Die Augen von Tim Wiese leuchten noch immer, wenn er darüber spricht.
Wiese: So lief das mit Mourinho
Beim Treffen mit SPORT1 erzählt der ehemalige Nationalspieler und einstige Fan-Liebling bei Werder Bremen erstmals ausführlich, wie er einst mit Jose Mourinho über einen Transfer verhandelte.
"Ich erinnere mich noch gut an damals, als ich vor einem Wechsel zu Real Madrid stand", sagt der 36-Jährige: "Es war nicht bloß ein Gerücht, wie viele dachten. Jose Mourinho (damaliger Real-Coach, Anm. d. Red.) telefonierte mit mir und wollte mich damals unbedingt zu den Königlichen holen."
Nach seiner erfolgreichen Zeit bei Werder Bremen (2005 bis 2012), entschloss sich Wiese vor der EM 2012 zu einem Vereinswechsel. Frühzeitig informierte er damals die Verantwortlichen an der Weser.
Am Ende traf er eine überraschende Entscheidung - nämlich für die TSG Hoffenheim und gegen die Königlichen. Im Kraichgau unterschrieb Wiese letztlich einen Vierjahresvertrag mit einem fürstlichen Jahressalär.

Heute erinnert sich der neue SPORT1-Experte und Ex-Wrestler an die Verhandlungen mit Real: "Der Assistent des früheren Beraters von Mesut Özil, Reza Fazeli, war bei dem Telefonat auch dabei. Er kam extra aus Düsseldorf zu mir nach Bremen und übersetzte das Gespräch mit Mourinho. Ich erinnere mich, dass es vor einem Werder-Training war. Fazeli hatte schon Özil zu Real gebracht (2011 trennte sich Özil von Fazeli, Anm. d. Red.)."
Tim Wiese über Jose Mourinho: "Total nett"
Mourinho war bei dem Telefonat "total nett", berichtet Wiese. "Er sagte mir, dass er mich haben will, ich mich beweisen kann - und dass es einen fairen Zweikampf mit Iker Casillas geben soll. Auch Reza war der Meinung, dass es eine Riesenchance sei."
Doch Wiese zögerte, denn die Sache hatte für den damals 31-Jährigen vor allem einen Haken: Casillas. "Er war in Madrid ein heiliggesprochener Torwart. Mein Berater (Roger Wittmann, Anm. d. Red.) sagte mir nach dem Gespräch mit Mourinho, dass bei solchen Personal-Geschichten immer Reals Präsident entscheide."
Wiese stand vor dem letzten großen Vertrag seiner Karriere. Und zugleich vor seiner wohl schwierigsten Entscheidung. "Mir war das irgendwie suspekt, Roger riet mir schließlich davon ab, sagte: 'Überleg dir das gut, du willst doch bestimmt noch einige Jahre spielen - und das wird bei Real definitiv schwierig werden. Willst du nur auf der Bank sitzen?'"

TSG Hoffenheim statt Real Madrid
Vergleiche wurden gezogen mit dem 2009 verstorbenen Robert Enke zu dessen Zeit beim FC Barcelona (2002 bis 2004) und Timo Hildebrand beim FC Valencia (2007/2008). Beide hatten es in Spanien nicht zum Stammkeeper geschafft.
"Wenn du einmal patzt, dann bist du raus und die Fans winken dir mit den weißen Taschentüchern zu", habe sein Berater ihm gesagt - Wiese aber habe "noch einige Jahre spielen" wollen: "Ich war nach der EM in der besten Phase meiner Karriere."
Also entschied er sich für einen Wechsel in den beschaulichen Kraichgau statt ins sonnige Madrid. "Mein Berater war schon länger mit Hoffenheim in Kontakt, sagte dann bei Dietmar Hopp (Hoffenheims Mäzen, Anm. d. Red.) zu und Markus Babbel (damaliger Trainer der Kraichgauer, Anm. d. Red.) rief mich an."
Wechsel zu Hoffenheim "der größte Fehler"
Heute weiß Wiese: "Das war im Nachhinein der größte Fehler in meiner Karriere. Aber ein Battle mit Casillas wäre fast aussichtslos geworden." Schmunzelnd fügt er hinzu: "Auch, wenn ich der Bessere gewesen wäre."
Das Gespräch mit Mourinho aber sei ihm "sehr positiv in Erinnerung" geblieben, der Portugiese habe ihm imponiert. Und Wiese räumt mit den Gerüchten auf, seine Frau Grit sei für die Entscheidung pro Hoffenheim verantwortlich gewesen: "Es war nicht die Entscheidung meiner Frau, wie es immer hieß. Das war allein mein Ding."
Özil und Khedira fassungslos
Die damaligen Real-Profis Mesut Özil und Sami Khedira seien fassungslos gewesen und hätten Wiese gefragt: "Was machst du!? Komm doch zu uns, du bist besser als Casillas."
Im Kraichgau, so erinnert sich Wiese, seien die Verantwortlichen dagegen überglücklich gewesen, "denn ich war der erste Nationalspieler von Hoffenheim". Er selbst aber würde im Nachhinein wohl eine andere Wahl treffen.
"Die Entscheidung gegen Real habe ich bitter bereut - spätestens nach dem Pokalspiel mit Hoffenheim in der ersten Runde beim Berliner AK, als wir 0:4 untergegangen sind", sagt Wiese heute und gesteht: "Da habe ich nur gedacht: Scheiße!"