Eineinhalb Jahre lang hielt es Silvio Berlusconi ohne Fußball aus.
Berlusconis bizarres Monza-Projekt
Im April 2017 veräußerte der frühere Ministerpräsident Italiens seinen AC Mailand für insgesamt 740 Millionen Euro an ein chinesisches Konsortium um den Unternehmer Li Yonghong und beendete damit eine über 30 Jahre währende Ära.
Keine 15 Monate später kaufte er sich mit seiner Fininvest-Holding bei Monza 1912 ein - einem unterklassigen Verein einer 120.000-Einwohner-Gemeinde, die im Mailänder Speckgürtel angesiedelt ist und neben der legendären Rennstrecke nicht viel zu bieten hat.
Doch Berlusconi wäre nicht Berlusconi, würde er nicht auch mit einem Provinzklub etwas im Schilde führen. Durchschnitt ist für den mittlerweile 83-Jährigen ein Fremdwort, weswegen er gleich bei seinem Amtsantritt ungeniert erklärte, was er mit Monza vorhabe.
Donati vergleicht Monza mit Leipzig
So schnell wie möglich von der Serie C, Italiens dritter Liga, in die Serie A wolle er - und das ausschließlich mit italienischen Spielern, die "keine Tattoos, keine Bärte, keine Ohrringe tragen und anständige Frisuren haben".
Offenbar fanden sich genügend Akteure, die die bizarren Vorgaben des rechtsgerichteten Forza-Italia-Chefs erfüllen konnten. Und offenbar waren sie stark genug, Teil eins des Berlusconi-Projektes umzusetzen.
Mit riesigem Abstand auf den Tabellenzweiten feierte Monza den Aufstieg in der Serie B, der ihnen wegen des Abbruchs aufgrund der Corona-Pandemie schließlich am grünen Tisch zugesprochen wurde.
Nun startet Teil zwei der Mission - und mit Giulio Donati ist ein früherer Bundesligaspieler seit einigen Wochen mittendrin. "Ich bin sehr stolz, in Monza zu sein, weil ich hier die Möglichkeit habe für zwei Persönlichkeiten wie Herrn Berlusconi und Herrn Galliani zu spielen", sagt Donati bei SPORT1.
Der 30 Jahre alte Außenverteidiger, der von 2013 bis 2019 in Leverkusen und Mainz unter Vertrag stand, ist ab sofort Teil des Monza-Projektes - und er scheut sich nicht vor großen Zielen. "Die beiden haben den italienischen Fußball an die europäische Spitze gebracht. Ich hoffe, dass wir auch mit Monza vieles möglich machen können."
Dass sich Monza zum italienischen Pendant eines deutschen Emporkömmlings aufschwingt, ist für Donati keine Illusion. "Ich vergleiche Monza ein bisschen mit RB Leipzig vor einigen Jahren", sagt er. "Der Klub kam von der deutschen Regionalliga bis hoch in die Bundesliga und ist heute dort einer der drei Topklubs. Einen ähnlichen Weg kann ich mir gut für Monza vorstellen."
Milans Erfolgsduo ist wieder vereint
Dass Berlusconi ausgerechnet den kleinen Klub im Mailänder Hinterland aussuchte, lag an jenem Adriano Galliani, mit dem er schon beim AC Mailand eine kongeniale Verbindung eingegangen war. Als Geschäftsführer und späterer Vize-Präsident wurde Galliani zu Milans Mastermind und war maßgeblich daran beteiligt, dass die Rossoneri in seiner Amtszeit fünf Mal den Landesmeisterpokal, bzw. die Champions League gewannen.
Galliani, und da schließt sich der Kreis, war vor seiner Zeit beim AC Mailand in Monza aktiv und stammt auch gebürtig aus der Gegend. "Der Aufstieg in die Serie B ist der erste Schritt in Richtung Aufstieg in die Serie A", sagte Galliani kürzlich bei Sky Sport. "Wir wollen der Stadt, in der ich zur Welt gekommen bin, diese Freude geben."
"Ich habe noch nicht mit Herrn Berlusconi gesprochen, aber mit Herrn Galliani", verrät Donati. "In dem Gespräch wurde mir sofort klar, welche Ambitionen er hat. Auch Berlusconi ist ein Mann, der weiß, was er will. Die Vision der beiden war sofort klar."
Berlusconi und Galliani, die beiden älteren Herrschaften, haben sich nun also in der Brianza, dem Landstrich nordöstlich der Metropole Mailand, wieder zusammengefunden und planen den Großangriff auf die nationalen Denkmäler - nicht zuletzt dem AC Mailand selbst.
Berlusconis Pomp nur anfangs belächelt
Dass ihnen ihre hochtrabenden Pläne selbst mit einem eher bedeutungslosen Verein gelingen könnte, ist alles andere als ausgeschlossen. Als Berlusconi nach der Milan-Übernahme 1986 die Mannschaft per Hubschrauber ins Stadion einfliegen ließ, kündigte er - untermalt von Klängen Richard Wagners - an ,"die beste Mannschaft der Welt” zu formen. Diejenigen, die ihn seinerseits belächelten, wurden schon zwei Jahre später, als Milan die Serie A gewann und seinen imposanten Siegeszug startete, eines Besseren belehrt.
Dass sich das Duo nun aufmacht, Geschichte zu wiederholen, haben italienische Medien längst registriert. "Das, was die neue Fininvest derzeit bei Monza baut, gleicht einem Panzerkreuzer", schrieb die Tageszeitung Il Giorno vor einigen Wochen. Kein Wunder: Die für den Aufstieg in die Serie B getätigten Investitionen wurden weiter drastisch erhöht.
Während andere italienische Zweiligaklubs im Durchschnitt zwei Millionen Euro in neue Spieler investieren, legte der Aufsteiger bereits satte 17 Millionen auf den Tisch - Tendenz steigend.
"Ich habe nie Zweifel gehabt, dass es Monza in die Serie B schaffen würde", sagte Berlusconi unlängst in der der lokalen Tageszeitung Il Cittadino. "Der Aufstieg in die Serie A hängt von vielen Faktoren ab, einige sind unberechenbar. Die berechenbaren sind uns klar, und wir werden das Beste tun, um sie zu unserem Vorteil zu nutzen."
"Manchmal ist ein Ziel im Leben wichtiger als ein Traum"
Für Donati ist ohnehin klar, wohin die Reise des neureichen Klubs führen wird - so schnell wie möglich zu den Größen des italienischen Fußballs. "Ich hoffe, dass wir sofort in die Serie A aufsteigen, wir müssen versuchen, es zu schaffen. Manchmal ist ein Ziel im Leben wichtiger als ein Traum."
Damit auch nichts dem Zufall überlassen wird, hat Berlusconi seine rigiden Vorgaben mittlerweile gelockert.
So befinden sich jetzt einige ausländischen Spieler im Kader - und selbst beim Körperkult drückt der Monza-Chef ein Auge zu.
"Inzwischen haben einige Spieler Tattoos, sonst wäre das ja auch zu komisch", sagt Donati und lacht. "Heutzutage hat fast jeder Fußballer eines, es ist zu schwierig gute Spieler ohne Tattoos zu finden. Das hat auch Berlusconi gemerkt."