"Er war noch nie ein Führungsspieler", sagt Markus Babbel im SPORT1-Interview zu dem Mann, der die deutsche Nationalmannschaft als Kapitän zum Sieg beim Confed Cup 2017 geführt hat.
Hat sich Draxler verirrt?
Damals holte Julian Draxler mit dem DFB-Team in Russland den Titel und absolvierte fünf seiner 56 Länderspiele. Bei der Europameisterschaft werden allerdings keine hinzukommen, denn Joachim Löw hat den 27-Jährigen nicht für den 26 Mann starken Kader nominiert. Ein heftiger Rückschlag für Draxler.
"Das Gespräch war schwierig, da seine Enttäuschung zurecht sehr groß war", verriet Löw am Mittwoch: "Er war bei jedem Turnier seit 2014 dabei und ich hatte mit ihm immer ein sehr enges Verhältnis." (Die PK zum Nachlesen)
Trotzdem reichte es nun nicht für den Kader - und das hat sich Draxler selbst zuzuschreiben, meint Babbel.
Babbel: Draxler geht den "bequemen Weg"
"Dass Draxler seinen Vertrag bei PSG jetzt verlängert hat, passt ins Bild. Motto: 'Ich bin zufrieden mit dem, was ich habe.' Da fehlt mir jegliches Verständnis", wird der 48-Jährige bei SPORT1 deutlich. Er hat selbst 51 Länderspiele für die deutsche Nationalmannschaft absolviert und kritisiert die Einstellung des Offensivspielers scharf:
"Wir sprechen über einen Spieler, der zweifelsohne mit einem hohen Maß an Talent gesegnet ist. Ich habe das Gefühl, er ist zufrieden mit dem, was er jetzt hat. Er ist Ergänzungsspieler bei Paris Saint-Germain, er ist bei den wichtigen Spielen nicht dabei, sondern er darf ran, wenn die Superstars geschont werden. Das finde ich sehr schade, weil Draxler viel Potenzial hat."
Kürzlich verlängerte Draxler seinen Vertrag in Paris bis 2024. Zuvor hatte er auch in seiner vierten Saison bei PSG nicht den Schritt zum unumstrittenen Stammspieler gepackt.
Für das neue Arbeitspapier ging er laut L'Equipe sogar eine Gehaltskürzung ein, obwohl er offenbar ein besser dotiertes Angebot des FC Bayern hatte. Nach SPORT1-Informationen haben Draxler und der FCB zumindest konkrete Zahlen ausgetauscht.
"So richtig hat er den Durchbruch nie geschafft", sagt Babbel: "Er war nie ein Leader, das zeigt sich jetzt durch seine Mentalität. Jetzt hätte er die Chance gehabt, ablösefrei zu wechseln und woanders vielleicht nochmal in die Rolle des Führungsspielers reinzuwachsen, aber Draxler geht den bequemen Weg. Als junger Spieler kannst du auf der Bank sitzen und versuchen, von einem Neymar oder Mbappé etwas zu lernen bzw. dir etwas abzuschauen, aber Draxler ist im besten Fußball-Alter."
Dann, so Babbel, dürfe er sich "nicht wundern, wenn er nicht für den Kader der Nationalmannschaft nominiert wird, weil das sind die Spieler, die du dann bei einer Europameisterschaft nicht brauchst."
Draxlers Vertragsverlängerung - nicht in Löws Sinne?
Die Kritik von Babbel ist scharf, doch die Verlängerung Draxlers dürfte nicht nur ihm etwas komisch vorkommen.
Die Nichtnominierung von Löw ist ein klares Zeichen dafür, dass sich seine Karriere am Scheideweg befindet. Und der Bundestrainer wünscht sich, dass er in Paris "eine gute Rolle findet", weil er "die letzten Jahre relativ wenig gespielt" habe.
Doch es ist zumindest nicht absehbar, dass sich seine Situation im Starensemble ändert - was dann wiederum auch für die DFB-Elf gelten würde.
Fakt ist, dass Draxler seinen Lebensmittelpunkt in der Stadt der Liebe gefunden hat. Dort lebt er mit der Tänzerin Sethanie Taing zusammen, was womöglich den Ausschlag für seine Entscheidung gegeben hat, in Paris zu bleiben. Zum Wohle seiner Karriere ist das aber wohl nicht.
Wie das Interesse der Bayern zeigt, hätte Draxler durchaus mit lukrativen Angeboten rechnen können - gerade weil er ablösefrei auf dem Markt gewesen wäre. Er hat es vier Jahre in Paris versucht und mit Sicherheit eine Menge gelernt - auf und neben dem Platz. An Superstars wie Neymar, Kylian Mbappé und Ángel di María ist für ihn aber kein Vorbeikommen.
Mit 27 Jahren wäre nun wohl der beste Zeitpunkt gekommen, zu einem ambitionierten - aber eben nicht mit Stars gespickten - Klub zu wechseln, um dort eine tragende Rolle zu übernehmen. Es ist nicht selten, dass Spieler in diesem Alter noch einmal einen gewaltigen Schritt machen - spielerisch und rund um Führungsstärke und Mentalität.
Draxlers ungewöhnlicher Karriereweg
Draxler hat sich zunächst dagegen entschieden. Vielleicht kann er aber nun auch zum "besten Draxler aller Zeiten" werden, wie er es nach seiner Unterschrift betonte.
Andernfalls wäre es nicht die erste Entscheidung in seiner Karriere, die im Rückblick zumindest seltsam wirken könnte.
Begonnen hat die Laufbahn des gebürtigen Gladbeckers beim FC Schalke 04. 2011 gab er mit 17 Jahren sein Bundesliga-Debüt und auch sein Champions-League-Debüt für die Knappen - unter Felix Magath.
In der Saison 2014/15 wurde er dann mit Real Madrid, dem FC Barcelona und Juventus Turin in Verbindung gebracht. Er wollte zu Juve, doch daraus wurde nichts. "Das Problem war, dass der Fußball auch ein Geschäft ist und dass ich nicht alleine entscheide. Hinter Transfers stecken auch Ablösesummen und vertragliche Modalitäten. Es muss passen und das war bei Juve leider nicht der Fall", verriet Draxler später DAZN und Spox.
Letztlich folge ein Wechsel zum VfL Wolfsburg, den niemand so recht verstand. Die Wölfe hatten sich die Dienste von Draxler 43 Millionen Euro kosten lassen. Nur eineinhalb Jahre später ließen sie ihn für 28 Millionen Euro nach Paris ziehen. Beim VfL hatte der offensive Mittelfeldspieler nicht durchgehend überzeugen können.
Der Wechsel zu PSG war dann durchaus als Schritt nach vorne zu werten. Mittlerweile scheint es aber fast so, als habe sich Draxler verirrt. Es liegt an ihm, die Zweifler vom Gegenteil zu überzeugen.