Die Stimmung in Deutschland hat sich innerhalb von 90 Minuten komplett gedreht.
Taktik-Check: Wie Löw Recht behielt
Noch vor dem Anpfiff der Partie gegen Portugal ging ein Raunen durchs Fußballland, als bekannt wurde, dass Bundestrainer Joachim Löw wieder auf das System aus dem Spiel gegen Frankreich setzen würde. Der 61-Jährige nahm keine taktischen oder personellen Änderungen vor. Stattdessen hoffte er darauf, dass seine Überlegungen gegen Portugal besser greifen würden. (Ergebnisse und Spielplan der EM)
Und das taten sie auch.
Gosens und Kimmich als wichtige Faktoren
Die Deutschen begannen erneut mit hohen Ballbesitzanteilen und spielten sich gerade nach dem zwischenzeitlichen Schock durch das Tor von Cristiano Ronaldo Chance um Chance heraus. Dabei machte sich das DFB-Team einige Schwächen in der portugiesischen Defensive zunutze: Konkret wurden die Außenbahnen immer wieder mit Verlagerungsbällen attackiert - und zwar mit Erfolg. (Die Einzelkritik der DFB-Stars gegen Portugal)
Das hatte strukturelle Gründe: In der deutschen 3-4-3-Formation beschäftigten vorn die drei DFB-Angreifer Portugals Viererkette. Folglich konnten sich die portugiesischen Außenverteidiger nicht auf die nachstoßenden Flügelläufer, also Robin Gosens und Joshua Kimmich, konzentrieren.
Gerade der bockstarke Gosens tauchte zigfach im Rücken von Rechtsverteidiger Nélson Semedo auf, der damit beschäftigt war, das Abwehrzentrum seiner Mannschaft kompakt zu halten.
Müller und Havertz ziehen Portugal auseinander
Hätte Löw beispielsweise auf eine Viererkette umgestellt, hätte es diesen Vorteil wahrscheinlich nicht gegeben. Aber weil er beim 3-4-3 blieb, konnte Portugal nicht einfach eins zu eins spiegeln. Deshalb entstanden Freiräume für Gosens und Kimmich - und deshalb liefen die Angriffe der Deutschen fließender. (STIMMEN: Da kocht der Kessel!)
Es gab meist eine oder mehrere freie Anspieloptionen. Anders als gegen Frankreich mussten die DFB-Spieler selten lange überlegen, wohin der Ball als nächstes gehen sollte. Dabei gefielen insbesondere auch Thomas Müller und Kai Havertz, die oftmals mit ihren Läufen abseits des Geschehens die portugiesische Abwehr auseinanderzogen.
Häufig wird Löw vorgeworfen, nicht rechtzeitig auf taktische Probleme seiner Mannschaft zu reagieren. Am Samstagabend war es aber eher Portugal-Trainer Fernando Santos, der von der Seitenlinie aus tatenlos blieb. Spätestens als Gosens zum fünften oder sechsten Mal auf der linken Seite freistehend auftauchte, hätte Santos eingreifen müssen. Doch er hielt am ursprünglichen Matchplan fest.
Löw gegen Ungarn neu gefordert
Natürlich schöpft das DFB-Team durch diesen 4:2-Sieg gegen den Titelverteidiger frisches Selbstvertrauen. Mit Blick auf das letzte Gruppenspiel gegen Ungarn müssen die Deutschen allerdings ihre taktische Ausrichtung wieder neu kalibrieren. (Tabellen der EM)
Die Ungarn haben bewiesen, dass sie die Räume mit einer Fünferkette und drei zentralen Mittelfeldspielern sehr eng machen können. Lücken wie gegen Portugal werden sich für Gosens oder Kimmich nicht zwangsläufig bieten.
Da braucht es neue Lösungen - und deshalb ist Bundestrainer Löw am Mittwoch wieder aufs Neue gefragt.