Liebe Handballfreunde,
Stephan: Prokop-Verbleib ein Fehler
Christian Prokop bleibt weiter Bundestrainer der deutschen Handball-Nationalmannschaft. Ich wünsche ihm alles Gute und viel Erfolg bei der Heim-WM im nächsten Jahr
Nichtsdestotrotz halte ich die Entscheidung für eine eklatante Fehlentscheidung. Ich weiß von Spielern, die sich negativ geäußert haben – nicht offiziell, aber das zeigt: Es stimmt einfach hinten und vorne nicht zwischen Prokop und dem Team.
Das hat einen einfachen Grund: Die taktischen Maßnahmen, die Prokop während der EM ergriffen hat. Da waren zu viele Fehler dabei. Das ist nicht nur meine Meinung. Auch viele ausländische Trainer und ausländische Bundesligaspieler haben mir bei der EM gesagt: "Was macht der Trainer mit der tollen deutschen Mannschaft?"
Die Nicht-Nominierung von Finn Lemke hat den Stein ins Rollen gebracht. Man hat der Mannschaft den emotionalen Leader genommen und sie damit verunsichert. Dadurch stand Prokop natürlich noch viel mehr unter Beobachtung.
Letztendlich hat sich die Macht von Bob Hanning gegen die Fakten durchgesetzt. Denn er hat sicherlich alles daran gesetzt, dass an seinem Schützling Christian Prokop festgehalten wird, denn sonst hätte er auch zurücktreten müssen. Das hätte sein Ego wahrscheinlich nicht verkraftet.
Im Politik machen ist Hanning unschlagbar. Er hat seine Leute im Vorstand platziert, die hat er dann auch davon überzeugt, an Prokop festzuhalten.
Auch die Geldfrage wird eine Rolle gespielt haben. Denn 500.000 Euro Ablöse für Prokop und über 200.000 Euro Gehalt pro Jahr für noch fast vier Jahre sind schon harter Tobak.
Die ganze Situation ist einer deutschen Nationalmannschaft nicht würdig. Was in den letzten Wochen alles erzählt wurde. Alleine die Aussage von Hanning, dass wir überdenken müssen, ob Uwe Gensheimer noch der richtige Kapitän sei. Da wurden so viele unglückliche und desaströse Äußerungen getroffen.
Aus meiner Sicht kann man bei der Faktenlage nur zu dem Ergebnis kommen, dass man Christian Prokop beurlauben muss. Auch Hanning hätte seinen Hut nehmen müssen, denn es war sein Schützling – er hat sich für Prokop stark gemacht.
Prokop hat zweifelsohne eine sehr gute Arbeit in Leipzig gemacht, aber Vereinstrainer und Nationaltrainer sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Er hat die Feuertaufe nicht bestanden.
Mit dem Bekenntnis zu Prokop ist die Unruhe nicht vorbei, stattdessen hat sich der DHB angreifbar gemacht.
Sollten jetzt die Ergebnisse ausbleiben, steht man vor einem Scherbenhaufen. Ich will mir gar nicht ausmalen, was passiert, wenn es nicht aufwärts geht. Dann gehen die Diskussionen wieder von vorne los.
Aber auch wenn ich es für eine falsche Entscheidung halte, hoffe ich inständig, dass die deutsche Mannschaft Erfolg hat.
Euer Daniel Stephan
Handball-Experte Daniel Stephan, 44, hat 183 Länderspiele für Deutschland absolviert. Der erste deutsche Welthandballer (1998) wurde mit dem TBV Lemgo 1997 und 2003 Deutscher Meister sowie 1995, 1997 und 2002 DHB-Pokalsieger. Mit der Nationalmannschaft gewann der Rückraumspieler unter anderem 2004 die Europameisterschaft und Silber bei Olympia in Athen. Von 1997 bis 1999 wurde er dreimal in Folge zum Handballer des Jahres gewählt.