Seine berühmteste Anekdote kennt jeder Fußballfan.
Der größte Ententainer der Liga
Damals in Herne sagte der Schiedsrichter: "Herr Lippens, ich verwarne Ihnen". Und die "Ente" antwortete: "Ich danke Sie!" Es war der Beginn eines Fußballer-Lebens voller wunderbarer Geschichten.
Bei Rot-Weiss Essen fing 1965 für den halben Niederländer aus dem Kreis Kleve alles an. Schnell machte er sich einen Namen. Seine Spielweise und sein Sprachwitz ("Ich habe nie eine Torchance überhastet vergeben. Lieber habe ich sie vertändelt") begeisterten die Leute. Und seine Füße wurden von der Presse gefeiert und von den Fans bewundert.
Damals wurde der junge Willi Lippens gerne gefragt, seit wann er denn diese Senk-, Spreiz- und Plattfüße habe? Und der RWE-Profi antwortete dann stets lächelnd: "Seit ich in Holland die Berge plattgetreten habe." Seine Füße und sein besonderer Laufstil brachten ihm dann schließlich auch den legendären Spitznamen "Ente" ein.
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Lippens beweist "Ententainer-Qualitäten"
Was für eine spezielle Marke Lippens war und welch großartige "Ententainer"-Qualitäten sein Spiel auszeichneten, zeigen zwei Geschichten ganz besonders anschaulich. "Komm doch, komm doch!", rief Willi Lippens eines Tages dem Torwart der Frankfurter Eintracht, Peter Kunter, zu - denn der Essener stand nach einem wunderbaren Steilpass alleine am Strafraumeck und wollte den Torhüter listig aus seinem Kasten locken.
Und was machte Dr. Peter Kunter? Er tat Lippens den Gefallen. Drei, vier Schritte lief er der "Ente" energisch entgegen und musste dann mit ansehen, wie der "Knicker schön oben im langen Eck" (O-Ton Lippens) versenkt wurde. Es war das Tor zum 2:1 für Rot-Weiss Essen an diesem Nachmittag. Spektakulär erzielt.
Aber noch interessanter war: Am Ende stand es 6:3 für RWE. Doch dem Eintracht-Keeper war es fast egal. Er konnte Lippens nach dieser besonderen Einlage einfach nicht böse sein. Im Gegenteil. Hinterher schwärmte Kunter sogar von dem wendigen Essener in den höchsten Tönen: "Der war die halbe Bundesliga wert!"
Sepp Maier vertraut Lippens nicht
Eine andere Geschichte hätte noch mehr Schlagzeilen geschrieben - wenn sie denn tatsächlich geklappt hätte. Lippens ist bis heute enttäuscht, dass sein Kumpel Sepp Maier ihm damals nicht vertraut hat.
Lippens erinnert sich: "Wir haben mal gemeinsam eine Tennishalle eingeweiht, gegeneinander gespielt und abends beim Bier festgelegt, dass wir beim nächsten Spiel, wo wir aufeinandertreffen, folgendes machen: Da gibt es einen Torabstoß von Sepp, ich stell mich an den Sechszehner, er spielt mich an, ich spiel ihm den Ball zurück, lauf mich noch einmal frei und dann wirft er ihn noch einmal hinter mir her. Und alle im Stadion hätten sich gewundert, was passiert ist. Aber dann haben wir in Essen gespielt und ich habe da gestanden und gerufen 'Sepp, was ist denn jetzt los hier? Komm, komm.' Aber da hat er gesagt: 'Nix, du haust mir den rein'. Da war das Ding gelaufen."
Saufgelage im Auge des Tornados
Wie verrückt Willi Lippens in diesen Zeiten wirklich war, zeigt eine Story aus den Endsiebzigern, als der Essener in den USA bei den Dallas Tornados spielte.
Und der Name des Vereins war tatsächlich Programm, wie sich Lippens einmal - in seiner unverwechselbaren Art - erinnerte: "Wir haben da gesessen, der Gert Trinklein, ich und der Alex Stepley von Manchester United und wollten Spaghetti essen. Der Alex hat immer eine exquisite Soße gemacht, Fläschchen Scotch auch auf dem Tisch und dann haben sie im Fernsehen gezeigt, dass da ein Killertornado kommt. Genau da und da hin.
