulz, dem ehemalige Aushängeschild des deutschen Schwergewichts-Boxens, dabei an, dass er im Reinen mit sich ist - und mit seinem größten, berühmtesten Kampf.
Auch wenn er damals am 22. April 1995 in seinem Duell mit dem legendären George Foreman um den verdienten Lohn betrogen wurde.
Taximann fuhr Axel Schulz umsonst
Dass Schulz diese Meinung nicht exklusiv hatte, erfuhr er schon kurz nach dem Kampf, als er sich von dessen Schauplatz zu seinen nach Las Vegas mitgereisten Freunden aus der Heimat fahren ließ. Gratis.
"Axel, du wurdest grad betrogen, du brauchst nüscht bezahlen", hätte ihm der Taxifahrer damals mitgeteilt, erinnert sich Schulz bei SPORT1.
Den großen Kampf verloren, die Sympathien gewonnen: So lief das auch später oft bei Schulz, der in dieser Nacht zu einem Liebling der Sportnation wurde - dessen Popularität nicht gemindert wurde, dass er auch später immer wieder am großen Traum vorbeischrammte, erster deutscher Schwergewichts-Weltmeister nach Max Schmeling zu werden.
Dabei hätte er es zumindest bei diesem Kampf in jedem Fall verdient gehabt. Die Punktrichter aber hatten etwas dagegen - und Schulz ist sicher, dass er auch die Gründe dafür kennt.
George Foreman träumt von Mega-Fight gegen Mike Tyson
Der damals 26 Jahre alte Schulz aus dem Sauerland-Boxstall um den damaligen deutschen Topstar Henry Maske war seinerzeit von Foreman und dessen Promoter Bob Arum offensichtlich als Aufwärmgegner eingeplant.
"Big George", dessen große Kämpfe wie der "Rumble in the Jungle" gegen Muhammad Ali schon damals über 20 Jahre her waren, war 1987 nach zehn Jahren Ringpause zurückgekehrt und eigentlich auf bestem Weg, zum belächelten Ring-Oldie zu verkommen.
Nach zwei klar verlorenen WM-Fights gegen Evander Holyfield 1991 und Tommy Morrison 1993 schockte er dann allerdings am 5. November 1994 Michael Moorer mit einem K.o. in Runde 10 und krönte sich 45-jährig zum ältesten Weltmeister der Geschichte.
Eine fantastische Story, die Foreman und sein Lager gern noch weiter erzählen wollten. Foreman kokettierte mit einem Mega-Fight der Generationen gegen Superstar Mike Tyson - nach dessen bevorstehender Entlassung aus dem Gefängnis, in dem „Iron Mike“ nach einer Verurteilung wegen Vergewaltigung saß.
Vor dem Kampf floss Bestechungsgeld
Der Kampf gegen Schulz sollte nur ein Zwischenspiel sein. Und schon der Ansetzung ging eine fragwürdige Kulissenschieberei voraus.
Schulz fand sich nicht in den Ranglisten der Verbände WBA und IBF, deren Titel Foreman hielt. Weil die WBA nicht akzeptierte, dass Foreman Pflichtherausforderer Tony Tucker für Schulz links liegen ließ, erkannte sie ihm den Titel ab.
Die IBF dagegen bewilligte den Fight mit Schulz - wofür insgesamt 350.000 Dollar Bestechungsgeld flossen, wie Arum später in einem Gerichtsprozess zugab.
Foreman-Lager hielt Schulz für ungefährlich
Foreman gab damals offen zu, dass er den Namen Axel Schulz noch nie gehört hatte.
International profiliert war der Mann aus Bad Saarow auch tatsächlich nicht, hatte noch keinen WM-Kampf bestritten, war gescheitert bei zwei Versuchen, den EM-Titel vom Briten Henry Akinwande zu gewinnen.
