Das Wintermärchen mit einer unfassbaren Leistung vergoldet, Europas Handball-Gipfel erklommen:
Deutschland macht EM-Märchen wahr
Die deutschen Jungspunde haben ihre überragende EM in Polen dank eines unglaublichen Torhüters Andreas Wolff und einer bärenstarken Abwehrleistung mit dem Titelgewinn gekrönt.
Die Mannschaft von Bundestrainer Dagur Sigurdsson erteilte im Finale in Krakau Spanien beim 24:17 (10:6) eine Lehrstunde und sorgte damit für eine der größten Sensationen in der EM-Geschichte. Zusätzlicher Lohn ist das Ticket für die Olympischen Spiele in Rio.
Defensivrekord aufgestellt
"Das war eine unglaublich Leistung, gerade in der Abwehr. Diese Mannschaft hat Geschichte geschrieben. Dagur Sigurdsson hat den Löwenanteil an diesem Titel, weil er die Mannschaft immer wieder auf den Punkt vorbereitet hat", sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning in der ARD.
Weniger Gegentore hat noch keine Mannschaft in einem EM-Finale zugelassen. Wolff parierte am Ende sensationelle 48 Prozent der auf seinen Kasten abgefeuerten Würfe.
Maßgeblichen Anteil am zweiten EM-Gold nach 2004 und dem größten Erfolg des Deutschen Handballbundes (DHB) seit dem Titelgewinn bei der Heim-WM 2007 hatte auch Kai Häfner mit sieben Toren.
Der Hannoveraner war schon beim Halbfinal-Thriller gegen Norwegen (34:33 n.V.) der Matchwinner, als er fünf Sekunden vor dem Ende den Siegtreffer erzielt hatte.
Mit dem siebten Sieg in Serie revanchierte sich das jüngste aller EM-Teams auch für die Auftaktniederlage gegen die routinierten Iberer (29:32), die weiter auf ihren ersten EM-Titel warten müssen.
Start in lange Partynacht
Nach dem ganz großen Wurf startete Sigurdssons Rasselbande in eine lange Partynacht. Nach dem Rückflug am Montag wird sich der neue Europameister zudem beim großen Fanfest in Berlin gebührend feiern lassen.
Die besten Wünsche für das erste Endspiel bei einem Großereignis seit neun Jahren kamen von höchster Stelle.
"Die deutsche Mannschaft hat uns auf ihrem Weg durch das Turnier mit ihrer Leidenschaft und ihrem Kampfgeist mitgerissen. Fürs Finale drücke ich mit Millionen von Fans die Daumen", hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Telefonat Sigurdsson erklärt.
Abwehr vom anderen Stern
Vor 15.000 Zuschauern in der ausverkauften Tauron Arena zeigte die DHB-Auswahl überhaupt keine Nerven und erwischte einen glänzenden Start. Die aggressive 6:0-Deckung um Abwehrchef Finn Lemke und Hendrik Pekeler bot eine bärenstarke Leistung.
Immer wieder wurden die Wurfversuche des WM-Vierten geblockt, die Anspiele an Top-Kreisläufer Julen Aguinagalde unterbunden.
Hinter der Abwehr trieb Wolff, der ebenso wie Tobias Reichmann ins All-Star-Team gewählt wurde, die spanischen Stars um den Kieler Joan Canellas mit Paraden am Fließband zur Verzweiflung.
Beflügelt von der herausragenden Abwehr traf Kai Häfner mit seinem dritten Tor zum 4:1 (8.), nach dem 5:1 durch Reichmann (10.) sprang die gesamte deutsche Bank jubelnd auf.
Ratlose Spanier
Den favorisierten Spaniern gelang das erste Tor aus dem Feld erst in der zwölften Minute.
Die deutschen Spieler feuerten sich nach den zahlreichen gelungenen Abwehraktionen immer wieder lautstark an, jedem Spieler war anzumerken, dass er seinen Traum vom Titel erfüllen wollte. Auf der spanischen Bank machte sich zunehmend Ratlosigkeit breit.
Im Tor der Spanier bot Arpad Sterbik aber ebenfalls eine starke Leistung, dennoch lag das deutsche Team zur Halbzeit mit 10:6 in Führung.
"Wir wollen es mehr als die Spanier", hatte Uwe Gensheimer in der Halbzeitpause in der ARD gesagt. Der Kapitän verfolgte ebenso wie die weiteren Verletzten Steffen Weinhold und Christian Dissinger das Spiel im Deutschland-Trikot auf der Tribüne.
Kampf um jeden Ball
Nach dem Wechsel das gleiche Bild: Die deutschen Spieler kämpften um jeden Ball, warfen sich in die Würfe der Spanier, und dahinter vereitelte Wolff mit einer unglaublichen Ruhe auch die besten Chancen des Gegners.
Das Selbstvertrauen der spanischen Angreifer sank immer weiter, bezeichnend für die mentale Verfassung waren zwei verworfene Siebenmeter in Folge.
Die zahlreichen deutschen Anhänger, die sich kurzfristig Karten besorgt hatten, waren beim 16:9 (44.) schon in Feierstimmung. "Oh wie ist das schön", sangen sie, während die spanischen Fans verstummten.
Spätestens mit dem 20:13 von Pekeler (52.) war das Spiel entschieden - auch weil Wolff und die deutsche Abwehr fast unüberwindbar waren.
Die deutschen Spieler konnten im Gefühl des sicheren Sieges die letzten Minuten genießen, die Ersatzspieler tanzten vor Freude schon zwei Minuten vor Schluss an der Seitenlinie.
Das Spiel im Stenogramm:
Deutschland - Spanien 24:17 (10:6)
Deutschland: Wolff (Wetzlar), Lichtlein (Gummersbach) - Häfner (Hannover/7), Dahmke (Kiel/4), Fäth (Wetzlar/3), Reichmann (Kielce/3), Pekeler (Rhein-Neckar Löwen/2), Kühn (Gummersbach/1), Strobel (Balingen/1), Kohlbacher (Wetzlar/1), Schmidt (Hannover/1), Sellin (Melsungen/1/1), Lemke (Magdeburg), Wiede (Berlin), Pieczkowski (Lübbecke), Ernst (Gummersbach)
Spanien: Sterbik, Perez de Vargas - Entrerrios (5), Tomás (5/3), Duschebajew (2), Garcia (2), Canellas (1), Ugalde (1), Rivera (1/1)
Schiedsrichter: Gjeding/Hansen (Dänemark)
Zeitstrafen: 8:4
Siebenmeter: 1/3:4/6
Zuschauer in Krakau: 15.000