"Bei den Gesprächen liegt Freud und Leid nah beieinander", sagte Joachim Löw bei der PK bezüglich seiner Nominierung für die EM.
Die Verlierer von Löws Nominierung
"Ein solches Turnier ist für jeden Spieler etwas besonders, die Nationalmannschaft hat einen großen Stellenwert", führte der scheidende Bundestrainer aus: "Wenn man zum Hörer greift und Spielern mitteilen muss, dass sie nicht dabei sind, dann bricht für manche Spieler eine Welt zusammen. Ich weiß, wie weh man den Spielern tut. Die Anrufe sind nicht schön, aber sie gehören für mich dazu." (Bericht: Das ist Löws EM-Aufgebot)
Eine solche Mitteilung musste Löw auch in den letzten Tagen einigen Spielern überbringen. Mit Christian Günter und Kevin Volland hat er im Kader für zwei Überraschungen gesorgt, er lässt allerdings auch Akteure zu Hause, die im DFB-Team etabliert schienen.
SPORT1 verschafft einen Überblick über die Verlierer der Kader-Nominierung.
Julian Draxler
Er ist wohl der größte Verlierer von Löws Entscheidungsfindung. Dementsprechend schwer ist Löw das Telefonat mit dem 27-Jährigen gefallen.
"Das Gespräch war schwierig, da seine Enttäuschung zurecht sehr groß war", verriet Löw: "Er war bei jedem Turnier seit 2014 dabei und ich hatte mit ihm immer ein sehr enges Verhältnis. Beim Confed-Cup war er Kapitän." (Die PK zum Nachlesen)
Warum reichte es in diesem Jahr nicht?
"In den letzten zwei oder drei Jahren hat er selten regelmäßig gespielt. Es war eine schwierige Entscheidung, Julian hat viel Potenzial", redete Löw etwas um die Gründe herum, schnitt den wichtigsten aber an. Draxler ist bei Paris Saint-Germain nie ein unumstrittener Stammspieler gewesen. Dann wird es schwer, einen Leistungsträger bei einer ambitionierten Nationalmannschaft abzugeben.
Löw wünscht ihm, "dass er dort dauerhaft eine Rolle findet, damit er in die Nationalmannschaft zurückkehrt". Mit "dort" meint der Bundestrainer die französische Hauptstadt. In dieser wird Draxler nämlich bleiben, kürzlich verlängerte er seinen Vertrag bis 2024.
Ob ihm diese Entscheidung hilft, es in den Fokus des neuen DFB-Trainers zu schaffen? Fraglich. Für den Offensivspieler stehen definitiv richtungsweisende Monate in seiner Karriere bevor.
Julian Brandt
Brandt galt bis zuletzt als Wackelkandidat. Am Ende hat es also nicht gereicht für den 25-Jährigen, der bereits 35 Länderspiele absolviert hat.
"Julian ist ein klasse Fußballer, in den letzten Monaten war es aber wenig Spielzeit für ihn", sagte Löw über den Dortmunder. Tatsächlich hat der Offensivspieler eine sehr wechselhafte Saison hinter sich. Im Endspurt, in dem der BVB das Ruder noch einmal herumriss, spielte er kaum eine Rolle mehr.
Bezeichnend: Denn bei den wichtigen Spielen bleibt Brandt oft außen vor, da ihm der nötige Biss fehlt.
Er wird im Sommer eine Entscheidung treffen müssen, ob er seiner Karriere außerhalb Dortmunds wieder einen Kick versetzen kann. Genug Zeit zum Nachdenken hat er.
Mahmoud Dahoud
Brandts Mitspieler spielte beim BVB zuletzt eine größere Rolle und galt durchaus als Kader-Option.
Tatsächlich könnte er auch noch nachrücken, falls sich ein Spieler verletzt, wie Löw andeutete: "Wir wissen, was Mo Dahoud beim BVB für eine Entwicklung zuletzt gemacht hat. Falls was passieren sollte, ist er eine gute Alternative."
Der 25-Jährige wurde bei der Nominierung Opfer der vielen Optionen im Mittelfeld. Nach der EM könnte dürfte er auf jeden Fall eine gute Option für Löws Nachfolger bleiben.
Philipp Max
Jahrelang schaut Joachim Löw beim früheren Augsburger weg, als es darum ging, einen Kandidaten für die linke Seite zu scouten.
Erst sein Wechsel zur PSV Eindhoven animierte den Bundestrainer, Max für die DFB-Elf zu testen - mit wechselndem Erfolg.
SPORT1-Experte Olaf Thon vermisst den 27-Jährigen: "Unterm Strich ist der Kader ausgewogen mit vielen guten Entscheidungen – bis auf Philipp Max, der durchgefallen ist."
Florian Wirtz
Der Jungstar von Bayer Leverkusen zog den Kürzeren im Duell mit Bayerns Jamal Musiala.
"Beide sind außergewöhnlich gut. Jamal hat schon Champions League gespielt und diese internationale Erfahrung hat uns zu der Entscheidung bewogen", erklärte der Bundestrainer. Er machte Wirtz aber gleichzeitig Mut: "Er wird seinen Weg bei der Nationalmannschaft mit Sicherheit machen."
Der nächste Schritt auf diesem wird offenbar die deutsche U21 sein. "Er wird einen Anruf von Stefan Kuntz bekommen und kann sich da weiter entwickeln", verriet Löw. Der 18-Jährige wäre mit Sicherheit schon gerne dabeigesessen. Ihm dürfte aber die Zukunft gehören.
Amin Younes
Wie SPORT1 schon vorher berichtete, hat es auch Amin Younes nicht in den Kader von Löw geschafft.
Nach einer starken Phase bei Eintracht Frankfurt war der Offensivspieler im Frühjahr für drei Länderspiele nominiert worden. Einen bleibenden Eindruck scheint er nicht hinterlassen zu haben.
Möglich, dass der 27-Jährige, der 2017 sein Debüt unter Löw feiern durfte, seine beste Möglichkeit auf ein großes Turnier verpasst hat.
Thilo Kehrer
Neben Draxler ist er der zweite Verlierer aus Paris.
Der Innenverteidiger spielte bei PSG ebenfalls eine wechselhafte Rolle, viel auch immer wieder mit Verletzungen aus. Der 24-Jährige wird nach der EM aber noch Chancen haben, sich wieder für das DFB-Team zu empfehlen. Vielleicht würde ihm ein Vereinswechsel guttun, das wird aber der Sommer zeigen.
Nico Schulz
"Nico Schulz war eigentlich unser Spieler auf der linken Seite, mit sehr guten Perspektiven, er hat aber sehr wenig gespielt in den letzten 18 Monaten", sagte Löw.
Tatsächlich galt Schulz zwischenzeitlich als Liebling von Löw, sein letztes Länderspiel absolvierte er im November 2020. Beim BVB spielte der Linksverteidiger aber kaum mehr eine Rolle, was eine Nominierung zur EM nicht möglich war.
Auch für den 28-Jährigen stellt sich im Sommer die Grundsatzfrage, die auch darüber entscheiden wird, ob noch welche zu seinen 12 Länderspielen hinzukommen werden.