Mats Hummels war überraschenderweise nicht ganz zufrieden.
Die Spielmacher aus der letzten Reihe
"Als ich Linksaußen war, habe ich die falschen Entscheidungen getroffen. Das ärgert mich wirklich", sagte der Abwehrspieler nach dem souveränen 3:0 (1:0) gegen Tschechien in der WM-Qualifikation. "Jetzt weiß ich, was ich hätte machen sollen, aber in der Situation habe ich zweimal einen flachen Pass versucht."
Hummels war aber nicht wirklich sauer. Er war auch nicht vom Bundestrainer als Stürmer aufgestellt worden.
Seine Ausflüge in die Spitze waren eher "aus der Not geboren", erklärte er: "Wenn der Gegner über den Platz Druck macht und ich die Chancen habe, einen auszuspielen, dann öffnen sich mir Räume. Und dann muss man einfach mal diese Wege gehen."
Hummels und Boateng glänzen
In der Offensive sei seine "Entscheidungsfindung ein bisschen ausbaufähig", aber seine Rolle als offensiver Innenverteidiger füllte der 27-Jährige ebenso überragend aus wie sein kongenialer Abwehrkollege Jerome Boateng.
Besonders mit ihren spektakulären Diagonalpässen über mehr als den halben Platz sorgten beide ein ums andere Mal für ein Raunen im Hamburger Volksparkstadion - und für Probleme beim Gegner.
"Die Pässe der beiden Innenverteidiger waren grandios. Das waren echte Zuckerbälle. Da konnten wir gleich mehrere Spieler aus dem Spiel nehmen", schwärmte Teamkollege Benedikt Höwedes.
Packing in Perfektion
Die Zahlen belegten es: Boateng überspielte mit seinen Bällen gleich 94 Gegner – Hummels schaffte sogar 127. Der übertragende Sender RTL zählte in der so genannten Packing-Statistik 464 überspielte Gegner, 221 davon vereinten die beiden Innenverteidiger auf sich.
Diese waren jedoch keineswegs aus der Not geboren.
"Wir haben erkannt, dass die Abwehr mit Diagonalbällen und Spielverlagerung aufzureißen ist, weil sich die Mannschaft der Tschechen im Zentrum zusammenzieht", erklärte Bundestrainer Joachim Löw.
"Die Tschechen haben versucht zu pressen, aber das ist ins Gegenteil umgeschwenkt, weil die Deutschen ihnen mit den langen Diagonalbällen riesige Probleme bereitet haben", analysierte SPORT1-Experte Armin Veh im Volkswagen Doppelpass.
Hackenpass und Außenrist
So kam das DFB-Team immer wieder gefährlich hinter die Abwehr.
Berauscht vom eigenen Spiel leitete Boateng sogar einmal den Ball künstlerisch mit der Hacke weiter, Hummels setzte zu besagten Solo- und Flankenläufen an und passte elegant mit dem Außenrist zentimetergenau in den Strafraum.
"Ich habe schon vor zehn Jahren aus Spaß gesagt, wenn einer in meinem Verein die Nummer 10 abgibt, dann nehme ich sie", meinte er grinsend und verriet: "Wir haben die Situationen zum Teil im Training einstudiert. Weniger von mir, eher von Jerome und Toni (Kroos, Anm. d. Red.), ich musste auch notgedrungen ein paar solche Bälle spielen."
Boateng erklärte in seiner typisch gelassenen Art: "Ich habe das früh trainiert und versucht, es immer weiter zu verbessern. Deshalb gelingt es mir, den Ball ab und zu ganz gut anzubringen."
Früher verpönt, jetzt en vogue
Diese Bälle, die Hummels schon seit Dortmunder Zeiten auszeichnen, waren früher in der Nationalmannschaft nicht unbedingt als Stilmittel anerkannt.
Beim FC Bayern war Pep Guardiola kein Freund der langen Bälle, Löw jedoch ließ sie seit Donnerstag trainieren und setzte sie erfolgreich als Waffe ein.
Hummels und Boateng harmonierten perfekt, dabei haben beide aus Verletzungsgründen in dieser Saison in München noch keine einzige Minute zusammengespielt.
"Wir kennen uns schon gut, aber wenn wir jetzt noch tagtäglich im Verein trainieren, ist noch ein bisschen Potenzial drin", sagte Hummels.
Ancelotti darf sich freuen
Carlo Ancelotti wird es zufrieden vernommen haben – und beim DFB sind sie sowieso zufrieden.
"Wir sind dankbar, dass wir so eine tolle Abwehr haben und dass es zwei Spieler sind, die technisch wie physisch sehr stark sind und auch aufeinander abgestimmt sind", sagte Teammanager Oliver Bierhoff im SPORT1-Interview.
Am Dienstag gegen Nordirland (ab 20.15 Uhr im LIVETICKER) werden sich beide wahrscheinlich vorerst mit langen Bällen zurückhalten.
"Ich erwarte die Nordiren defensiver", meinte Hummels. "Ich glaube nicht, dass sie uns so hoch anlaufen wie die Tschechen. Da wird es sehr, sehr viel weniger lange Bälle geben. Definitiv."
Mit einem Sieg wäre Hummels dann aber wohl sicher trotzdem zufrieden.