Eigentlich wollte Friedhelm Funkel nicht zurück auf die Trainerbank. So hatte er es zumindest gesagt, als er im Januar 2020 bei Fortuna Düsseldorf beurlaubt wurde.
Funkel: "Das ist kein Wortbruch"
Es sollte seine letzte Trainerstation sein. Doch 13 Monate später ist der 67-Jährige wieder zurück. Für die letzten sechs Saisonspiele steht der erfahrene Fußballlehrer ausgerechnet bei Fortunas Erzrivalen, beim 1. FC Köln, an der Seitenlinie. Seine Mission ist klar: Klassenerhalt! (Spielplan und Ergebnisse der Bundesliga)
Im ersten Interview als FC-Trainer spricht Funkel bei SPORT1 über seinen Rettungsplan, den Vorwurf, Wortbruch begangen zu haben und den Grund für sein Umdenken.
SPORT1: Herr Funkel, warum tun Sie sich den FC an?
Friedhelm Funkel: Weil es ein überschaubarer Zeitraum ist und weil ich einfach den Fußball liebe. Und weil die Situation durch Corona so ist, dass ich meine Freizeit nicht wie geplant nutzen kann. Deshalb habe ich mich entschieden, nochmal für sechs Wochen diese Aufgabe beim FC zu übernehmen.
Funkel: "Manchmal kam Langeweile auf"
SPORT1: Wie sah Ihr Alltag in der Pandemie aus?
Funkel: Ich habe sehr viel Sport gemacht, bin zwei Mal die Woche ins Fitnessstudio gegangen, das ging damals noch. Ich bin viel gelaufen, habe ausgiebig gefrühstückt, viel gelesen, mich mit meinem Bruder getroffen und zwei Mal die Woche meine Mutter besucht. Ab und zu war ich mit meiner Frau spazieren und habe viel Fußball geschaut. Ich wusste mich schon zu beschäftigen, aber manchmal kam ein Stück Langeweile auf.
SPORT1: War es so schwer für Sie in der Coronakrise?
Funkel: Das geht jetzt schon sehr lange. Am Anfang war es noch erträglich, bei schönem Wetter konnte man sich immerhin draußen hinsetzen. Aber dann kam der Herbst und mit ihm die schlechteren Tage. Man konnte nicht mehr das machen, was man machen wollte. Corona wurde einfach nicht besser und auch Treffen mit Freunden brachen weg. So wuchs der Gedanke: 'Du könntest möglicherweise noch mal etwas machen'. Und dann kam die Anfrage des FC und ich sagte sofort 'Ich helfe euch'.
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SPORT1: Die Fortuna-Fans gehen deshalb auf die Barrikaden und werfen Ihnen Wortbruch vor, weil Sie damals gesagt haben, dass Fortuna ihr letzter Verein als Trainer sein wird. Und nun sind Sie beim Erzrivalen.
Funkel: Natürlich habe ich das damals gesagt. Aber die gesamte Lebenssituation hat sich durch die anhaltende Pandemie verändert. Und dann kann man auch schon mal einen Entschluss revidieren. Das ist für mich kein Wortbruch. Ich habe aufgrund der neuen Lage andere Überlegungen angestellt, und das sollte man jedem zugestehen. Ich kann die Fortuna-Fans aber verstehen.
SPORT1: Warum?
Funkel: Ich kann die Gedanken der Leute nachvollziehen und bin da auch keinem böse. Damit muss und kann ich leben. Deswegen hat sich an meiner Meinung über die Fortuna nichts geändert. Ich wünsche dem Klub nach wie vor das Allerbeste und darüber gibt es gar keine zwei Meinungen. Wenn Menschen anders darüber denken und das auch äußern, dann ist das so. Das ist ihr gutes Recht. Da bin ich nicht sauer. Aber ich hatte einen guten Grund für meine Entscheidung, dem FC zu helfen.
Corona hat Funkels Fußball-Sehnsucht wiederbelebt
SPORT1: Das heißt, Corona hat Ihre Sehnsucht nach Fußball wieder belebt?
Funkel: Ja, das kann man so sagen. Ansonsten hätte ich bestimmt andere Dinge gemacht, wäre zum Beispiel mit meiner Frau verreist. Alles ist anders geworden in der Welt. Ich sehe das nicht als Wortbruch. Das Recht für meine Entscheidung nehme ich mir aber heraus. Ich hoffe die Fortuna-Anhänger können das irgendwann verstehen.
SPORT1:Bei den FC Bossen gab es offenbar Zweifel, ob Sie das alleine hinbekommen. Einige Herren wollten, dass Sie das zusammen mit Peter Hermann machen. Wie gehen Sie mit dieser Skepsis um?
Funkel: Peter ist ein sehr guter Trainer, und ich hätte auch gerne mit ihm zusammengearbeitet. Aber er ist zu seinem Herzensklub Bayer Leverkusen zurückgekehrt, da war er insgesamt 30 Jahre. Das wird die Verbindung zwischen Friedhelm Funkel und Peter Hermann überhaupt nicht trüben. Wir sind befreundet und das werden wir auch weiterhin bleiben. Ich bin mit meinem Trainerteam beim FC sehr zufrieden. Ich hatte auch ohne Peter Erfolge, verstehe absolut, dass er das in Leverkusen machen wollte.
