Mario Götze will sich nicht setzen, er steht lieber mit dem Mikro seines neuen Arbeitgebers in der Hand, weil er sich in dieser Pose wohlfühlt.
Darum kann Götze wieder lachen
Für das Interview mit SPORT1 nimmt sich der 28-Jährige, der vor der Saison ablösefrei vom BVB zur PSV Eindhoven gewechselt ist, viel Zeit.
Was sofort auffällt: Götze wirkt drahtig und topfit, er lacht viel und spricht offen wie nie über seine Stoffwechselerkrankung, die er mit viel Fleiß und Familienglück besiegt hat.
SPORT1: Herr Götze, sechs Spiele für die PSV Eindhoven, bereits drei Tore - ein gelungener Einstand, oder?
Mario Götze: Ich bin sehr zufrieden, abgesehen von den drei Niederlagen. Vor allem, wenn man bedenkt, wie schnell alles abgelaufen ist: Der Wechsel, die wenigen Trainingseinheiten mit der Mannschaft. Ich habe sofort gespielt, ich habe getroffen und hatte einen Impact auf die Spiele. Das alles ist sehr zufriedenstellend in den ersten Wochen.
Götze über deutsche Clique bei PSV: "Große Hilfe für mich"
SPORT1: In Dortmund haben Sie zuletzt kaum gespielt. Hatten Sie Sorgen, in Form zu kommen?
Götze: Ich wusste, dass ich fit bin und ein gutes Level habe. Aber natürlich ist es etwas anderes, mit der Mannschaft zu trainieren, Spiele und englische Wochen zu haben. Das war ein ganz schönes Mammutprogramm. Anfangs habe ich meinen Körper an der einen oder anderen Stelle gemerkt, weil alles sehr schnell ging und musste daher auch mal aussetzen. Ich bin trotzdem happy darüber, wie bislang alles gelaufen ist.
SPORT1: Mit Philipp Max, Timo Baumgartl und Adrian Fein gibt es bei der PSV eine deutsche Clique. Half Ihnen das bei der Integration?
Götze: Sehr sogar. Yann-Benjamin Kugel (Fitnesstrainer, d.Red.) kenne ich auch schon lange aus der Nationalmannschaft. Roger Schmidt, sein Trainerteam und die Jungs kommen auch aus Deutschland. Das macht es einfacher als irgendwo hinzukommen, wo man niemanden kennt und die Sprache nicht spricht. Das ist eine große Hilfe für mich.
SPORT1: Sie haben nur für zwei Jahre in Eindhoven unterschrieben.
Götze: Ja. Das war eine wichtige Entscheidung für mich. Bei Vereinswechseln spielen so viele Faktoren eine wichtige Rolle: Trainer, neue Spieler, neues Umfeld. All das kann sich natürlich auch wieder schnell ändern.
SPORT1: Fühlen sich die Niederlande überhaupt nach Ausland an? Bis nach Dortmund sind es nur 150 Kilometer.
Götze: Stimmt. Ich muss zugeben, dass es sich hier nicht komplett nach Ausland anfühlt. Denn der Schlag Mensch und die Kultur sind relativ ähnlich zu Deutschland. Ich war zuvor auch schon privat ein paar Mal in Holland. Ein Wechsel weiter entfernt von Deutschland wäre sicher etwas anderes gewesen.
SPORT1: Die Niederlande sind bekannt für ihre kleinen Fast-Food-Automaten mit Burger und Kroketten. Haben Sie schon mal zugeschlagen?
Götze: Das ist wirklich typisch holländisch. Es kam schon einmal vor, dass ich mir das zusammen mit meiner Frau gegönnt habe, ja (lacht).
Fittester Mario Götze aller Zeiten? "Ja!"
SPORT1: Sieht man Ihnen aber nicht an. Sie wirken auf dem Platz spritziger denn je. Sehen wir zurzeit den fittesten Mario Götze aller Zeiten?
Götze: Ja! Ich fühle mich aktuell sehr gut und bin im Rhythmus. Ich habe zwischen Training und Ernährung eine gute Balance gefunden und glaube auch, dass man mir das körperlich ansieht. Ich habe in der Vergangenheit viel gemacht und ausprobiert.
SPORT1: Zum Beispiel?
Götze: Ich habe meine Ernährung umgestellt und eine gute Routine aus Training und Regeneration. Im Bereich Yoga und Kampfsporttechniken arbeite ich mit Experten zusammen, die mir neben dem Fußball einen guten Ausgleich gegeben haben.
SPORT1: Wie viel wiegen Sie aktuell?
Götze: Aktuell müssten es 71 bis 72 Kilo sein. Ich fühle mich gut. Mir geht es primär aber nicht ums Gewicht, sondern um das Gefühl. Es geht darum, wie ich mich auf dem Platz bewege.
SPORT1: Im Frühjahr 2017 wurde bei Ihnen eine Stoffwechselerkrankung festgestellt. Ist diese Krankheit noch ein Thema?
Götze: Ich habe zu viel trainiert und mir nie Ruhephasen gegönnt. Mein Körper hatte einfach zu viele Einflüsse von außen. Das war aber nur temporär und hat sich wieder gelegt. Dieses Thema ist seit zweieinhalb Jahren Geschichte, gedanklich total abgehakt und begleitet mich nicht mehr. Sie wurde durch mich ausgelöst und ich selbst konnte das wieder korrigieren.