Arum hielt Schulz für ungefährlich, strengte sich auch kaum an, das zu verhehlen. Gefragt nach Gründen, warum der Titelkampf spannend werden würde, sagte er Sätze wie: "Axel Schulz kommt aus Deutschland, einer der führenden Industrienationen der Welt."
Der Herausforderer bewies allerdings, dass da doch noch etwas mehr in ihm steckte.
Scorecards: 115:113, 114:114, 115:113
Dem Altmeister gelang es in der MGM Grand Garden Arena nicht, den von Trainer Manfred Wolke gut vorbereiteten Schulz entscheidend unter Druck zu setzen.
Schulz wich seinen Schlägen aus, punktete selbst aus der Halbdistanz, war über 12 Runden der aktivere Mann - brachte Foreman im letzten Durchgang gar mit einer Viererkombination bedrohlich ins Wanken.
Aber er haute ihn nicht um.
Zum Ärger auch vieler Zuschauer vor Ort wurde Foreman zum Sieger erklärt, 115:113 urteilten zwei der drei Punktrichter für den Altmeister, 114:114 der dritte.
Harold Lederman, der langjährige Analyst des übertragenden US-Senders HBO sah Schulz vorn, überdeutlich mit 117:111. Nutzte nur nichts.
Es ging um Millionen Dollar
"Im Ausland musst du den Gegner umhauen", benennt Schulz im SPORT1-Gespräch ein ungeschriebenes Gesetz der Branche.
Er ist überzeugt: Hinter der zweifelhaften bis skandalösen Entscheidung standen Interessen, in die er eben nicht hineinpasste.
"Ich hab 500.000 Mark Kampfbörse bekommen, er 10 Millionen. Beim nächsten wären es wohl 20 Millionen gewesen", führt Schulz aus: "Und der Verband kassiert drei bis fünf Prozent, da ist er natürlich interessiert, die Börse hochzutreiben. Ob ich je da rangekommen wäre? Weiß ich nicht."
Schulz verlor auch gegen Botha und Moorer
Foremans Sieg über Schulz geriet aber so faul, dass sich seine Hoffnungen auf weitere lukrative Fights auch so zerschlugen: Selbst die IBF verlangte letztlich einen Rückkampf gegen Schulz, auf den Foreman sich allerdings nicht einließ und den Titel aberkannt bekam.
1997 zog sich Foreman nach einer Niederlage gegen Shannon Briggs endgültig in seine zweite Karriere als Verkäufer von Grills zurück.
Schulz bekam seine zweite Titelchance stattdessen gegen Francois Botha und verlor am 9. Dezember 1995 auch diesen skandalumwitterten Fight. Einen dritten und letzten WM-Kampf verlor er im Jahr darauf gegen den von Foreman besiegten Moorer.
"Ich hab immer alles gemacht, was ich konnte", blickt Schulz zurück: "Mehr ging halt nicht."
Letzte Kämpfe gegen Klitschko und Minto
Schulz blickt zufrieden zurück auf seine Karriere, die 1999 mit einer Niederlage gegen den jungen Wladimir Klitschko endete (2006 nach einem missglückten Comeback gegen Brian Minto endgültig).
Obwohl ihm die sportliche Krönung verwehrt blieb: Seine Leistung gegen Legende Foreman machte ihn in Deutschland zu einem Publikumsmagneten (den Fight mit Botha sahen bei RTL über 18 Millionen Zuschauer - Quotenrekord bis heute).
Seine fröhlich-sympathische Ausstrahlung - die er dem eher knurrigen Stallkollegen Maske voraus hatte - half ihm, auch zum gefragten TV-Promi und Werbeträger zu werden.
Mit Gegner Foreman blieb Schulz verbunden, sah ihn immer wieder bei gemeinsamen Experten-Einsätzen für Kämpfe in den USA.
Zum 25-Jährigen war eigentlich auch ein Wiedersehen geplant gewesen. „Die Flüge waren gebucht“, berichtet Schulz: „Aber Corona kam dazwischen.“