Sein Marktwert wird unter den Teenagern nur von Weltmeister Kylian Mbappe getoppt: Kai Havertz ist eines der spannendsten Talente im europäischen Fußball.
Havertz: Özil war ein Vorbild
Auch Bundestrainer Joachim Löw ist auf den 19-Jährigen von Bayer Leverkusen aufmerksam geworden und verhalf ihm vor kurzem zum Debüt in der deutschen Nationalmannschaft.
Im Klub läuft es in der aktuellen Saison noch nicht rund. Am Donnerstagabend steht in der Europa League das Topspiel beim FC Zürich an (Europa League: FC Zürich - Bayer Leverkusen, Do. ab 18.55 Uhr im LIVETICKER).
Im SPORT1-Interview spricht der Leverkusener Shooting Star über seine Stellung in der Werkself, sein fußballerisches Vorbild und einen möglichen Wechsel.
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Kai Havertz: Kritik der Fans nachvollziehbar
SPORT1: Herr Havertz, Bayer hat in der Bundesliga acht Punkte aus acht Spielen geholt. Wie bewerten Sie den Leverkusener Saisonstart?
Kai Havertz: Wir müssen nicht viel drum herumreden: Wir wissen alle, dass wir in den ersten Spielen in der Bundesliga zu wenig Punkte geholt haben. In der Europa League lief es besser für uns und am Donnerstag können wir einen großen Schritt machen. Aber in der Bundesliga ist viel Luft nach oben, da haben wir viele Punkte liegen lassen. Wenn wir geschlossen agieren und als Mannschaft zusammenhalten, dann können wir das Ruder rumreißen.
SPORT1: Lars Bender hat nach dem 2:2 gegen Hannover 96 gesagt, dass die 100-prozentige Entschlossenheit gefehlt hat. Wie sehen Sie das?
Havertz: Man sieht ja, dass wir alle wollen – aber vor dem Tor fehlt der Ticken, das Ding zu 100 Prozent reinmachen zu wollen und unbedingt den Punkt oder die drei Punkte mitzunehmen. Der Trainer hat es gesagt, dass die Leichtigkeit und das Selbstvertrauen fehlt. Es geht jetzt einfach darum, dass wir uns alle zusammenreißen und uns bewusst werden, was wir alles draufhaben. Wenn wir das machen und mit breiter Brust auftreten, dann können wir auch wieder viele Punkte einsammeln.
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SPORT1: In den letzten Wochen stand der Trainer stark in der Kritik, "Herrlich raus"-Rufe waren zu hören. Wie geht die Mannschaft damit um?
Havertz: Die Kritik der Fans an der Mannschaft ist nachvollziehbar. Wir haben aber gesehen, was wir unter unserem Trainer auch schon leisten konnten - und haben auch in dieser Saison schon viele gute Spiele gemacht. Wir stehen alle hinter ihm und geben weiter alles. Dann werden wir auch irgendwann wieder belohnt.
Marktwert von 55 Millionen Euro: "Ist nur eine Zahl"
SPORT1: Wie gehen Sie mit dem Druck um?
Havertz: So ein bisschen habe ich es auch schon vor zwei Jahren mitbekommen. Da standen wir im Abstiegskampf, deswegen bin ich das schon ein bisschen gewohnt. Klar, das ist für jeden Spieler eine schwere Situation. Aber man kann es auch in positiven Druck umwandeln. Und vielleicht auch Spaß daran haben, den Leuten zu zeigen, dass man es doch besser kann. Ich setze mich jedenfalls nicht unter Druck und versuche einfach, der Mannschaft zu helfen. Wenn wir das alle hinbekommen, dann sieht das auch wieder anders aus.
SPORT1: Sie sind noch jung, haben aber bereits viele Spiele absolviert. Wie ist Ihre Stellung im Team?
Havertz: Im Moment bin ich noch nicht derjenige, der das Wort ergreift. Ich versuche eher, auf dem Platz mit Leistungen zu überzeugen, mit Toren und Vorlagen. Das habe ich mir in dieser Saison zum Ziel gesetzt, dass ich mit vielen Toren, Vorlagen und guten Leistungen überzeuge. Es ist jetzt meine dritte Saison, deswegen kann ich schon mit breiter Brust auftreten.