"Das macht mich als Fußballer sehr glücklich"
SPORT1: Sie lachen während unseres Gesprächs sehr viel. Es macht den Eindruck, als hätten Sie wieder richtig Spaß am Fußball.
Götze: Das ist auch so. Ich habe in der letzten Saison sehr wenig gespielt und stand in den letzten vier Wochen wieder regelmäßig auf dem Platz, spiele international und habe einen Trainer, der mir vertraut. Das macht mich als Fußballer sehr glücklich. Das alles plus meine familiäre Situation, meine Partnerin und mein Sohn, diese Kombination spiegelt mich derzeit wider. Daher kann ich meine Freude derzeit schlecht verbergen.
SPORT1: Sie sprechen Ihren Sohn an: Was hat das Vatersein mit Ihnen gemacht?
Götze: Sehr viel. Ich war immer sehr auf Fußball fokussiert. Alles drehte sich um die Spiele und Regeneration. Dann kam der Moment der Schwangerschaft und die Geburt meines Sohnes. Auf einmal ist alles andere egal, und es wird einem klar, dass es wichtigere Themen als Fußball gibt. Da hat ein Prozess in mir stattgefunden, der mich lockerer auf den Fußball schauen lässt.
SPORT1: Werden Sie ein strenger Vater sein?
Götze: Rome ist erst fünf Monate auf der Welt. Noch ist alles entspannt, aber das kann sich entwickeln und hängt ganz stark von ihm ab (lacht).
"Titel können nie schaden"
SPORT1: Sie haben vier Pokalsiege und fünf Meisterschaften geholt, 2014 schossen Sie Deutschland zur WM-Trophäe. Zwei große Titel fehlen Ihnen aber noch. Welchen wollen Sie unbedingt noch gewinnen?
Götze: Ich schaue nur auf meine Leistung im Hier und Jetzt. Alles andere wird folgen. Aber Titel können nie schaden. Ich wäre froh, wenn der eine oder andere noch dazukommt.
SPORT1: Klingt sehr diplomatisch. EM oder Champions League: Welchen Titel wollen Sie denn lieber?
Götze: Ich fokussiere mich auf die Gegenwart. Alles was jetzt geschieht kann ich beeinflussen. Wenn am Ende Titel dabei rausspringen, umso besser. Aber mir ist es im Moment wichtig, auf dem Platz zu stehen und meiner Mannschaft zu helfen.
SPORT1: Pep Guardiola, Jürgen Klopp, Thomas Tuchel, Peter Bosz, Lucien Favre, Roger Schmidt – Sie haben unter vielen Trainern gearbeitet. Bei welchem Trainertyp fühlen Sie sich als Spieler und Mensch am wohlsten?
Götze: Mal ist mir bei einem Trainer das Fußballerische wichtiger, mal das Menschliche. Über diese Frage habe ich übrigens schon oft nachgedacht. Sie ist aber schwierig zu beantworten. Denn mit 18 Jahren war ich anders als jetzt mit 28 und befand mich in einer anderen Situation. Aktuell bin ich sehr zufrieden mit Roger. Er spricht viel mit mir und vertraut mir. Das brauche ich in der aktuellen Situation.
Götze als Trainer? "Warum nicht?"
SPORT1: Bei all diesen Trainern sollten Sie nach Ihrer Karriere die Trainer-Laufbahn einschlagen.
Götze: Wenn man automatisch ein guter Trainer wird, nur weil man gute Trainer hatte, dann mache ich das auf jeden Fall. Spaß bei Seite: Ich mache mir zwar Gedanken, aber ich kann jetzt noch nicht sagen, dass ich in zehn oder 20 Jahren Trainer sein möchte. Aber warum nicht? Ich bin schon zehn Jahre dabei und vorstellbar ist vieles. Wenn ich ein paar Facetten meiner bisherigen Trainer mitnehme, könnte das ganz gut werden. Jetzt will ich aber noch meine aktive Karriere genießen.
SPORT1: Oder Sie werden Barista. Schließlich haben Sie ein Faible für guten Kaffee.
Götze: Irgendwo ein Café eröffnen - und das war es dann. Könnte ich mir auch gut vorstellen (lacht).
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Götze-Rückkehr in Nationalmannschaft?
SPORT1: Bundestrainer Joachim Löw meinte kürzlich, dass man Sie "nicht aus den Augen verlieren" würde. Ist eine DFB-Rückkehr für Sie realistisch?
Götze: Für mich ist wichtig, was gerade in Eindhoven passiert. Dass ich fit bin, spiele und Leistung bringe ist das A und O. Alles andere kann ich nicht beurteilen. Wenn die Leistung im Verein stimmt, kommen automatisch die nächsten Schritte. Jogi hat sich jetzt dazu geäußert, das ist das Wichtigste. Denn er ist der Trainer und entscheidet es am Ende. Ich nehme wahr, dass er meine Leistungen positiv bewertet.
SPORT1: Die Nationalmannschaft sorgt derzeit für wenig Begeisterung im Land. Was muss passieren, damit sich das ändert?
Götze: Wenn das so einfach zu beantworten ist, würden sie es beim DFB sofort umsetzen. Die Mannschaft befindet sich in einem Prozess, man muss ihr Zeit geben. Man darf auch nicht vergessen, wo man herkommt. Ein Umbruch braucht Zeit – das Problem im Fußball ist nur, dass man die normalerweise nicht hat. Die Nationalmannschaft ist auf einem sehr guten Weg.