Gradlinig, hart arbeitend, kommunikationsstark, sympathisch sollte er sein, der neue Teamplayer von Eintracht Frankfurt. Aufsichtsratschef Philip Holzer beschrieb unter anderem im kicker die Eigenschaften, die bei der Suche nach einem Nachfolger von Fredi Bobic auf der Checkliste ihren Platz fanden. In den Blickpunkt rückte dabei schon im März Markus Krösche von RB Leipzig.
So tickt Frankfurts neuer Macher
Doch wer ist dieser Mann, der als Sport-Geschäftsführer den SC Paderborn von der dritten Liga in die Bundesliga führte und anschließend als Sportdirektor bei den Sachsen anheuerte? Wie arbeitet der 40-Jährige, der schon während seiner Profi-Laufbahn ein BWL-Studium absolvierte und später einen DFB-Trainerschein erwarb?
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"Wichtig ist, dass man eine ganz klare Philosophie hat und danach ganz klare Fähigkeiten auf einzelnen Positionen festlegt. Dass man da ganz klare Leitplanken festlegt", sagte Krösche bei einer Podiumsdiskussion im Januar 2020 beim Sportbusiness-Event SPOBIS. "Dogmen", betonte er, "helfen einem nicht weiter."
Krösche schenkt Mitarbeitern viel Vertrauen
Krösche setzt bei seinen Mitarbeitern auf Kommunikation, Offenheit – und eine lange Leine: "Jeder ist in seinem Bereich dafür auch verantwortlich. Sie bekommen von mir das Vertrauen, die Dinge so anzugehen, wie sie es haben möchten. Jeder hat die Möglichkeit, frei zu gestalten."
Größere Entscheidungen werden im Team besprochen, ansonsten sollen sich auch die Mitarbeiter in ihren Bereichen weiterentwickeln: "Für mich ist es so, dass ich versuche, Mitarbeitern Vertrauen zu geben. Aus Vertrauen und Verantwortung entsteht Motivation und darüber Identifikation und darüber wiederum Weiterentwicklung." Ben Manga etwa, der vom Chefscout zum Direktor Profifußball befördert wurde, kann davon profitieren.
Eintracht hofft auf eine Ära mit Krösche
Mit dieser von Krösche präferierten Mischung gilt es den Eintracht-Kader für die bevorstehende Dreifachbelastung zu rüsten. Die Qualifikation für das internationale Geschäft ist bereits perfekt, die Champions League kann aus eigener Kraft erreicht werden. (Tabelle der Bundesliga)
Für Krösche, der bei Leipzig unter anderem auch für die Transfers von Angelino und Dani Olmo verantwortlich zeichnete, ist es das optimale Umfeld, um einerseits den nächsten Schritt in der eigenen Entwicklung zu gehen. Andererseits weiß er sich in einem gut geführten Klub, dem er beim Versuch der weiteren Etablierung in der Spitzengruppe helfen kann. Bei der Suche war den Verantwortlichen nach SPORT1-Informationen daher auch wichtig, dass die Arbeit in Frankfurt nicht nur als Projekt verstanden wird. Im Optimalfall soll eine lange Ära geprägt werden.
So will Krösche den Profi besser kennenlernen
Doch dafür müssen auch die sportlichen Entscheidungen sitzen. Krösche folgt bei der "Zusammenstellung von Gruppen" einer "Philosophie, einer sachlichen Ebene". Dabei blendet er den Faktor Mensch nicht aus: "Das Letzte ist es dann immer, ein Gespräch zu führen. Ich spreche in der Stunde meistens nie über den Fußball. Ich weiß, was er kann."
Bei der Suche nach dem richtigen Charakter steht Krösche dann im Mittelpunkt: "Ich erkläre ihm, welche Ideen wir mit ihm haben, wie wir ihn weiterentwickeln wollen. Das wollen die Spieler heute haben, sie wollen wissen, wie man sie weiterentwickelt."
Perspektiven aufzeigen, die eigene Idee erklären und einen Dialog starten: "Ich arbeite viel mit Fragen. Ein Spieler erzählt wenig von sich aus, das ist dann eher ein Monolog. 'Erzähl mal was' habe ich probiert, das war relativ schwierig. Da wusste ich nachher nicht wirklich viel von dem Spieler." Krösche möchte dabei herausfinden, was die Interessen des Profis sind und wie dessen Beziehung zu Eltern und Umfeld ist.
Kritikfähigkeit als Basis für Weiterentwicklung
Zwei Fragen sind für ihn dabei von elementarer Bedeutung: "Was ist deine größte Stärke und was deine größte Schwäche? Da geht es mir drum, herauszufinden, kann er sich gut einschätzen?" Kritikfähigkeit - so Krösche - sei das A und O bei der Weiterentwicklung: "Wenn da jemand sitzt und sagt: 'Ich weiß nicht, der Trainer war schuld, die Mitspieler waren zu schlecht, ich habe immer Pech in meinem Leben, normalerweise bin ich eigentlich Nationalspieler.' Dann hat mein Trainer ein Riesenproblem, ihn weiterzuentwickeln."
Doch genau um diese Weiterentwicklung geht es permanent. Und diese kann nicht stattfinden, wenn die Spieler keine Mannschaft bilden. "Wenn ich zwei Spieler habe, der eine hat deutlich mehr Fähigkeiten, der andere passt aber charakterlich besser in unsere Mannschaft, dann nehme ich immer denjenigen, der besser reinpasst." Ein funktionierendes Gebilde könne "individuelle Defizite" ausgleichen und eine schwierige Phase besser überstehen.
"Eine Mannschaft ist wie ein Puzzle", zeichnete Krösche ein Bild. Und dieses Puzzle muss für das Erreichen von Zielen passen: "Ich kann meinem Trainer nicht einen Haufen dort hinstellen und sagen: 'Viel Glück'. Es muss schon funktionieren. Du kannst nicht nur mit Indianern und nicht nur mit Häuptlingen gewinnen. Es kommt immer auf die Mischung an."
Krösche-Rolle in Leipzig zuletzt nicht mehr klar
Bobic, der nach fünf erfolgreichen Jahren in Frankfurt bei Hertha BSC anheuert, gelang diese gute Zusammenstellung regelmäßig auf hohem Niveau. Der Europameister übernahm die Frankfurter 2016 kurz nach deren Sieg in der Relegation gegen den 1. FC Nürnberg. Fünf Jahre später haben die Hessen viele Teams hinter sich gelassen, wurden Pokalsieger 2018 und träumen nun von der Königsklasse. (Spielplan und Ergebnisse der Bundesliga)
Im Gegensatz zu Bobic, der dem Verein damals einen komplett neuen Anstrich verpassen musste, kann Krösche auf einem funktionierenden Gebilde aufbauen. Wie immer bergen Veränderungen auch Risiken. So war seine Rolle bei RB zuletzt nicht mehr klar, die Zusammenarbeit mit Geschäftsführer Oliver Mintzlaff lief SPORT1-Informationen zufolge nicht reibungslos ab. Zudem ist Krösche noch kein "fertiger Manager", er wird noch wachsen müssen.
Doch in Frankfurt überwiegt die Zuversicht, das Gefühl ist ein gutes. Krösche ist ein jüngeres Gesicht, er zählt mit Kollegen wie Sebastian Kehl, Simon Rolfes oder Marcel Schäfer zur "next Generation". Wo Risiken sind, da gibt es auch Chancen. Die Personalie Krösche jedenfalls ist eine für die Eintracht.