Julian Nagelsmann nahm kurz die Gratulation von Atlético-Trainer Diego Simeone entgegen und sprang dann jubelnd auf den Platz, seine Spieler lagen sich auf dem Rasen des Estadio Jose Alvalade in den Armen: Das Glück kannte bei RB Leipzig keine Grenzen mehr.
Leipzig landet Coup gegen Atlético
RB Leipzig war Sekunden zuvor durch einen Lucky Punch ein Coup gegen Atlético Madrid gelungen. Das Team von Trainer Julian Nagelsmann hat nach einem wahren Abnutzungskampf gegen die Defensivkünstler von Atletico Madrid das Halbfinale der Champions League erreicht und darf weiter vom Henkelpott träumen.
Tyler Adams avancierte in der 88. Spielminute zum Matchwinner. Sein abgefälschter Schuss landete zum 2:1 (0:0)-Endstand im Tor der Spanier. "Dieses Tor zu schießen, ist nicht gerade typisch für mich, ich bin kein klassischer Torjäger", blieb Adams bei Sky bescheiden.
Nagelsmann "sehr stolz auf die Truppe"
"Es war etwas glücklich, aber verdient. Wir wollten unbedingt diesen Sieg, wollten unbedingt hier in Lissabon bleiben", sagte Mittelfeldspieler Marcel Sabitzer nach dem größten Erfolg der noch jungen Klubgeschichte bei DAZN.
Ein überglücklicher Nagelsmann lobte seine Mannschaft nach dem Abpfiff bei Sky: "Ich bin sehr stolz auf die Truppe. Das war sehr verdient, wir waren die bessere Mannschaft. Im ersten Viertelfinale gegen solch einen Gegner, das war schon sehr abgezockt. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Atlético sehr viele gefährliche Aktionen hatte."
In der ersten Hälfte lieferten sich beide Teams zunächst einen offenen Schlagabtausch. Zu Beginn des zweiten Durchgangs konnte dann Dani Olmo die Überlegenheit der Roten Bullen in ein Tor umwandeln. Er köpfte eine präzise Flanke von Marcel Sabitzer ins Netz der Spanier (51.).
Atlético kam Offensiv erst wieder mit der Einwechslung von Joao Félix ins Spiel. Der 20-Jährige brachte sein Team dann auch durch zwei starke Einzelaktionen zurück ins Spiel. Zunächst provozierte er durch ein flottes Dribbling ein Foul von Lukas Klostermann, das zu einem Elfmeter führte. Dann führte er selbst aus und blieb vom Punkt eiskalt.
Adams entschied die Partie, als sich schon alle auf eine Verlängerung eingestellt hatten.
RB Leipzig trifft auf Paris Saint-Germain
In der Runde der besten Vier trifft RB am kommenden Dienstag auf Frankreichs Spitzenteam Paris St. Germain mit dem deutschen Trainer Thomas Tuchel. Nagelsmann wird mit dann 33 Jahren, drei Wochen und sechs Tagen einen Meilenstein als jüngster Halbfinal-Trainer der Champions-League-Historie setzen.
Ohne den zum FC Chelsea gewechselten Torjäger Timo Werner verdiente sich Leipzig den Sieg im Estadio Jose Alvalade XXI aufgrund eines couragierten und spielerisch reifen Auftritts. Für die Madrilenen, die in der Runde zuvor immerhin Titelverteidiger FC Liverpool mit Teammanager Jürgen Klopp aus dem Wettbewerb geschossen hatten, ist es das erste Scheitern an einem deutschen Team.
Gegen den FC Bayern (2015/16) und zweimal Bayer Leverkusen (2014/15 und 2016/17) hatte der Klub aus der spanischen Hauptstadt jeweils die Oberhand behalten.
"Ich hätte das vor dem Spiel nicht erwartet, aber wir sind verdient im Halbfinale", sagte Leipzigs Stürmer Yussuf Poulsen bei Sky: "Wir waren heute alle auf Top-Niveau. Wir haben so viele Dinge umgesetzt, die wir trainiert haben. Wir waren gut vorbereitet und jeder wusste, was er zu tun hat."
Leipzig kassiert durch Weiterkommen rund zwölf Millionen Euro
Der Sieg lohn sich für RB und die Profis auch finanziell. Von den rund zwölf Millionen Euro, die der Klub durch den Einzug in die Runde der besten vier an Prämie kassiert, sollen laut Medienberichten fünf Millionen direkt an die Mannschaft fließen.
Das mit Spannung erwartete Duell an der Seitenlinie zwischen Nagelsmann und Atlético-Coach Diego Simeone verlief weitestgehend ruhig. Die beiden emotionalen Trainer hielten in ihren Coaching-Zonen rund 30 Meter Abstand, nur in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit gerieten beide Heißsporne verbal aneinander.
Taktisch überraschte Nagelsmann seinen Kollegen aus Argentinien: RB lief in einem 3-3-3-1-System auf, in dem Stoßstürmer Yussuf Poulsen, der Werner als Stürmer ersetzte, von den drei offensiven Mittelfeldspieler Olmo, Christopher Nkunku und Marcel Sabitzer unterstützt wurde.
Atletico schien damit nicht gerechnet zu haben, die Anfangsphase gehörte eindeutig den Leipzigern. Nationalspieler Marcel Halstenberg hatte bereits in der vierten Minute das 1:0 auf dem linken Fuß, doch sein Schuss aus sieben Metern verfehlte das Tor.
Mit zunehmender Spieldauer fand Madrid zu seiner gewohnten Stabilität zurück - und konterte blitzschnell. Der sehr auffällige Yannick Carrasco, mit dem Nationalspieler Lukas Klostermann auf der rechten Abwehrseite Probleme hatte, kam zu einer Großchance, die RB-Torhüter Peter Gulacsi aber vereitelte (13.).
Die Rojiblancos überließen wie erwartet RB die Initiative und vertrauten auf ihre Abwehrstärke. Leipzig tat dem Gegner aber nicht den Gefallen, ins offene Messer zu laufen, sondern zog sich selbst auch immer wieder zurück. So gab es kaum Toraktionen. Was es dafür zur Genüge gab, waren Zweikämpfe, die zum Teil auch überhart geführt wurden. So wie der heftige Zusammenprall von Halstenberg und Stefan Savic, der eine Platzwunde davon trug und danach mit einem Verband spielte.
Nach Leipzigs Führungstreffer durch Olmo, dem eine feine Flanke des bärenstarken Marcel Sabitzer vorausgegangen war, musste Atlético seinen Defensivbund mehr und mehr öffnen. In der 58. Minute brachte Simeone 126-Millionen-Euro-Mann Félix, der dann auch mächtig Dampf machte und für den Ausgleich sorgte. Ein abgefälschter Schuss von Adams ließ RB kurz vor Ende aber ausgelassen jubeln.
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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)