Uwe Gensheimer schmiss vollkommen frustriert sein Handtuch auf die Bank, seine Mitspieler stemmten ratlos die Hände in die Hüften.
Prokop nach Debakel schonungslos
Nach der deftigen Niederlage gegen Spanien ist das EM-Ziel Halbfinale für die deutschen Handballer in weite Ferne gerückt.
Etliche Fehlwürfe vorn, gravierende Abwehrmängel hinten und zwei schwache Torhüter - Bundestrainer Christian Prokop hat einiges zu tun, um seine demoralisierte Mannschaft bis zum letzten Gruppenspiel am Montag Lettland wieder aufzurichten. (Handball-EM: Lettland - Deutschland am Montag ab 18.15 Uhr im LIVETICKER)
"Von Anfang an nicht im Kampfmodus"
"Wir sind schlampig in das Spiel gekommen, hatten viele Fehlpässe und Fehlwürfe," sagte Prokop nach dem 26:33 (11:14) am zweiten Gruppenspieltag gegen den Titelverteidiger in der ARD - und nahm bei seiner Kritik kein Blatt vor den Mund: "Eine unterirdische Angriffsaktivität hat uns den Zahn gezogen! Der Gegner war uns in allen Belangen überlegen. Sie waren abgezockt. Wir haben in der Abwehr inklusive Torhüter nicht das gezeigt, was es für ein Spitzenspiel braucht."
Keeper Johannes Bitter konnte da wenig widersprechen: "Das war kein gutes Spiel. Wir sind von Anfang an nicht in den Kampfmodus gekommen. Dann ist es ganz schwer, wenn Spanien einen solchen Turbo-Start hinlegt. Die Spanier haben dann mit ihrer Selbstsicherheit das Spiel in der zweiten Halbzeit bestimmt."
Finalrunde für DHB-Team in weiter Ferne
Im nächsten Spiel muss mindestens ein Unentschieden her, damit sich Deutschland zumindest sicher für die Hauptrunde der besten zwölf Mannschaften qualifiziert.
Das Ziel Finalrunde liegt nach der Niederlage gegen Spanien allerdings in weiter Ferne, selbst bei einem hohen Sieg gegen Lettland würde man mit null Punkten in die entscheidende Turnierphase starten. (SERVICE: So kommt Deutschland in die Hauptrunde)
Beste Werfer gegen Spanien waren vor 6558 Zuschauern in Trondheim Kreisläufer Hendrik Pekeler (5) und der erneut unter seinen Möglichkeiten bleibende Kapitän Gensheimer (4/2), der zwischenzeitlich lange auf der Bank saß.
Deutschland legt Fehlstart hin
Fast schien es, als hätte die deutsche Mannschaft mit dem Anpfiff gegen Spanien ihr Selbstvertrauen in der Kabine gelassen. Vor allem im Angriff klappte nichts, die vielen Ballverluste, häufig von der aggressiven spanischen Abwehr clever provoziert, machten es dem Gegner um den großartigen Torhüter Gonzalo Perez de Vargas leicht.
Nach elf Minuten lag Deutschland mit 2:8 hinten, bis dahin hatte Linkshänder Alex Duschebajew schon viermal getroffen. Auf der Gegenseite scheiterten Gensheimer, Kreisläufer Patrick Wiencek und Rechtsaußen Tobias Reichmann freistehend an Perez de Vargas.
Wolff räumt Tor für Bitter
Andreas Wolff, beim Auftaktsieg gegen die Niederlande noch einer der Erfolgsgaranten, räumte nach 11:40 Minuten den Platz im Tor für Johannes Bitter. Bis dahin hatte Wolff gerade eine Parade gezeigt, sein Gegenüber Perez Vargas bereits deren fünf.
"Ihr müsst mit Schwung richtig drauf und ihnen nicht die Bälle so zuspielen", forderte Prokop in den Auszeiten: "Was ist der Schlüssel? Wir brauchen Durchbrüche in die Tiefe ohne Kreis und Tempo." Aus dem gebundenen Spiel klappte weiter nichts, die deutschen Tore resultierten aus Gegenstößen und Einzelleistungen.
Dann gab es einen Bruch im Spiel der Spanier, und die deutsche Mannschaft nutzte diese unverhoffte Chance. Vom 4:10 in der 15. Minute kämpfte sich Deutschland, gestützt auf eine nun aggressive 3-2-1-Abwehr mit einem vorgezogenen Pekeler, in fünf torlosen spanischen Minuten auf 8:10 heran.
Erstmals kam nun Julius Kühn auf die Platte: Der Shooter, der die Heim-WM wegen eines Kreuzbandrisses verpasst hatte, erzielte auf Anhieb den Anschlusstreffer zum 9:10, verließ dann aber direkt wieder das Spielfeld.
Keine Wende nach der Pause
Der Ausgleich lag in der Luft, aber ein leichtfertig vertändelter Ball ermöglichte den Spaniern nach fast sechs torlosen Minuten den Treffer zum 11:9. Nun schlichen sich wieder die alten Fehler in das deutsche Spiel ein.
"Wenn wir draufgehen, müssen wir mit Volldampf gehen, nur mit 80 Prozent", forderte Teammanager Oliver Roggisch beim 11:14-Pausenstand, den Bitter mit etlichen Paraden überschaubar gehalten hatte.
Dennoch stand zu Beginn der zweiten Hälfte wieder Wolff zwischen den Pfosten - und der deutschen Nummer eins gelang nicht viel.
Wolff bekam keine Hand an den Ball, und als er nach insgesamt 41 Spielminuten nach wie vor eine Parade bei 16 Gegentoren zu Buche stehen hatte, schickte Prokop wieder Bitter ins Tor.
Aber auch "Jogi" konnte dem Spiel keine Wende geben, er kassierte erst zwölf Gegentore, ehe ihm die erste Parade gelang.