Triumph in der Champions League 2019, nach 30 Jahren endlich wieder die Meisterschaft in der Premier League 2020 - Jürgen Klopp hat mit dem FC Liverpool riesige Erfolge gefeiert. Während es in der Königsklasse noch läuft, stottert aktuell der Motor vor allem in der Liga gewaltig (Premier League: Wolverhampton Wanderers - FC Liverpool, ab 21 Uhr im LIVETICKER).
Sahin: Klopp nutzt sich nicht ab
Nach der sechsten Heimniederlage in Serie sind die Reds nur noch Achter. (SERVICE: Tabelle der Premier League).
Im Herbst ist Klopp seit sechs Jahren an der Anfield Road tätig. Bei Borussia Dortmund stürzte Klopp mit seinem Team einst in der Krisen-Saison 2014/2015 bis auf den letzten Platz ab. Am Ende kam der BVB zwar noch in die Europa League, die gemeinsame Reise endete trotzdem im Sommer 2015.
Nuri Sahin, im Herbst 2012 selbst beim FC Liverpool unter Vertrag, feierte unter Trainer Klopp beim BVB nicht nur große Erfolge, sondern stand mit ihm auch die große Krise durch. (SERVICE: Ergebnisse und Spielplan Premier League).
Im SPORT1-Interview erinnert sich der 32-Jährige (aktuell bei Antalyaspor unter Vertrag).
SPORT1: Herr Sahin, es läuft in der Liga alles andere als rund für den FC Liverpool. Gegen RB Leipzig ist Jürgen Klopp mit den Reds dagegen weitergekommen. Kann dieser Sieg in der Champions League Liverpools Saison noch retten?
Nuri Sahin: Man muss das ein bisschen differenziert sehen. Bis vor ein, zwei Monaten lief es ja eigentlich ganz gut. Dann kam die Ergebniskrise, und es ist ärgerlich, dass das Team in der Liga den Ansprüchen hinterherrennt. Warum muss die Saison gerettet werden? Wenn man einen Fan an der Anfield Road fragen würde, wie er die bisherige Spielzeit bei einem erneuten Champions-League-Gewinn bewerten würde, dann würde jeder Anhänger happy sein und sagen, dass diese Runde sehr erfolgreich war. Das Hauptziel ist, in der Premier League unter die Top 4 zu kommen.
SPORT1: Aber woran liegt es denn, dass es momentan in der Liga Probleme gibt?
Sahin: Ich bin kein Fan von Ausreden, will die auch gar nicht anbringen, Jürgen sicher auch nicht - aber zum Beispiel wegen Verletzungen. Bei Liverpool muss man aber genau hinschauen. Wenn so eine wichtige Achse wegbricht, wie es bei den Reds der Fall ist, dann spricht das eine deutliche Sprache. Jürgen musste 19 oder 20 Mal das Innenverteidiger-Tandem wechseln. Das sagt schon viel über eine Mannschaft aus. Gerade mit Virgil van Dijk fehlt eine absolute Stütze in der Mannschaft. Zudem haben sich auch Kapitän Jordan Henderson und James Milner verletzt. Das sind die drei Alphatiere in Jürgens Team und wenn die drei fehlen, fehlt auch etwas Wichtiges in der Kabine. Das ist ein besonderer Fall. Wenn dann der eine oder andere Spieler mal außer Form ist, kommt man gar nicht mehr in Tritt. Der Hauptgrund momentan sind also die Verletzungen.
SPORT1: 2015 gab es mit Klopp in Dortmund eine ähnliche Krise. Gerade die Engländer sehen jetzt natürlich Parallelen. Sie auch?