SPORT1: Julian Brandt hat mal gesagt, Sie hätten das Potenzial zum Weltstar. Was ist ein Weltstar und wann sind Sie einer?
Havertz: Ich glaube, davon bin ich noch weit entfernt. Ein Weltstar ist ein Spieler, der schon viel geleistet und viele Titel gewonnen hat. Wenn du mal in deiner Karriere stehen hast, dass du die Champions League, die Welt- oder Europameisterschaft gewonnen hast, dann kann man sich so bezeichnen. Aber ich stehe noch am Anfang meiner Karriere und habe noch viel vor mir. Deswegen darf man sich auf so etwas nichts einbilden.
SPORT1: Was würden Sie sich für 55 Millionen Euro kaufen?
Havertz: (lacht) Ich habe es mitbekommen, dass mein Marktwert so gestiegen ist. Aber es ist nur eine Zahl. Es zählen trotzdem noch die Leistungen, die man auf dem Platz abruft. Deswegen kann das genau so schnell nach unten gehen.
SPORT1: Wo sehen Sie Verbesserungspotenzial?
Havertz: Es gibt noch ein paar Sachen, die man verbessern kann. Als junger Spieler ist es normal, dass man mal in ein kleines Loch fällt und nicht immer eine gute Leistung abliefern kann. Ich versuche, das ein bisschen besser zu machen als in der letzten Saison. Da gab es noch ein paar Schwächephasen, in denen es nicht so gut lief. Aber als junger Spieler muss man natürlich irgendwann auch in eine andere Rolle schlüpfen, um nicht die ganze Zeit als Talent gesehen zu werden. Man muss dann auch neben dem Platz Verantwortung übernehmen. Das ist vielleicht der nächste Schritt für mich.
Havertz und der Traum vom Top-Klub
SPORT1: Vor Kurzem haben Sie Ihr Debüt in der Nationalmannschaft gegeben. Wie war es?
Havertz: Klar hätte ich mir ein paar mehr Minuten gewünscht. Aber es ist ein Traum, der in Erfüllung geht. Schon als Kind träumt man davon, dass man dort mitspielen darf. Es war der erste Schritt und ich hoffe, dass noch viele weitere folgen werden.
SPORT1: Einige Beobachter sagen, dass Sie die Rolle von Mesut Özil einnehmen könnten. Würden Sie zustimmen? Und was halten Sie vom Spieler Özil?
Havertz: Man kann schon sagen, dass ich mir viel von ihm abgeschaut habe. Ich mag einfach, wie er spielt. Wie man im DFB meine Rolle sieht, weiß ich nicht genau. Da ist noch viel Zeit und man weiß auch nicht, wohin sich das ganze entwickelt. Klar, vielleicht ist es ein kleines Ziel von mir, irgendwann mal dahin zu kommen. Er hat viel für den deutschen Fußball geleistet. Deswegen kann man schon sagen, dass er ein kleines Vorbild für mich war.
SPORT1: Wie ist der Austausch mit Bundestrainer Joachim Löw?
Havertz: Er hat den WM-Titel nach Deutschland gebracht, deswegen ist es eine Ehre, für ihn spielen zu dürfen. Der Austausch ist sehr gut für mich gewesen, ich durfte viel mit ihm reden. Ich wurde sehr gut aufgenommen, deswegen freue ich mich, wenn ich wieder eingeladen werde. Die EM 2020 ist mein Ziel, da bin ich dann 21. Ein gutes Alter, eine Europameisterschaft zu spielen.
SPORT1: Wo sehen Sie sich in 15 Jahren?
Havertz: Ich fühle mich im Moment in Leverkusen zu 100 Prozent wohl. Klar ist mein Ziel, irgendwann mal ein Schritt höher zu gehen. Als Kind träumt man immer davon, in einem der Top-Klubs zu spielen. Da muss ich nicht drum herumreden, das ist ein Ziel von mir. Aber ich habe einen Vertrag hier in Leverkusen, fühle mich hier wohl - und wo ich dann in ein paar Jahren spiele, wird man dann sehen.