Bei kaum einem Derby in Europas Topligen ist die sportliche Kluft so groß, wie im "Derbi Barceloní" zwischen dem FC Barcelona und Espanyol Barcelona.
Barca vs. Espanyol: Derbi Barceloní
Mit 171 Aufeinandertreffen in La Liga – Spaniens erster Liga – ist es das am häufigsten ausgetragene Lokalderby und zugleich auch eines der unausgeglichensten. Denn während Barca 99 Spiele für sich entscheiden konnte, kommt Espanyol lediglich auf 34 Siege.
Kaum verwunderlich also, dass gerade für die Anhänger der "Blaugrana" die Duelle mit Real Madrid - der Clásico – das absolute Highlight einer jeden Saison darstellen. Nichtsdestotrotz bietet aber natürlich auch das "Derbi Barceloní" eine große Brisanz, was vor allem auf die Historie der beiden Rivalen, und weniger auf die sportliche Rivalität, zurückzuführen ist.
Barca betont katalanische Wurzeln und internationale Orientierung
Am 29. November 1899 wurde der FC Barcelona unter dem Namen Football Club Barcelona fast auf den Tag genau elf Monate (28.10.1900) vor dem Reial Club Deportiu Espanyol de Barcelona gegründet, womit beide Vereine zu den ältesten Fußballklubs Spaniens zählen.
Von Beginn an betonte Barca neben seinen katalanischen Wurzeln auch die internationale Orientierung des Klubs. So wollte Gründer Hans Gamper seinerzeit einen Verein bilden, der - anders als die bis dato wenigen existierenden katalanischen Klubs – auch Ausländer aufnimmt.
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Über eine Annonce in der Zeitung Los Deportes suchte er nach Spielern, die Lust hätten, "in Barcelona einige Spiele zu organisieren", woraus schlussendlich der Football Club Barcelona entstand.
Die englische Bezeichnung "Football Club" unterstrich die enge Beziehung der Gründungsmitglieder, von denen über die Hälfte Ausländer und Protestanten waren, zu England.
Rivalität wird durch Franco-Regime befeuert
Espanyol wandte sich dagegen von Anfang an dem spanischen Nationalismus zu und erhielt in Folge dessen im Jahr 1912 von König Alfons XIII von Spanien den Zusatztitel "Real", also "königlich" verliehen. Eine Ehrung, die von vielen Katalanen als Affront gegen die eigene Region gewertet wurde.
Als die katalanische Gemeinde im Jahr 1918 schließlich eine Kampagne durchführte, um die spanische Regierung um Autonomie zu bitten, schloss sich der FC Barcelona dieser Bewegung an und wurde fortan von der katalanischen Presse zum "Klub Kataloniens" erklärt.
Während der Diktatur von Francisco Franco (1936 – 1975) fand die Rivalität weiteren Nährboden. Denn während Barca und seine Unterstützer sich dem Regime entschieden entgegenstellten, schlossen sich die Anhänger des Rivalen den Faschisten an und verteidigte deren Gesetzte öffentlich.
Erst nach dem Ende der Schreckensherrschaft in Spanien näherten sich die beiden Lokalrivalen wieder einander an. So hat auch Espanyol seinen Namen und die Vereinshymne im Laufe der Jahre in Català, die Sprache der Region übersetzt.
Dennoch wird der Verein auch heute noch von vielen als Sinnbild für den spanischen Zentralstaat angesehen, selbst die eigenen Fangruppen der Wellensittiche (Periquito), unterscheiden sich teils immer noch in spanische und katalanische.
Barca hängt Espanyol seit Liga-Gründung 1929 sportlich ab
Und auch sportlich entwickelten sich beide Vereine von Anfang an eher konträr. Während der FC Barcelona, seit Einführung der Primera División im Jahr 1929, insgesamt 26 Meisterschaften feiern konnte, schaffte Espanyol mit dem dritten Platz 1933 sein bis heute bestes Ergebnis.
Überhaupt gelang es dem RCD nur drei Mal in der Tabelle vor dem großen Rivalen zu landen, zuletzt in der Saison 1941/1942.
Die vielleicht größten Erfolge gegen Barca gelangen den "Periquitos" in der Copa del Rey, dem spanischen Pokal, die man bislang viermal gewinnen konnte. Dort schaltete man den FC Barcelona 1929 und 1940 auf dem Weg zum Titel jeweils im Halbfinale aus.
Espanyol versaut Barca die Meisterschaft 2007
Ein weiteres, zumindest bei den Anhängern von Espanyol, bis heute unvergessenes Spiel ereignete sich am vorletzten Spieltag der Saison 2006/2007 im Camp Nou, der Heimspielstätte des FC Barcelona.
Vor dem Spiel lag Barca punktgleich mit Real Madrid an der Tabellenspitze. Während die Madrilenen bei Real Saragossa erst in der 89. Minute durch Ruud van Nistelrooy einen Punkt retteten, führten die "Blaugrana" zeitgleich im Derby mit 2:1 und hätten somit am letzten Spieltag die Möglichkeit gehabt, die Titelverteidigung aus eigener Kraft zu schaffen.
Doch Raúl Tamudo, der die Gäste bereits in der ersten Hälfte mit 1:0 in Führung gebracht hatte, traf nach dem zwischenzeitlichen Doppelpack von Lionel Messi – mit 25 Treffern bis heute erfolgreichster Torschütze im "Derbi Barceloní" - in der Schlussminute zum Ausgleich.
Da sowohl Real als auch Barca am letzten Spieltag ungefährdete Siege einfahren konnten, sicherten sich die Königlichen schlussendlich durch den gewonnenen direkten Vergleich die Meisterschaft.
FC Barcelona verpasst 100. Derbysieg knapp
Dennoch ist es gerade die fehlende sportliche Ebenbürtigkeit, aufgrund derer der FC Barcelona bis heute Real Madrid als größten Gegner betrachtet und dem "Derbi Barceloní" deutlich weniger Bedeutung beimisst, als die Fans und Spieler Espanyols.
"Es ist ein Derby. Wer auch immer etwas anderes behauptet, der hat noch nie ein Derby gespielt oder keine Ahnung, was es bedeutet", hob etwa Innenverteidiger David López 2016 die Bedeutung des Derbys für den Reial Club Deportiu hervor.
Zuletzt trafen die beiden Klubs am 4. Januar 2020 aufeinander. Und auch wenn die "Blaugrana" die Bedeutung des Derbys stets herunterspielen, so hätte es damals doch ein ganz besonderes werden können.
Denn ein Sieg, ausgerechnet im RCDE Stadium des Lokalrivalen, hätte den 100. Derbysieg in La Liga bedeuten. Doch diesen wusste der Chinese Wu Lei mit seinem späten Treffer zum 2:2-Ausgleich zwei Minuten vor dem Ende gerade noch zu verhindern.
So muss sich Barca noch ein wenig gedulden, ehe es die nächste Chance auf den Jubiläumserfolg gibt.