Der Fall Gündogan/Özil beschäftigt vor der WM in Russland weiter die Gemüter: Nun hat Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff seine Aussagen vom vergangenen Freitag vor dem letzten WM-Test gegen Saudi-Arabien relativiert.
Fall Erdogan: Bierhoff rudert zurück
Bierhoff hatte im Interview mit der ARDgereizt auf Kritik reagiert und die Debatte um die beiden Nationalspieler, die sich mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan hatten fotografieren lassen, für beendet erklärt.
Nun revidierte er seine Aussagen in der Bild. "Tut mir leid, das war anders gemeint und ist falsch rübergekommen. Ich will doch keine Maulkörbe verteilen und auf Befehl ein Thema beenden", so Bierhoff.
"Es ist ganz klar, dass die Diskussion über Integration nicht beendet sein kann – auch nicht über das Foto. Wir müssen uns im DFB diesem Thema weiter stellen und es aufarbeiten", sagte der 50-Jährige weiter. "Denn im Jugendbereich haben wir immer mehr Spieler mit Migrationshintergrund."
Bierhoff: Özil schweigt auch während WM
Ilkay Gündogan hatte sich nach einiger Zeit zu dem Foto geäußert, Mesut Özil jedoch schwieg und will auch während der WM nichts dazu sagen.
"Das ist seine Aussage. Ich gehe davon aus, dass er das durchzieht", sagte Bierhoff. "Richtig ist: Sie sind unterschiedliche Typen. Mesut war noch nie ein Freund vieler Worte, ist eher verschlossen, während Ilkay offener und kommunikativer ist."
Er halte es auch für schwierig, Özil zu etwas anderem zu zwingen. "Wir verlangen immer mündige Spieler. Wir sagen, man solle ihnen nicht alles vorschreiben", sagte der Manager der DFB-Elf. "Und gerade in so einem persönlichen Fall kann ich Ratschläge geben, aber muss ich ihnen etwas vorschreiben? Das ist schwierig."
"Mündig heißt ja, dass man selbst entscheidet und verantwortet, wie man reagiert. Und das tut Mesut. Ob es in diesem Fall richtig und gut für ihn ist, steht auf einem anderen Blatt", befand Bierhoff.
Bierhoff wirbt um Rücksicht
Das Thema ginge zudem weit über das Erdogan-Foto hinaus, so Bierhoff. Seine Bitte sei für die Zeit in Russland nur, "dass wir den Spielern eine Chance geben, sich während der WM auf das Turnier konzentrieren zu können."
Bierhoff sagte weiter, er glaube nicht, dass sich durch den Vorfall die Kluft zwischen Profifußball und Fans vergrößert habe. "Was ich jedoch spüre, wie dieser Fall selbst meinen Freundeskreis stark bewegt und zu völlig verschiedenen Reaktionen führt. Von riesengroßer Aufregung bis zum Unverständnis über die Aufregung", erzählte Bierhoff.
Er hofft nach den Pfiffen gegen Gündogan bei der WM-Generalprobe jetzt in Russland auf die "positive Unterstützung unserer Fans". Als Ausrede für schwache Leistungen dürfe das Thema nicht herhalten.
"Ich mache mir weniger Sorgen generell um die Mannschaft, sondern eher um die beiden Spieler. Es beschäftigt Mesut und Ilkay schon sehr", sagte Bierhoff. Er geht aber ebenso wenig von einem Rücktritt des Duos aus wie davon, dass Bundestrainer Joachim Löw auf beide verzichtet.
Kritik an Rauball
Für die Kritik von DFL-Präsident Reinhard Rauball am Vorgehen des DFB ("Thema unterschätzt") hat Bierhoff kein Verständnis.
"Die öffentlichen Äußerungen von einem Mitglied unserer Delegation haben mich etwas irritiert. Man ist nicht frei von Fehlern", sagte der 50-Jährige, "als Verantwortlicher einer Mannschaft muss man alle Konstellationen und mehrere Faktoren bedenken, die zu einer Entscheidung führen. Das kann man von außen schwer beurteilen."
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