Abwehrchef Jerome Boateng schlug Alarm und nahm die Abteilung Attacke in die Pflicht, auch TV-Experte Oliver Kahn legte den Finger in die Wunde - und Mario Basler sparte nicht mit Häme.
Boateng schlägt Alarm: Offensive in der Kritik
Nach dem 0:0 gegen Polen, der ersten Nullnummer der EM, steht die Offensive der deutschen Nationalmannschaft mächtig in der Kritik.
"Vor allem vorne war das zu wenig. Offensiv hat viel gefehlt", sagte Boateng und begründete seine deutliche Kritik: "Wir spielen bis zum letzten Drittel sehr gut und lückenfrei, aber dann kommen wir nicht am Gegner vorbei und werden nicht gefährlich. Wir müssen mehr Laufwege machen, mehr investieren."
Für Boateng steht fest: "Das müssen wir verbessern, sonst kommen wir nicht weit." (Stimmen zum Spiel)
Thomas Müller machte aus dem Innenleben der Offensive keinen Hehl und sagte: "Das knabbert bei uns schon."
Vorne drückt der Schuh
Was sich schon beim wenig glänzenden 2:0 zum Auftakt gegen die Ukraine andeutete, wurde gegen Polen zur Gewissheit: Vorne drückt der Schuh beim DFB-Team.
"Die letzte Aktion, der letzte Pass vor dem Tor war heute nicht gut. Wir haben uns im letzten Drittel einfach zu wenige Chancen herausgespielt", musste auch Bundestrainer Joachim Löw eingestehen.
Die Generalkritik gilt für die gesamte Kreativabteilung. Müller wurde auf rechts viel zu wenig eingebunden und leidet auch am technisch limitierten Benedikt Höwedes als Partner auf seiner Seite. Mesut Özil zog in der Zentrale nur selten die Fäden, war lediglich bei einem Schuss in der zweiten Halbzeit selbst gefährlich. Auf links fehlte Julian Draxler das nötige Durchsetzungsvermögen.
Und im Sturm? Wusste weder Mario Götze zu überzeugen, der erneut in der Startelf stand - noch Mario Gomez nach seiner Einwechslung in der zweiten Halbzeit. Götze fehlt die Robustheit eines Torjägers, Gomez die spielerische Klasse. Eine Mischung wäre schön. Einer wie Miroslav Klose, der nach dem WM-Titel vor zwei Jahren aber nun mal nicht mehr zur Verfügung steht. (Zur Einzelkritik)
Kahn: "Selbstgefälliger Fußball"
"Ganz vorne hat einfach ein bisschen was gefehlt", befand auch Mittelfeldspieler Toni Kroos.
Kahn interpretierte das im ZDF auf seine Weise: "Wenn man die Aussagen von Boateng und Kroos übersetzt, dann heißt das: Im letzten Drittel war das ein sehr selbstgefälliger Fußball. Da fehlt die Bissigkeit, die Ausstrahlung, das Tor machen zu wollen. Vor allem vorne, im Zentrums-Spiel, müssen wir uns steigern."
Kahn kritisierte auch den eingewechselten Gomez persönlich: "Ich dachte mit Gomez ändern sich die Dinge etwas, der Gegner muss sich auf etwas Neues einstellen. Aber seine Einwechslung hat null gebracht. Er stand verloren auf dem Platz. Mit ihm wirst du kaum Kombinationsfußball spielen können."
Basler ätzt gegen Özil
Für Gomez ist persönliche Schelte ja nicht neu. Bei der EM vor vier Jahren in Polen musste er sich von ARD-Experte Mehmet Scholl anhören,
Gomez habe sich auf dem Platz so wenig bewegt, dass er fürchtete, Gomez habe sich "wund gelegen", hatte Scholl damals gesagt.
Für Häme war diesmal Basler verantwortlich, der Europameister von 1996 richtete sie via Twitter an Özil: "Hätte ich die Ecken früher so geschossen wie der Özil, dann hätte ich mit 14 aufgehört."
Özil: "Werden Gruppenerster"
Özil begegnete zumindest Boatengs Kritik.
"Das ist seine Meinung", sagte er auf SPORT1-Nachfrage, um gleich nach vorne zu schauen: "Ich bin überzeugt, dass wir gegen die Nordiren gewinnen werden. Dann werden wir Gruppenerster, dann ist alles ist gut."
Dass die Nordiren am Dienstag aber kein Aufbaugegner sein werden, haben sie mit ihrem 2:0 gegen die Ukraine bewiesen. (Ergebnisse und Spielplan der EM)
Die deutsche Offensive muss sich selbst aus dem Leistungsloch hieven.