Am Ende hat Wattenscheid 09 die Hilfe von Superstar Leroy Sane doch nicht nötig gehabt.
Ex-Managerin über Wattenscheid-Rettung
Fast in letzter Minute wendete der Stammklub des deutschen Fußball-Nationalspielers zu Wochenbeginn die drohende Insolvenz ab.
Wenige Stunden vor Ablauf der Frist am Montagabend stockte Aufsichtsratschef Oguzhan Can über seine Firma (WTC Camp Sports) beim klammen Regionalligisten die eingegangenen Spenden aus einer offenbar nur mäßig erfolgreichen Crowdfunding-Aktion auf die benötigte Summe von 350.000 Euro zur Sicherung des Spielbetriebes auf.
Damit blieb dem Klub aus dem Bochumer Westen ein Schicksal wie manch anderem Traditionsverein in den vergangenen Jahren zumindest vorerst erspart.
„Das ist wunderbar. Natürlich freue ich mich für alle Beteiligten sehr. Ich bin kein Freund von Ferndiagnosen, das wird oftmals den Verantwortlichen nicht gerecht. Für kleine Gemeinschaften wie die SGW-Familie ist der persönliche Bezug sehr wichtig", sagte Britta Steilmann, die frühere Managerin des Klubs, zu SPORT1.
Die heute 52-Jährige war die erste Frau als Managerin eines Bundesligisten, in dieser Funktion war sie mit für die Entlassung von Hannes Bongartz (Wattenscheid-Coach von 1989 bis März 1994 und 1998 bis 2004, d. Red.) verantwortlich.
Ein Verein sei "nur so erfolgreich wie seine Mitglieder und die Fan-Gemeinschaft", so Steilmann. "Wenn die Mannschafen geliebt wird, dann beflügelt diese Liebe die Spieler, die Mannschaft um die Spieler. Alle sind motiviert und fröhlich." Das Gute würde alle zum Erfolg tragen.
Can will den Verein breiter aufstellen
"Es wäre tragisch gewesen, wenn dieser Traditionsverein von der Fußball-Landkarte verschwunden wäre. Der Verein lebt noch. Daher habe ich mich entschieden, die Restsumme aufzustocken und dem Verein eine Zukunft zu ermöglichen. Wir werden den Verein breiter aufstellen und Strukturen schaffen, um ihn langfristig wieder auf Kurs zu bringen", sagte Can. Für März kündigte der starke Mann der Schwarz-Weißen eine Mitgliederversammlung an, "um unsere Visionen für die Zukunft vorzustellen".
Unklar blieb eine etwaige und von den Wattenscheider Fans lange erhoffte Beteiligung von Sane an der Rettung des Klubs. Der Angreifer des englischen Meisters Manchester City und Sohn des Wattenscheider Kultspielers Souleyman Sane, der in der Lohrheide als fünfjähriger Bambini das Fußball-Einmaleins erlernte, hatte sich bis zuletzt nicht öffentlich zu den Problemen seines Heimatvereins geäußert.
Je näher allerdings die "Stunde der Wahrheit" für Wattenscheid in den vergangenen Tagen gerückt war, desto intensiver hatte Wattenscheids Anhang nach einer vergleichsweise "kleinen Finanzspritze" des 23 Jahre alten Multimillionärs gerufen.
Schalke sichert Freundschaftsspiel zu
Sanes Ex-Verein, der FC Schalke 04 zeigte sich solidarisch mit dem Reviernachbarn. Die Schalker unterstützen die SG mit einem Freundschaftsspiel, bei dem der Regionalligist sämtliche Einnahmen erhält. Das sicherte Schalkes Sportvorstand Christian Heidel SG-Aufsichtsratsvorsitzenden Can in einem persönlichen Gespräch zu, wie Schalke bekannt gab.
"Als die SG Wattenscheid 09 mit der Bitte auf uns zukam, zu ihrer Rettung beizutragen, haben wir im Hinblick auf unsere langjährige Verbindung sehr schnell entschieden, aktiv zu werden und zu helfen", beschreibt Heidel seine Reaktion.
