Der Name des Hotels könnte nicht passender sein. Finisterre - abgeleitet aus dem Lateinischen: das Ende der Welt.
Spaniens Fußball versinkt im Chaos
In diesem 5-Sterne-Hotel in der spanischen Hafenstadt A Coruna halten sich die Fußballer des Zweitligisten CF Fuenlabrada seit über einer Woche in Quarantäne auf.
Wie sich die Profis dabei fühlen müssen, kann man sich aus der Ferne nur ausmalen: Laut der spanischen Zeitung As bekamen die Spieler in den ersten sechs Tagen der Quarantäne weder ein frisches Handtuch noch Seife, auch die Bettwäsche wurde nicht gewechselt. Das Essen sei nicht gut und ausreichend, auch wenn der Verein diesen Berichten entgegentrat.
Da die Spieler die Zimmer nicht verlassen dürfen, mussten sie ihre Kleidung selbst reinigen, hängten sogar ihre Unterwäsche vor den Fenstern zum Trocknen auf - das Fotomotiv prägt seit Tagen die spanischen Nachrichtensendungen, wenn von der Fuenlabrada-Saga die Rede ist.
28 Coronafälle - Tendenz steigend
Der Aufstiegskandidat war am Sonntag vor einer Woche zum Auswärtsspiel gegen Deportivo La Coruna gereist, dort sollte planmäßig das letzte Saisonspiel stattfinden. Wenige Minuten vor Anpfiff wurde die Partie jedoch abgesagt, nachdem diverse Mitglieder des Gästeteams positiv auf das Coronavirus getestet wurden.
Seitdem befindet sich das Team im Finisterre in Quarantäne - und die Coronafälle werden immer mehr. Am vergangenen Freitag wurden 16 Fälle gemeldet, am Sonntag waren es schon 28. Ein Spieler befindet sich sogar zur Behandlung im Krankenhaus.
Wann die Spieler das Hotel verlassen können, ist unklar und längst nicht mehr das bewegende Thema in Spaniens Presse. Vielmehr begleitet die Aufstiegsfrage die tägliche Berichterstattung. Fuenlabrada beendete die Saison auf Platz acht, mit einem Spiel und einem Punkt weniger als der Sechstplatzierte Elche CF. Sollte die Partie bei Absteiger La Coruna wiederholt werden, würde ein Remis reichen, um Platz sechs und damit die Aufstiegs-Playoffs zu erreichen.
Dazu wird es aber offenbar nicht kommen: Der spanische Verband teilte am Sonntag mit, dass die Begegnung aufgrund "höherer Gewalt" nicht nachgeholt werde. Dies habe der Verein akzeptiert, die Liga lobte die "großzügige" Reaktion Fuenlabradas.
Spieler melden sich in offenem Brief zu Wort
Das Team um den Ex-Mainzer José Rodriguez will davon jedoch nichts wissen und dementierte diesen Bericht wenige Stunden später. Man hoffe weiter auf die Austragung des fehlenden Spiels und wolle abwarten, bis die Entscheidung von allen zuständigen Stellen getroffen werde.
Am Sonntagabend meldeten sich dann die Spieler zu Wort und veröffentlichten einen offenen Brief, der fünf Punkte beinhaltete.
"Wir fordern, dass sich die zuständigen Organisationen auf einen Spieltermin einigen, an dem zur Verfügung stehende Spieler antreten", schrieben die Profis. Außerdem erinnerten sie auch ihren Klub an die Verantwortung, die Playoff-Chance am Leben zu halten. Laut Marca würde jeder Spieler im Kader dann eine Playoff-Prämie in Höhe von 22.000 Euro erhalten.
"Wir betrachten uns als die einzigen, die durch diese Situation doppelt geschädigt werden: Zuerst durch die globale Pandemie und dann durch die Verweigerung des Spielrechts", erklärten die Profis. "Wir behalten uns das Recht vor, rechtliche Schritte gegen die zuständigen Institutionen einzuleiten, um unsere Position angesichts der Ereignisse zu verteidigen, die seit dem vergangenen Samstag, dem 18. Juli 2020, stattgefunden haben."
Fuenlabrada droht Zwangsabstieg
Eine Entscheidung drängt, schließlich ist am Mittwoch das Hinspiel des Playoff-Halbfinals zwischen Elche und Real Saragossa angesetzt.
