Es lief die 60. Spielminute als Leon Goretzka an der Seitenlinie stand, um für eine halbe Stunde an der Meister-Gala mitzuwirken.
Was bedeutet Goretzkas Verletzung?
Es wurden allerdings nur zehn Minuten, die dem Mittelfeld-Star des FC Bayern die Freude über die Meisterschale für den Moment aus dem Gesicht wischten.
Goretzka verletzte sich am Oberschenkel und musste beim 6:0-Sieg gegen Borussia Mönchengladbach schon in der 70. Spielminute wieder ausgewechselt werden. Am Montag gaben die Bayern bekannt, dass sich Goretzka einen Muskelfaserriss im linken Oberschenkel zugezogen hat.
Die Bundesliga-Saison ist für Goretzka damit definitiv beendet - was halb so wild ist. Mit der Verletzung beginnt nun allerdings auch ein Wettlauf mit der Zeit. In einem Monat beginnt die Europameisterschaft. Stellt sich die Frage: Mit oder ohne Goretzka?
Genesungszeit geht über Nominierungsdeadline hinaus
Nach der Diagnose ist eines klar: Es wird eng für den 31-maligen Nationalspieler. Es dürfte mit einer Ausfallzeit von drei bis vier Wochen zu rechnen sein. Der Startschuss für die EM fällt am 11. Juni.
Am 19. Mai will Joachim Löw den Kader für sein letztes großes Turnier als Bundestrainer bekanntgeben. Voraussichtlich am 25. Mai bezieht das DFB-Team ein Trainingslager in Seefeld/Tirol. Am 1. Juni muss Löw sein Aufgebot dann offiziell bei der UEFA einreichen.
Bis zu diesen Daten wird Goretzka wohl definitiv verletzt sein. Macht es für Löw also überhaupt Sinn, den 26-Jährigen zu nominieren?
Kadererweiterung spricht für Goretzka
Die Antwort dürfte ein klares "Ja" sein.
Einer der Hauptgründe dafür ist die Kadererweiterung der UEFA auf 26 Spieler je Nationalmannschaft. Löw kann also auf einen größeren Pool an Spielern zugreifen als das sonst bei einer EM oder WM der Fall war.
Bei diesen Möglichkeiten erscheint es fahrlässig, einen so wichtigen Spieler wie Goretzka zu Hause zu lassen. Selbst wenn sein Fitnesszustand ungewiss ist.
Bei Löw dürften allerdings auch Zweifel mitschwingen. Immerhin plagen Goretzka nicht zum ersten Mal muskuläre Probleme. In dieser Saison fiel der Mittelfeldspieler des deutschen Rekordmeisters mehrfach wegen solcher Verletzungen an der Wade und am Oberschenkel aus.
Aus einem solchen Grund musste Goretzka auch im Viertelfinal-Hinspiel in der Champions League gegen Paris Saint-Germain ausgewechselt werden. Als die Bayern noch nicht wechseln konnten, hatte Marquinhos für ein Gegentor gesorgt. Das hatte Mentalitätsmonster Joshua Kimmich auf 180 gebracht: "Wir spielen seit fünf Minuten mit einem Mann weniger!"
Goretzka würde eine Pause guttun
Die vielen Verletzungen von Goretzka sind auf die außergewöhnliche Situation rund um den Corona-Spielplan zurückzuführen. Eine richtige Pause hatte der gebürtige Bochumer praktisch seit einem Jahr nicht mehr.
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Umso dringender könnte er eine mehrwöchige Auszeit wohl gebrauchen, wird sie aber weder bekommen noch wollen - immerhin geht es um eine EM, die in der Gruppenphase des DFB-Teams auch noch in Goretzkas Wohnzimmer, der Allianz Arena, ausgetragen wird.
Goretzka wird daher alles dafür tun, um so schnell wie möglich fit zu sein. Ob es für das erste Spiel der deutschen Nationalmannschaft am 15. Juni gegen Frankreich reicht, ist allerdings fraglich.
Unter Löw ist Goretzka zuletzt Stammspieler gewesen. Wenn er fehlen sollte, ermöglicht das anderen Akteuren eine Chance.
Chance für Müller und Musiala?
Unter Löw wurde Goretzka sehr variabel eingesetzt. Die meiste Zeit verbringt er im offensiven Mittelfeld oder kurz dahinter. Er wurde vom Bundestrainer aber auch schon auf Rechtsaußen, Linksaußen und ins rechte Mittelfeld gestellt.
In jedem Spiel, für das er ausfallen sollte, ergeben sich damit Chancen - womöglich auch für zwei seiner Teamkollegen in München. Shootingstar Jamal Musiala wird im EM-Aufgebot sicher mit dabei sein, das machte Löw klar. Er könnte sich Einsätze auf der rechten Außenbahn erhoffen.
Gleiches gilt für Thomas Müller, falls Löw den Urbayern nominieren sollte. Auch das erscheint bei dem breiten Kader, den er mit zur EM nehmen darf, wahrscheinlich. Langes Theater hin oder her.
Im Mittelfeld des DFB-Teams würde eine Abwesenheit von Goretzka wohl bedeuten, dass Ilkay Gündogan, Toni Kroos und Joshua Kimmich gesetzt sind. Letzterer könnte dann aber schwerlich auf die Position des rechten Verteidigers gezogen werden.
Ein Ausfall von Goretzka hätte durchaus weitreichende Folgen für das DFB-Team. Der Wettlauf gegen die Zeit beginnt.