Sahin: Nein. Wirklich nicht. Das muss man ein bisschen anders sehen. Wir hatten beim BVB damals nicht so viele Verletzte wie Liverpool aktuell. Sicher, wir hatten einige Verletzte, ich war auch darunter. Aber bei den Reds ist es aktuell doch extrem. Ich sehe Jürgen immer noch sehr emotional an der Linie. Er glaubt bestimmt weiter an sich und sein Team. Und gerade in der Königsklasse läuft es ja gerade nicht so schlecht für die Jungs. Man kann nicht darüber hinwegsehen, dass es in den zurückliegenden ein, zwei Monaten spielerisch nicht ganz top ist. Aber es geht mir dann viel zu schnell, über Parallelen zu sprechen. Es gibt keine zum BVB damals. Seit der Bekanntgabe seines Abschieds in Dortmund stimmten auch die Ergebnisse wieder, und wir haben uns schließlich auch noch für Europa qualifiziert. In der Champions League sind wir gegen Juve ausgeschieden, die damals dann im Finale standen. Ich bin mir daher jetzt auch sicher, dass die Saison noch einen sehr positiven Lauf für die Reds nehmen wird. Meister werden sie nicht mehr, aber die restlichen Spiele werden sie noch positiv bestreiten.
SPORT1: Wie haben Sie Klopp damals wahrgenommen? Was hat er anders gemacht als sonst?
Sahin: Viel anders nicht. Deshalb ist Jürgen ja immer noch der Trainer, der er ist. Und das ist auch gut so. Er glaubt bestimmt weiter an seine Philosophie und zieht sein Ding durch. Auch wenn ein, zwei Monate die Ergebnisse nicht stimmen. Ich habe ihn damals beim BVB sehr fokussiert gesehen. Natürlich machte er sich in der Phase, als es nicht lief, mehr Gedanken, ob er etwas verändern soll oder nicht. Aber ich hatte bei Jürgen nicht das Gefühl, dass er alles über den Haufen schmeißen wollte. Er ist ruhig geblieben und schließlich haben wir uns belohnt und das Minimalziel Europa dann auch erreicht.
SPORT1: Wie hat er den BVB damals aus der Krise geholt?
Sahin: Da muss ich etwas Witziges erzählen. Ich weiß noch, als er damals braun gebrannt und gut gelaunt aus dem Urlaub wieder kam. Es war Winter und wir trafen uns alle zum Laktattest. Seine gute Laune hat sich dann auch auf uns projiziert und uns durch die Rückrunde getragen.
SPORT1: Was meinen Sie? Kriegt Klopp mit Liverpool noch mal die Kurve?
Sahin: Da muss ich fragen welche Kurve? Wir reden über die Premier League und das ist immer noch eine qualitativ starke Liga. Da kommt man mit seinem Team nicht mal im Vorbeigehen unter die ersten Vier. Wenn da noch der eine oder andere vermeintlich kleinere Klub wie in dieser Saison Leicester City mitmischt, dann ist das nicht so einfach, die Kurve zu kriegen. Ich bin aber felsenfest davon überzeugt, dass Jürgen das schafft - das sage ich als Liverpool-Fan und als sein Freund. Die Reds werden in der Liga unter die ersten Vier kommen, und in der Königsklasse müssen sie auch erst mal geschlagen werden.
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SPORT1: Sollte es für Klopp in Liverpool dann doch mal zu Ende gehen, wäre er der perfekte Trainer der deutschen Nationalmannschaft? Er hat zwar jetzt gesagt, dass er nicht zur Verfügung steht, aber im Fußball kann es schnell gehen.
Sahin: Er wäre schon der passende Mann für den Job. Da kommen auch noch andere Kandidaten infrage. Ich glaube, jeder denkt ausnahmslos so, dass Jürgen passen kann. Ich weiß gar nicht, ob es jemanden gibt, der sich Jürgen nicht als Bundestrainer wünscht beziehungsweise vorstellen kann. Ich bin absolut sicher, dass er das auch kann. Aber wenn Jürgen sagt, dass er nicht zur Verfügung steht, dann meint er das so.
SPORT1: Letzte Frage: Wo ordnen Sie Klopp in Ihrer Karriere als Trainer ein?
Sahin: Es steht außer Frage, dass Jürgen mich als Trainer am meisten geprägt und gefördert hat. Er steht bei mir ganz oben auf der Liste. Menschlich, was die Trainer im Fußball betrifft, war und ist Jürgen das Nonplusultra, was ich bisher erlebt habe.