Auch Fuenlabradas Gegner La Coruna fühlt sich benachteiligt. Nach den Ergebnissen der anderen Spiele kann der Klub den Abstieg nicht mehr verhindern, vor dem letzten Spieltag hatte man jedoch noch Chancen auf den Klassenerhalt. Der Verein kündigte bereits rechtliche Schritte an und würde im Falle eines Nachholspiels wohl aus Protest wegen fehlender Chancengleichheit gar nicht antreten - und Fuenlabrada damit die Aufstiegsplayoffs schenken.
"So wird die nächste Saison nie beginnen", stöhnte Fuenlabradas Trainer José Ramón Sandoval schon.
Tatsächlich könnte es für den Klub aus dem Süden Madrids aber noch viel schlimmer kommen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Fuenlabrada wegen einer möglichen Straftat gegen die öffentliche Gesundheit, die oberste Sportbehörde CSD erwägt einen Zwangsabstieg des Klubs in die 3. Liga.
Der Vorwurf: Die Mannschaft hätte in Zeiten stetig steigender Infektionszahlen in Spanien niemals auf Reisen gehen dürfen, man hätte die öffentliche Gesundheit vorsätzlich gefährdet. Tatsächlich gab es bereits vor dem Abflug vier positive Coronatests (ein Spieler und drei Mitarbeiter).
Sportaufsicht: "Schwere Fehler"
Bei einer weiteren Testreihe seien dann bereits in A Coruna "fünf oder sechs" weitere Teammitglieder infiziert gewesen, erklärte Klub-Rechtsanwalt Javier Tebas Llanas laut Marca. Der Anwalt, Sohn des gleichnamigen spanischen Ligabosses Javier Tebas, fügte jedoch hinzu, dass die ersten vier Infizierten jederzeit isoliert gewesen seien.
Auch Präsident Jonathan Praena sagte, es wäre "ungerechtfertigt gewesen, aus Angst nicht zu reisen." Man habe stets in Kontakt mit der Liga gestanden.
Das sieht die Sportaufsicht CSD jedoch anders, sie spricht von "schweren Fehlern". Der Verein und die Liga hätten den spanischen Gesundheitsbehörden früher die positiven Tests melden müssen, stattdessen informierte das zuständige Labor die Verwaltung in Madrid erst am Montag gegen 18 Uhr. Die Behörden in Galicien und damit in A Coruna seien sogar erst um 20 Uhr unterrichtet worden, als die Fälle längst durch die Medien gingen.
Tritt Liga-Präsident Tebas zurück?
Deshalb wird mittlerweile auch gegen die Liga ermittelt, es besteht der Verdacht der Kooperation und die Frage, ob Vater und Sohn Tebas die Positiv-Fälle zu vertuschen versuchten.
Wegen eben dieser möglichen Interessenskonflikte war eigentlich vereinbart worden, dass Tebas senior sich aus allen Angelegenheiten von Fuenlabrada heraushalten sollte. Wie der Radiosender Cope berichtet, erwägt der Ligaboss aufgrund der Verfehlungen und des entstandenen Chaos mittlerweile sogar seinen Rücktritt.
Auch Rayo Vallecano meldet Ansprüche an
Am Dienstag kam in der "Seifenoper", wie die Marca das Aufstiegs-Drama in Spanien jüngst bezeichnete, ein neues Kapitel hinzu.
Denn mit dem Tabellensiebten der Abschlusstabelle, Rayo Vallecano, schaltete sich ein weiterer Klub ein und meldete überraschend Ansprüche auf ein Playoff-Ticket an.
Begründung: Konkurrent Elche habe wegen des Spielausfalls von Fuenlabrada weniger Druck im entscheidenden letzten Saisonspiel verspürt und sei deshalb zu einem 2:1-Sieg gegen Oviedo gekommen. "Das Spiel gegen Real Oviedo wurde auf verfälschte Weise gespielt", heißt es in einer Mitteilung des Klubs
Rayo fordert daher nun Konsequenzen in Form eines Entscheidungsspiels gegen Elche - immer vorausgesetzt, der finale Spieltag könne nicht in Gänze wiederholt werden: "Elche sollte nicht die Mannschaft sein, die diesen Platz direkt zugesprochen bekommen sollte." Der spanische Verband ist bisher nicht auf diesen Vorschlag eingegangen.
A Coruna leidet unter der Posse
In der galizischen Hafenstadt A Coruna haben sie andere Sorgen.
"Sind Fußballer etwa ein anderer Menschenschlag, der nicht ansteckend ist?", schimpfte Bürgermeisterin Inés Rey. Die Stadt muss durch die positiven Fälle ihren ersten Infektionsherd seit dem Lockdown im März bekämpfen, der Tourismus leidet - und im Finisterre häufen sich die Stornierungen.