Als die historische Schmach feststand, als der Weltmeister 1445 Tage nach seinem grandiosen Abend im Maracana vom Himmel in die Hölle gestürzt war, herrschte das blanke Entsetzen.
Debakel perfekt! Deutschland raus
Der fassungslose Joachim Löw fuhr sich immer wieder durch die Haare, die Spieler hockten regungslos auf dem Rasen, Thomas Müller weinte bittere Tränen. Erstmals seit der Teilnahme bei einer Fußball-WM vor 84 Jahren ist eine deutsche Mannschaft bereits in der Vorrunde gescheitert.
"Es herrscht eine riesige Enttäuschung, Totenstille", berichtete Löw nach der Katastrophe von Kasan aus der Kabine des gefallenen Titelverteidigers.
Bierhoff geht von Löw-Verbleib aus
Nach einer desaströsen Leistung beim 0:2 (0:0) gegen Südkorea beendete die erneut umformierte Auswahl von Bundestrainer Löw die Gruppe F sogar als Tabellenletzter.
DFB-Direktor Oliver Bierhoff versicherte nur wenige Minuten später, dass dies an der Zukunft von Löw nichts ändern werde. "Ich gehe fest davon aus, dass Jogi weitermacht", sagte er im ZDF.
Der Bundestrainer hatte seinen Vertrag vor der WM bis 2022 verlängert und von Präsident Reinhard Grindel auch für den Fall des vorzeitigen Scheiterns eine Jobgarantie erhalten.
Löw ließ seine Zukunft jedoch offen und betonte auf die Frage nach einem Rücktritt: "Ich muss die Verantwortung übernehmen." Die Enttäuschung sitze "tief in mir drin. Das hätte ich mir auch so nicht vorstellen können."
Hummels hadert mit Chancenverwertung
Wie ein Weltmeister spielte Deutschland in Russland nie, erst recht nicht im entscheidenden Spiel. "Der Mannschaft hat die Leichtigkeit gefehlt. Die Sicherheit war nicht vorhanden", sagte Löw.
Die Folge: "Ein ganz, ganz bitterer Abend für uns. Ganz, ganz, ganz bitter", sagte Mats Hummels, noch Bester einer miserablen deutschen Mannschaft: "Wir haben bis zum Schluss daran geglaubt, wir haben versucht, es zu drehen, aber wir haben den Ball nicht reingebracht. Wir hatten genug Gelegenheiten. Das hat uns heute das Genick gebrochen."
Beide Treffer der Südkoreaner fielen in der Nachspielzeit. Kim Yong Gwon (90.+4) traf zum 1:0. Heung Min Son (90.+6) erzielte den zweiten Treffer ins von Manuel Neuer verlassene leere Tor.
Bierhoff sprach von "großem Frust und Riesenenttäuschung" in der Kabine, Löw sagte kurz darauf ernüchtert: "Ich denke, der gesamte deutsche Fußball hat heute verloren. Dafür können wir uns nur entschuldigen." Einer der Gründe für das Scheitern, räumte er ein, sei womöglich eine "gewisse Selbstherrlichkeit vor dem Mexiko-Spiel" gewesen.
Schweden und Mexiko im Achtelfinale
Auch ein Remis hätte Deutschland nicht gereicht, weil Schweden das Parallelspiel gegen Mexiko überzeugend mit 3:0 gewann. Es ist das niederschmetternde Ende des Titelverteidigers, das sich in den holprigen Spielen gegen Mexiko (0:1) und Schweden (2:1) angedeutet hatte.
Ein Sieg gegen Südkorea hätte zum Weiterkommen gereicht, doch der behäbigen Auswahl um Kapitän Manuel Neuer fehlten vor 41.835 Zuschauern in Kasan Spielwitz, Tempo und Ideen.
Deutschland ist der sechste Titelverteidiger, der dritte in Folge, der in der Vorrunde scheiterte: nach Italien 1950, Brasilien 1966, Frankreich 2002, noch einmal Italiener 2010 und Spanien 2014.
Goretzka ersetzt Müller
Gegen Südkorea klappte nichts, was Löw sich ausgedacht hatte. Vor Spielbeginn hatte er ein ungeschriebenes Gesetz aufgehoben: "Müller spielt immer", das galt nicht mehr, zum ersten Mal seit dem EM-Halbfinale 2012 gehörte der Münchner bei einem WM- oder EM-Spiel nicht zur Startelf.
Löws Entscheidung kam nicht mehr ganz so überraschend, nachdem der außerdem mit einer Gelben Karte vorbelastete Müller gegen Mexiko und Schweden nicht überzeugt hatte. Für Müller kam Leon Goretzka zu seinem ersten Einsatz bei der WM, darüber hinaus kehrten Mats Hummels, Sami Khedrira und Mesut Özil zurück, den gesperrten Jerome Boateng vertrat Niklas Süle.
Von Goretzka, erläuterte DFB-Direktor Oliver Bierhoff vorab im ZDF, versprach sich der deutsche Trainerstab "neue Akzente". Der künftige Münchner konnte sie ebenso wenig setzen wie alle anderen - den fast schon verzweifelt antreibenden Hummels ausgenommen.
Gomez wird eingewechselt
Die deutsche Mannschaft hatte gegen die oft hoch pressenden Südkoreaner Probleme im Spielaufbau, wenig hilfreich war, dass Khedira durch unsaubere Pässe und schlechte Zweikampfführung auffiel. Bei der DFB-Auswahl ging es nur zäh vorwärts - der Spielaufbau gegen gut stehende und aggressive Südkoreaner lief zu behäbig, zu uninspiriert.
Erst nach der Pause entwickelte der Weltmeister mehr Druck und kam zu guten Möglichkeiten. Goretzka (48.) scheiterte per Kopf an Jo Hyeon Woo, Timo Werner (51.) schoss übers Tor. Um 17.08 Uhr ereilte die deutsche Bank die unerfreuliche Nachricht von der schwedischen Führung, der Titelverteidiger war damit virtuell ausgeschieden, der Druck stieg noch weiter an.
Löw reagierte und brachte Mario Gomez für den erneut völlig wirkungslosen Khedira (58.), fünf Minuten später ersetzte Müller den glücklosen Goretzka, in der 78. Minute ging Löw dann "all in" und brachte Julian Brandt für Jonas Hector - ohne den erhofften Erfolg.