Je näher allerdings die "Stunde der Wahrheit" für Wattenscheid in den vergangenen Tagen gerückt war, desto intensiver hatte Wattenscheids Anhang nach einer vergleichsweise "kleinen Finanzspritze" des 23 Jahre alten Multimillionärs gerufen.
Das rät Steilmann
"Ich habe es im Fußball sehr oft erlebt, dass es um den Einzelnen geht. Der Erfolg stellt sich aber immer nur nachhaltig ein, wenn alle positiv und mit Freude mitziehen", meinte Steilmann.
Es gebe "immer starke Einzelakteure, die durch ihr Charisma und Ihre Leidenschaft andere beflügeln. Das sind wunderbare Leuchtfeuer, die aber nicht nachhaltig sind."
Und weiter: "Die SG Wattenscheid muss überlegen, wie man dort langfristig Menschen für sich begeistern kann. Zur Veränderung braucht es alle. Und die Vereine müssen Menschen auf allen Ebenen einbinden."
Cans Engagement bedeutet für Wattenscheid, das einst zu seinen Glanzzeiten für "die beste Stadionwurst Deutschlands" bekannt war, ein nach dem vergangenen Wochenende kaum noch für möglich gehaltenes Happy End. Denn bis Montagmorgen waren gerade einmal nur Spenden und andere Hilfszahlungen wie von den Reviernachbarn Rot-Weiss Essen und Rot-Weiß Oberhausen in Höhe von insgesamt rund 140.000 bestätigt. Zu groß schien die verbliebene Lücke, als dass eine Rettung noch für besonders realistisch gehalten wurde.
Fink: "Freue mich brutal"
Thorsten Fink freute sich über die gute Nachricht für die SG. "Das ist eine tolle Nachricht von der Rettung, ich freue mich brutal für diesen Klub, bei dem ich Profi wurde, und die ganze Region. Die Menschen da haben es einfach verdient, dass der Verein nicht in der Versenkung verschwindet", erklärte der Ex-Spieler der SG bei SPORT1.
"Man kämpfte die ganze Zeit schon ums Überleben, von daher ein großes Lob an den Aufsichtsratsvorsitzenden, Herrn Can, für die finanzielle Unterstützung mit seiner Firma, wodurch die Insolvenz abgewendet werden konnte. Das ist eine ganz tolle Sache. Sicher wird man dann in Zukunft noch viel Positives von der SG Wattenscheid hören, das hoffe ich sehr" sagte Fink.
Existenzbedrohende Probleme hausgemacht
Wattenscheid oberster Kontrolleur hatte zunächst vom Einsatz weiterer Eigenmittel absehen und vielmehr ein Zeichen der Solidarität aus dem Wattenscheider Umfeld eingefordert, nachdem der Unternehmer seinen eigenen Angaben zufolge bereits in der Vergangenheit Altschulden des Vereins in Millionenhöhe übernommen hatte. Die nicht ausreichende Unterstützung bis kurz vor Fristende führte offenkundig zu seinem Sinneswandel für eine Ausweitung seines persönlichen Engagements.
Die vorherigen Hoffnungen auf einen außerordentlichen Geldregen durch einen Sane-Scheck in Wattenscheids Lager unterstrichen jedoch nur die Notwendigkeit eines Kurswechsels im Finanzgebaren des Vereins. Die existenzbedrohenden Probleme nämlich sind hausgemacht gewesen: Der Verein, deutschlandweit nicht nur für Nostalgiker inzwischen ein Sinnbild für Fußball-Romantik, hatte sich bei seinen Bemühungen um eine Rückkehr zumindest in den drittklassigen Profi-Fußball wie andere Traditionsklubs in den vergangenen Jahren auch schlichtweg übernommen.
Auch die im vergangenen Sommer noch hochfliegenden Pläne zur Entwicklung des Klubs "zum digitalisiertesten Verein Europas" und damit für schnelle Millionen-Einnahmen platzten inzwischen schon wie eine Seifenblase.