Philipp Lahm ist bei der Aufarbeitung des WM-Debakels zu einem der Hauptprotagonisten avanciert.
So polarisiert sich Lahm nach oben
Indem er Bundestrainer Jogi Löw unlängst dazu riet, seinen Führungsstil zu ändern, schaffte es der 34-Jährige einmal mehr zu polarisieren, eine Debatte zu prägen - und eine Reaktion zu bewirken.
Löw weist Kritik von Lahm von sich
"Ich finde das in der Art und Weise nicht so richtig. Wir wissen ganz genau, wie wir mit jungen Spielern kommunizieren müssen und welchen Führungsstil sie brauchen", verteidigte Löw am Freitag seiner bisherige Herangehensweise. Schlusswort des Weltmeister-Trainers von 2014: "Deshalb war das in diesem Fall nicht sehr erfreulich für mich."
Stellt sich die Frage, ob Lahm ebenjene Reaktion von Löw erwartet hat?
Glaubt man denjenigen, die ihn seit Jahren begleiten, dann ja! Spricht man mit ihnen über den 113-fachen Nationalspieler, lässt folgende Einschätzung über Lahm nicht lange auf sich warten: Wenn man Philipp kennt, weiß man, dass er alles wohl bedacht tut.
Hieße im Umkehrschluss, dass er mit einer Löw-Reaktion gerechnet hat, er diese aber bewusst in Kauf nahm. Ebenso müsste er gewusst haben, dass er auch vom Rest der DFB-Führung, allesamt treue Gefolgsleute von Löw, keinen Applaus erntet.
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Lahm und Berater Roman Grill planen jeden Schritt
Indirekt hat Lahm aber viel mehr erreicht: Er hat sich mit seinen Worten Respekt verschafft, unter anderem bei Karl-Heinz Rummenigge.
Unmittelbar vor der Löw-Reaktion lederte der Bayern-Boss erst gegen den DFB ("Durchsetzt mit Amateuren"), danach brachte er Lahm ins Spiel: "Ich halte Philipp Lahm und seinen Berater Roman Grill für perfekt passend für den DFB. Philipp hat diese Qualität, für einen Verband zu arbeiten. Es wäre vielleicht eine interessante Lösung, Lahm dort als Vize-Präsidenten zu installieren, um dem Präsidium ein Stück weit mehr Professionalität zu geben."
Lahm gilt als Vordenker, als kluger Stratege der mit seinem langjährigen Berater jeden seiner Schritte (auch die verbalen) genau plant. Er haut nicht oft "einen raus" - wenn er es tut, dann aber gezielt.
Auch den FC Bayern kritisierte er gezielt
2009 kritisierte er die Bayern-Führung in einem ausladenden Zeitungsinterview für deren Einkaufspolitik und nahm dafür eine Rekordstrafe von 50.000 Euro in Kauf - die er später "gut investiert" nannte. 2010 verkündete er, die Kapitänsbinde nicht mehr abgeben zu wollen, nachdem er diese zuvor nur übernahm, weil sich Michael Ballack verletzte. 2011 kritisierte Lahm in seinem Buch "Der feine Unterschied" Ex-Bundestrainer Rudi Völler und Ex-Bayern-Trainer Jürgen Klinsmann.
Lahm arbeitete Zeit seiner Karriere daran, sein Profil zu schärfen. Immer mehr wird nun deutlich, dass man seine Äußerungen ernst nimmt und sie in der Masse zahlreicher Experten-Meinungen nicht untergehen. Lahms Denkanstöße lösen immer öfter Debatten aus - und finden auch bei anderen ranghohen Köpfen des deutschen Fußballs Anklang.
Auch die Trainer-Legenden Ottmar Hitzfeld ("Mit seiner Kompetenz könnte er weiterhelfen") und Felix Magath ("Lahm würde der Nationalmannschaft guttun") äußerten sich bei SPORT1 wohlwollend über ein DFB-Posten für Lahm. Aktuell ist er ohnehin als Botschafter für die EM 2024 aktiv. Aber ob ihm das auf Dauer reicht?
Lahm selbst betonte zuletzt sogar höchst selbst, dass man seine Äußerungen so verstehen könne, dass er sich beim Verband in Position bringe.
Dass Lahm und Löw nach ihrem Disput und in Folge der WM-Aufarbeitung künftig aber direkt zusammenarbeiten, scheint erstmal fraglich. Andererseits: Lahm hat Löw - wie vor neun Jahren die Bayern-Führung - sachlich kritisiert und nicht persönlich brüskiert. Die Angelegenheit kann auch damit enden, dass sich alle Beteiligten zusammensetzen, alles ausdiskutieren und Lahm somit eingebunden wird.
Genauso lief es damals bei den Bayern-Bossen: Ihre erste Reaktion war Ärger und eine Kopfwäsche für Lahm - langfristig aber hat er sich ihren Respekt verschafft.