Als Mesut Özil am Samstagabend im Berliner Olympiastadion als Nationalspieler des Jahres ausgezeichnet wurde, mischten sich in den äußerst verhaltenen Applaus Pfiffe.
Keine echten Fans - keine Stimmung
Das war auch schon fast die einzige Gemütsregung der deutschen Zuschauer beim 2:3 gegen England.
Selbst als Deutschland noch 2:0 führte, kam keine Stimmung auf. Echte Fußballfans hätten sich an fünf Toren und dem Hackentrick von Jamie Vardy ergötzt. Doch von ihnen gibt es anscheinend nur noch wenige bei Spielen der deutschen Nationalmannschaft.
Jeder erinnert sich an Uli Hoeneß' legendären Wutausbruch in Richtung Bayern-Fans ("Ihr seid doch für die Sch...stimmung verantwortlich"), bei Länderspielen liegt das Problem woanders.
Choreos als Teil des Marketingprogramms
Durchgestylte Choreographien mit Hinweisen vor der Kurve wie "bitte Papptafeln" und ein Vorprogramm mit lärmender Musik aus den Stadionlautsprechern gehören zum Marketingprogramm des DFB. Die Zuschauer sind ein Event-Publikum, das nur passiv konsumiert anstatt aktiv die Mannschaft zu unterstützen.
Die 4000 Engländer im Stadion sangen ihre Lieder und waren lauter als die restlichen 67.400 Menschen, und als die im deutschen Fanblock vorschriftsgemäß gestartete La Ola an ihrem Gästeblock ankam, brachten sie die Welle zum Stoppen und pfiffen.
Nach dem Spiel hing hinter dem Gästebereich eine Wolke aus Bier. Der deutsche Fan Club Nationalmannschaft wird übrigens vom weltgrößten Softdrink-Hersteller gesponsert.
Kartenvergabe verstimmt Fans
Wer über den DFB Karten für die Europameisterschaft beziehen wollte, musste Mitglied werden. Kostenpflichtig. Ein Umstand, der für Unverständnis und Kritik sorgte.
Der DFB entgegnete, es handele sich nicht um eine Akquise-Aktion für den Fan Club und gab Sicherheitsgründe an. Schließlich habe man so die Daten der Zuschauer.
Dass am Samstag nach den Terroranschlägen in Paris und Brüssel alles ruhig ablief, war die positive Nachricht des Abends. Für Pfiffe aus der deutschen Kurve bei der englischen Hymne kann der DFB nichts. Diskussionen über die Stimmung im Stadion muss er sich aber gefallen lassen.
Nächstes Auswärtsspiel in München?
Das gilt auch für die Anstoßzeiten, bei denen der Verband nicht konsequent ist. Einerseits will man die Spiele familienfreundlich gestalten - dann Ostern erst um 20.45 Uhr zu spielen, obwohl viele Kinder mit ins Stadion gehen, passt aber nicht.
Für die letzten beiden Tests vor der EM Ende Mai gegen die Slowakei in Augsburg (17.45 Uhr) und am 4. Juni gegen Ungarn in Gelsenkirchen (18 Uhr) hat man dagegen frühere Anstoßzeiten festgelegt.
Zunächst spielt Deutschland am Dienstag in München gegen Italien. Die Partie ist nicht ausverkauft, München wird oft als nördlichste Stadt Italiens bezeichnet. Das nächste Auswärtsspiel im eigenen Stadion droht.