Lucien Favre und Urs Fischer wechselten 2018 zeitgleich nach Deutschland. Während der aktuelle Trainer von Borussia Dortmund schon bei Hertha BSC (2007 bis 2009) und Borussia Mönchengladbach (2011 bis 2015) erfolgreich tätig war, kam Fischer als Newcomer zu Union Berlin.
Wird Seoane bald Bundesliga-Coach?
Doch auch er sollte in Deutschland Erfolg haben, schaffte mit den Eisernen gleich im ersten Jahr den Aufstieg in die Bundesliga und nun sogar den Klassenerhalt. Das ist der größte Erfolg in der Vereinsgeschichte. Schweizer Glück also für den deutschen Fußball.
Nun gibt es in der Schweiz einen weiteren Trainer, der die Aufmerksamkeit auf sich zieht: Gerardo "Gerri" Seoane, aktuell bei den Young Boys Bern unter Vertrag. Der 41-Jährige folgte im Januar 2018 beim FC Luzern auf Markus Babbel und am 1. Juli 2018 in Bern auf Adi Hütter, der damals zu Eintracht Frankfurt ging.
Inzwischen ist Seoane in der Schweiz der neue Star, wurde zwei Mal zum Trainer des Jahres gewählt. "Diese Auszeichnungen sind eine große Ehre und eine Anerkennung für alle bei den Young Boys, die Spieler, den Trainerstab und den Klub", sagt Seoane im Gespräch mit SPORT1 vor dem Re-Start der Super League (Super League: Young Boys Bern - FC Zürich, ab 20.30 Uhr im LIVETICKER) bescheiden.
"Ich halte mich sowohl beruflich als auch privat an Werte, die mir wichtig sind. Als Trainer versuche ich, aus den vorhandenen Ressourcen das Beste herauszuholen. In meiner Funktion sind Führungsqualitäten gefragt."
Seoane will das Beste rausholen
Er sei gerne "ein Leader, aber auch ein Teamplayer". Schon in Luzern zeigte Seoane, was in ihm steckt. Als Nachfolger von Babbel rettete der in Luzern geborene frühere Mittelfeldspieler den Klub auf Anhieb vor dem Abstieg.
Die Lobeshymnen teilt er gerne. "Markus Babbel hat in den drei Jahren beim FC Luzern sehr gute Arbeit geleistet. Ich stand als ehemaliger U21-Trainer mit ihm in einem engen Austausch. Als ich die erste Mannschaft übernehmen durfte, war das Team in einem sehr guten Zustand."
Die gute Arbeit von Seoane hat inzwischen schon den einen oder anderen Bundesligisten auf den Plan gerufen. Erstes Interesse aus Deutschland gab es nach SPORT1-Informationen bereits. Die TSG Hoffenheim sucht nach der überraschenden Trennung von Alfred Schreuder aktuell einen Trainer und Seoane würde perfekt ins Profil passen.
"Bundesliga hat eine große Anziehungskraft"
"Die Bundesliga hat für jeden Spieler und Trainer in der Schweiz eine große Anziehungskraft", verrät er.
Doch die derzeitige Konzentration gilt seinem aktuellen Job. "Ich habe in Bern eine spannende Aufgabe. Wir sind sehr ambitioniert und wollen gemeinsam die Mannschaft und die einzelnen Spieler verbessern."
Sein Vorgänger in Bern hat sofort Fuß gefasst in der Bundesliga. Und Seoane findet auch nur positive Wort für Hütter. "Adi hat mit Young Boys und dem ersten Meistertitel seit 32 Jahren Geschichte geschrieben. Als ich kam, spürte ich sofort die Begeisterung im Klub und im Umfeld. Gemeinsam gelang es, die Euphorie weiterzuführen."
Im Jahr eins nach Hütter gleich Meister
Seoane gewann gleich im Jahr eins nach Hütter die Schweizer Meisterschaft. Er habe nicht viel ändern müssen, "weil alles bestens eingespielt war", sondern konnte sich darauf konzentrieren, "einige neue Reize zu setzen", meint Seoane.
Für ihn war es kein schwieriger Wechsel. "Die Übergabe von Adi zu mir lief aus meiner Sicht nicht als Erbe ab, sondern als nahtloser Übergang zum Wohle des Klubs. Es gibt bei Young Boys sehr viele Experten, die hervorragend arbeiten. Da wird alles mit Teamarbeit erledigt."
Seoane erinnert sich gerne an den Ausstand von Hütter.
"Als er sich in Bern verabschiedete, sind wir uns auf der Geschäftsstelle begegnet und dann spontan mit anderen Klub-Angestellten essen gegangen. Das war sehr angenehm und für mich wertvoll."
Und er fügt hinzu: "Wir merkten rasch, dass wir eine ähnliche Auffassung vom Fußball haben." Heute schreiben sich die beiden hin und wieder eine SMS. "Natürlich verfolge ich seinen Weg bei der Eintracht mit großem Interesse und wünsche ihm weiterhin alles Gute."
Belastungssteuerung nach Corona anspruchsvoll
Zuletzt war die Arbeit aufgrund der Corona-Zustände in der Schweiz sehr bedrückend für Seoane. "Es war für alle eine sehr schwierige Zeit. Aber nun sind wir glücklich, dass wir wieder gemeinsam trainieren und die Meisterschaft fortsetzen können. Die Spieler sind sehr froh, dass sie ihren Beruf wieder ausüben dürfen."
Natürlich sei es schade, "die Spiele in den Stadien ohne Fans durchzuführen. Aber immerhin sind mit Geisterspielen sportlich faire Entscheide möglich."
Und wie ist es eine Mannschaft zu trainieren, die deutlich länger raus ist aus dem Spielbetrieb als in Deutschland oder in England?
"Es ist für die Spieler sehr schwierig, nach einer derart langen Pause wieder Spitzenleistungen zu erbringen", weiß Seoane. "Weil wir ab dem 19. Juni und bis im August einen sehr dicht gedrängten Spielkalender haben werden, muss man die Belastung der Spieler sehr gut steuern."
Dieses Programm werde für alle "sehr anspruchsvoll" sein. Doch Seoane ist keiner, der jammert. "Wir wollen das Beste aus der Situation machen."
Hertha BSC hatte Seoane auf dem Zettel
Natürlich bekommt er mit, dass sein Name schon dem einen oder anderen Sportchef in Deutschland aufgefallen ist. Hertha BSC hatte sich konkret mit ihm beschäftigt.
"Die Bundesliga ist eine Topliga. Aber ich bin derzeit bei den Young Boys am richtigen Ort. Meine Aufgabe ist sehr spannend und noch nicht zu Ende."
Doch die Arbeit von Favre, Fischer, Martin Schmidt (Mainz 05, VfL Wolfsburg und FC Augsburg) oder früher Ottmar Hitzfeld (Champions-League-Sieger mit Borussia Dortmund und Bayern München), der zwar Deutscher ist, seine Trainerkarriere aber in der Schweiz begann hat Seoane genau verfolgt.
"Große Ehre, in der Bundesliga tätig zu sein"
"Die genannten Trainer haben deutliche Spuren hinterlassen. Sie sind die Vorzeigebeispiele für die gute Trainerausbildung in der Schweiz", urteilt Seoane. "uf die Frage, warum sich Trainer aus der Schweiz so gut im Profifußball zurechtfinden, meint Seoane nur: "Für mich gibt es keine Unterschiede zwischen deutschen, schweizerischen oder österreichischen Trainern. Es geht darum, Führungsstärke zu zeigen und die sehr komplexe, vielschichtige Arbeit des Trainers optimal auszufüllen."