Niko Kovac sorgte am Dienstag für Verwunderung - mal wieder.
Das steckt hinter Kovacs Aussage
Auf die Frage, ob der FC Bayern nicht ein pressingintensives Spiel wie der FC Liverpool aufziehen wolle, antwortete Münchners Trainer auf der Pressekonferenz vor dem Pokalduell beim VfL Bochum (ab 18 Uhr LIVE im TV auf SPORT1 und im STREAM).
"Man muss auch die Spielertypen haben. Man kann nicht versuchen, 200 km/h auf der Autobahn zu fahren, wenn sie nur 100 schaffen. Man muss das anpassen, was man hat."
Eine Aussage, die Raum für Interpretationen ließ – und bei vielen Bayern-Fans alles andere als gut ankam.
Kritik an den eigenen Spielern? Kritik an der Transferpolitik? Oder einfach eine Aussage, die etwas unglücklich formuliert war, im Kern aber richtig ist?
Kein Affront gegen die Spieler
Kovac ging es nicht um die grundsätzliche Qualität seiner Profis, eher um deren Stärke beim Pressing. Keinesfalls sollte es als Affront gegen die Mannschaft gerichtet sein. Er habe "andere Spielertypen" zur Verfügung, gab Kovac an: "Wir müssen einen guten Mix finden."
Bayern hat eine dominantere Herangehensweise, sucht Lösungen mit Ballbesitz und ist keine Pressing-Maschine wie die Reds, deren Spielstil aus der physischeren Premier League sich nicht einfach kopieren lässt.
Kovac hat besonders mit Kingsley Coman, der in der laufenden Saison die neuntmeisten Sprints und die zweithöchste Sprintgeschwindigkeit der Liga (35,70 km/h) aufweisen kann, und Serge Gnabry Spielertypen in seinem Kader, die durchaus Vollgas geben und das Gegenpressing von vorne anleiten könnten.
Allerdings fehlen im Mittelfeld Kämpfer wie Jordan Henderson, um das Pressingkonstrukt im Zentrum energisch am Leben zu halten. Thiago und Philippe Coutinho sind eher technisch veranlagte Spieler.
Bayern hält statistisch mit
"Unser Gegenpressing ist auch gut", meinte Kovac: "Es kann aber immer noch besser werden." Beides richtig, das bestätigen die Statistiken.
In der laufenden Saison liegt Liverpool laut Opta mit 17 Pressingsequenzen pro Partie in England an der Spitze, Bayern ist in Deutschland mit durchschnittlich 15 Fünfter.
Beachtlich: Der deutsche Rekordmeister ist bei den hohen Ballgewinnen (maximal 40 Meter vom gegnerischen Tor entfernt) sogar besser, während die durchschnittliche Höhe der Balleroberung bei beiden Teams 45 Meter vor dem eigenen Tor entfernt ist.
Liverpool provoziert individuelle Fehler
Während Liverpool bereits von fünf schweren individuellen Fehlern des Gegners profitierte, provozierten die Bayern noch keinen einzigen.
In den Top-5-Ligen Europas zwingt nur Leverkusen den Gegner eine schlechtere Passquote auf als die Engländer, während die Bayern immerhin Siebter sind.
Die Reds legen zudem ein höheres vertikales Tempo an den Tag, sie bewegen den Ball durchschnittlich um 0,2 Meter pro Sekunde schneller in Richtung des gegnerischen Tors als der FCB, der mit 1,3m/s sogar den Tiefstwert der Bundesliga inne hat.
Kovac sprach von einem Prozess und erinnerte daran, dass Klopp in Liverpool bereits seit vier Jahren in Amt ist – und er in München erst in seiner zweiten Saison. "Worüber reden wir? Über Kontinuität", lächelte der 48-Jährige: "Über Zeit, die es im Fußball anscheinend nicht mehr gibt."
Kovac zu sorglos in der Wortwahl?
Ob Kovac diese Zeit bekommt, wird sich zeigen. Einen Gefallen hat sich der Kroate mit seiner Formulierung, wie zuletzt bei Thomas Müller, jedenfalls nicht gemacht.
"Wenn Not am Mann sein sollte, wird er mit Sicherheit auch seine Minuten bekommen", meinte Kovac über Müller - ein Satz, den er im Nachhinein als "Fehler" bezeichnete.
SPORT1 erfuhr aus der Kabine: Auch in Mannschaftsbesprechungen soll Kovac bereits das eine oder andere Mal in verbale Fettnäpfchen getreten sein.
Klar ist: Die Goldwaage, auf die die Öffentlichkeit schon immer die Aussagen eines Bayern-Trainers legt, muss Kovac noch austarieren. Andernfalls wird er sich mit mehr Gegenpressing herumschlagen müssen, als ihm lieb ist.