Einst war es eine Kühlbox, nun muss ein umgedrehter Eimer herhalten.
Der irre Hype um Bielsa in Leeds
Seine Vorliebe für ausgefallene Sitzgelegenheiten stellt Marcelo Bielsa - wie schon zu Zeiten bei Olympique Marseille - aktuell auch als Trainer von Leeds United zur Schau. Aber nicht nur diese Eigenheit des als "el loco", der Verrückte, bekannten Trainergurus versetzt die Fans des englischen Traditionsklubs momentan in regelrechte Ekstase.
Mitte Juni übernahm der 63-Jährige den Trainerjob beim englischen Zweitligisten - und entfachte innerhalb weniger Wochen eine lange nicht gekannte Euphorie rund um die Elland Road. 14 Jahre nach dem Abstieg aus der Premier League - mit drei Jahren in der Drittklassigkeit am Rande der Insolvenz - lechzen die Fans nach Erstliga-Fußball. Und "el loco" soll diesen Traum erfüllen.
Tiki-Taka in der Knochenmühle
Mit Tiki-Taka durch die Knochenmühle Championship. Und mit besagtem blauem Eimer.
Seit Bielsa den blauen Plastik-Bottich beim berauschenden 3:1-Auftaktsieg gegen Aufstiegsfavorit Stoke City zu seinem Beobachtungsposten an der Seitenlinie auserkor, ist ein wahrer Hype ausgebrochen.
Wie die Daily Mail berichtete, fragten bereits einige Sponsoren beim Klub an, ob sie nicht ihr Logo auf dem Eimer platzieren könnten. Die Fans trieb derweil die Frage um, ob "Bielsa's Bucket" denn auch die Reise zum Auswärtsspiel bei Derby County unbeschadet mitmachen konnte. Der Klub beschwichtigte: Der Eimer war dabei.
Obwohl Bielsa diesmal auf seinen individuellen "Trainerstuhl" verzichtete, setzte sein Team mit dem 4:1 gegen das ebenfalls stark einzuschätzende Derby County, das von Chelsea-Legende Frank Lampard trainiert wird, das nächste Ausrufezeichen.
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Bielsa lässt Euphorie kalt
Von der Euphorie um ihn herum will Bielsa aber nichts wissen. "Um enthusiastisch zu sein, bedarf es mehr als nur zwei Spiele", sagte er nach dem Erfolg am Samstag. "Es ist zu früh, um irgendwelche Schlüsse zu ziehen. In jedem Spiel müssen wir uns aufs Neue beweisen. In diesem Wettbewerb musst du Kontinuität zeigen, das muss man sich immer wieder ins Gedächtnis rufen."
Mit sechs Punkten und 7:2 Toren grüßt der dreimalige englische Meister von der Tabellenspitze, doch der Weg zurück zu altem Ruhm ist lang. 46 Spiele umfasst die Championship-Saison, nur die ersten beiden steigen direkt auf, die Teams auf den Plätzen drei bis sechs spielen in den Playoffs den dritten Aufstiegsplatz aus.
Skurriler Auftritt beim TV-Interview
"Die Bielsa-Revolution ist im Gange", twitterte der offizielle Account der Liga nach dem starken Start der Peacocks. "Was bislang in den Spielen passiert ist, stellt nichts Entscheidendes dar", relativierte Bielsa in seiner typischen Art.
Skurril mutete auch sein Auftritt beim TV-Interview nach dem Auftaktsieg gegen Stoke an. Weil der Argentinier kein Englisch spricht, hat er bei jedem Auftritt vor der Presse einen Dolmetscher an seiner Seite. Beim Interview mit Sky Sports übersetzte dieser nicht nur die Fragen, sondern soufflierte seinem Chef auch die Antworten, die Bielsa dann in holprigem Englisch ins Mikrofon sprach. Das Video wurde zum viralen Hit.
Trotz der offensichtlichen Sprachbarrieren hat Bielsa seinen Spielern binnen kurzer Zeit seine Spielidee vermittelt. "Er belehrt uns jeden Tag über Fußball. Seine Art des Fußballs passt zu jedem", sagt Mateusz Klich. Weder beim VfL Wolfsburg noch beim 1. FC Kaiserslautern schaffte der Pole hierzulande den Durchbruch, nun legte er mit zwei Toren nach eigener Aussage den besten Saisonstart seiner Karriere hin.
Bielsa eilt der Ruf voraus, jeden Spieler besser zu machen. "Ich habe nicht einen ehemaligen Spieler von Marcelo Bielsa getroffen, der nicht gut über ihn gesprochen hat. Sie sind dankbar für seinen Einfluss auf ihre Karrieren", sagt Pep Guardiola, für den "el loco" selbst ein großes Vorbild ist.
Bielsa schickt Spieler zum Müllsammeln
Bielsas eigenwillige Methoden kommen an. Vor dem Saisonstart wollte er wissen, wie lange ein Leeds-Fan durchschnittlich für einen Stadionbesuch arbeiten muss. Eine Untersuchung ergab: drei Stunden. Um seinen Spielern ein Gefühl dafür zu geben, was die Anhänger auf sich nehmen, ging er während einer Trainingseinheit mit seinem Team drei Stunden zum Müllsammeln in den Park.
"Unter einem so großartigen Trainer wie Bielsa können wir eine Menge lernen", sagt Klich und hofft, dass der Erfolg auf dem Platz noch lange anhält.
Doch Bielsas mahnende Worte kommen nicht von ungefähr. Seinen Ruf als versierter Taktiker hat er sich vor allem als Nationaltrainer Chiles während der WM 2010 erarbeitet, auch bei Athletic Bilbao arbeitete Bielsa erfolgreich. Bei seinen letzten Stationen wurde es jedoch zunehmend chaotischer.
2016 trat er zwei Tage nach seinem Amtsantritt bei Lazio Rom wieder zurück. Den OSC Lille verließ er im Streit, der Anfang des Jahres sogar vor Gericht endete, nachdem er seinen Ex-Klub wegen ausstehender Gehaltszahlungen verklagt hatte.
Der vielversprechende Auftakt bei Leeds United muss sich daher auch für Bielsa wie ein befreiender Neustart anfühlen.