Ja, da haben wir natürlich erst einmal auf die Karte geguckt, wo wir denn überhaupt wohnen. Ist das vielleicht hier? Komm, kipp erst mal schnell noch einen ein. Und zack! Und dann wurde das Programm unterbrochen: Also, wenn es ganz ruhig wird, es dann Hagel gibt und die Hölle losbricht, setzt euch ganz schnell in die Badewanne und die Matratze über den Kopf und rührt euch nicht mehr. Oder unterm Türbogen. Das sind da ja alles nur Hundehütten.
Und wir wieder noch ein Glas und zong. ›Hörst du schon was? Nee? Dann ist ja noch alles normal!‹ Und wir wieder eingeschenkt. Und als die Flasche halbleer ist, läuft der Gert Trinklein plötzlich raus und ruft: ›Na, komm doch, du Idiot! Reiß doch alles ab. Was habe ich denn mit dir zu tun, Blödmann!‹ Drei Stunden später sind wir wieder raus. 200 Meter weiter lag alles rum und wir hatten uns schön einen gegeben. Unglaublich!" In der Tat.
"Ich hab gerufen: 'Berti fass'"
Die "Ente" erzählt auch heute noch gerne auf wechselnden Bühnen Geschichten aus der damaligen Zeit. Und so plauderte Willi Lippens eines Abends mal wieder mit seinem typischen, schelmischen Grinsen aus dem Nähkästchen.
Ob die Story allerdings tatsächlich stimmt - man weiß es nicht. Schließlich ist sie äußerst delikat. Aber vor allem ist sie aus Willis Mund auch einfach schön zum Anhören. Und deshalb zum Abschluss diese unglaubliche Anekdote wieder im Original-Wortlaut. Eine Geschichte über einen mysteriösen Geldboten, Berti "den Terrier" Vogts und die vermeintliche Ehrlichkeit der Menschen aus dem Ruhrgebiet.
Willi "Ente" Lippens: "Rot-Weiss war immer groß im Schieben. Wir haben mal versucht, ein Dingen in Gladbach zu kaufen. Wunderbar. Trainer hat uns auch vorm Spiel schön eingestellt: ›Regt euch nicht auf, die Sache läuft! Ist alles okay, geht alles glatt.‹ Der Berti hat aber wie immer schön von hinten getrommelt. Ich habe gerufen: ›Berti fass.‹ Auf jeden Fall habe ich mich gewundert, weil der weiter wie gewohnt auf die Hacken gegangen ist. Ich sag: ›Berti, wat ist?‹ Berti guckt mich blöd an: ›Wie? Wat is?‹
Das Ende vom Lied. Es ist nichts passiert. Wir haben verloren. 2:1. In der Kabine Totenstille. Ich sag: ›Trainer, wat war denn jetzt?‹ ›Ja‹, sagt er, ›scheiße.‹ Ich sag: ›Wieso scheiße?‹ Da sagt er: ›Der ist jetzt mit den 25.000 auf Mallorca. Der ist nie in Gladbach angekommen.‹ Dat is Rot-Weiss - clever wie immer. Die schicken einen los, der fliegt erst einmal ab. Und wir haben auf die Stäbe gekriegt und verloren. Schönen Dank auch! Da wollten die mal ein Spiel kaufen. Super Sache. Nee, die waren zu ehrlich. Typisch Ruhrgebietler. Immer ehrlich. Sieht man ja an Schalke in den Siebzigern…!"
Ben Redelings wurde 1975 im Flutlichtschatten des Bochumer Ruhrstadions geboren und ist Experte für die unterhaltsamen Momente des Fußballs. Das Buch zur SPORT1-Serie ist ein gern gelesener Bestseller: "Best of Bundesliga: Die lustigsten Legenden des deutschen Fußballs". Als SPORT1-Kolumnist schreibt Ben regelmäßig über die "Legenden des Fußballs" und "Best of Bundesliga".
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