SPORT1: Im Januar hat es nach unseren Informationen bereits eine Kontaktaufnahme durch einen Mittelsmann des FC gegeben. Schon damals waren Sie Feuer und Flamme für den Job. Was sagen Sie dazu?
Funkel: Ich habe damals lediglich gesagt: Wenn es zur Trennung von Markus (Markus Gisdol, d. Red.) kommen würde, dann würde ich mir darüber Gedanken machen. Und so ist es auch bis vor einigen Wochen geblieben, als mich Horst Heldt anrief.
Funkel: Groß überzeugen musste er mich nicht, weil der FC ein toller Traditionsverein ist, bei dem ich vor 20 Jahren schon mal gearbeitet habe. Ich kenne den Klub also und weiß, was da auf mich zukommt. Das war damals eine sehr emotionale Zeit. Ich kenne auch noch einige Personen, die im Verein arbeiten. Köln ist wie Düsseldorf eine schöne und lebendige Stadt. Horst und ich haben uns über fachliche Dinge ausgetauscht. Ich bin froh, ihn an meiner Seite zu haben. Es ist wichtig. Horst ist ein Vollprofi, der schon lange im Geschäft ist.
SPORT1: Erich Rutemöller kennen Sie ja auch, oder?
Funkel: Genau. Er ist auch wichtig. Er berät den Vorstand, hat damals schon in Düsseldorf mit mir zusammengearbeitet und war 1990 mein Lehrer in der Fußballlehrer-Ausbildung. Mit ihm kann ich mich herrlich austauschen. All das hat mich dazu bewogen, das jetzt für die sechs Spiele zu machen.
Funkel: "Ich bin gut vorbereitet"
SPORT1: Wie gut kennen Sie die Mannschaft?
Funkel: Die erfahrenen Spieler kenne ich natürlich. In den zurückliegenden Monaten habe ich viel Bundesliga und 2. Liga geschaut. Ich habe in der ersten Phase der Corona-Zeit viele Klubs im Fernsehen verfolgt, natürlich auch den FC. Ich kann die Truppe, vor allem die älteren Spieler gut einschätzen. Dazu kommen gute junge Spieler. Ich bin gut vorbereitet. Wir alle können froh sein, dass der Ball rollt trotz Pandemie. Und dass viele Menschen das genießen können, denn viel kann man aktuell nicht genießen.
SPORT1: Max Meyer ist erst seit der Rückrunde beim FC. Er kam bei Markus Gisdol nicht ins Laufen. Wie wollen Sie mit ihm umgehen?
Funkel: Natürlich werde ich auch mit Max sprechen und ihn im Training beobachten. Er ist ein guter Spieler, daran gibt es keine Zweifel. Er hat nur leider lange nicht mehr gespielt. Er hat eine absolute Qualität und immer die Möglichkeit, in der Mannschaft zu sein. Ich bin davon überzeugt, dass Max seine Einsätze bekommen wird.
SPORT1: Sebastian Andersson war lange verletzt. Ihn haben Sie bei Ihrer Präsentation sehr gelobt. Warum?
Funkel: Weil er ein richtig guter Spieler ist. Und gegen Mainz hat man gesehen, wie sehr er vorher gefehlt hat. Er ist ein ausgezeichneter Strafraumspieler, den man immer anspielen kann und vor dem die Gegner Respekt haben. Sebastian ist groß, körperlich robust und er kann sich in der Luft durchsetzen. Der FC war am Sonntag in der Offensive besser, weil vorne jemand war, der sich in Flanken reingeworfen hat. Sebastian hatte monatelang Probleme mit dem Knie und man muss man einfach hoffen, dass er gesund bleibt.
SPORT1: Sie haben keine Zeit. Wie konkret sieht Ihr Rettungsplan aus?
Funkel: Das ist richtig. Deshalb bin ich froh, dass die Mannschaft körperlich in einem guten Zustand ist. Unter Markus haben die Jungs gut gearbeitet und sind von der Physis her richtig gut dabei. Da muss ich nichts machen. Es werden viele Gespräche stattfinden. Wir müssen es schaffen, auch das Quäntchen Glück zurückzuholen. Wir müssen etwas konzentrierter sein, durchschlagskräftiger und robuster werden und die Zweikämpfe noch besser angehen. Man hat zu leicht Gegentore kassiert. Wir müssen Spiele gewinnen, wenn wir über den Strich kommen wollen.
Funkel hatte "ein nostalgisches Gefühl"
SPORT1: Wie hat es sich angefühlt, als Sie am Dienstag wieder auf dem Trainingsplatz standen?
Funkel: Ich habe mich gut gefühlt. Ich stand zuletzt vor rund 15 Monaten auf dem Rasen. Es war ein nostalgisches Gefühl. Nicht weil ich auf dem Trainingsplatz stand, sondern weil ich wieder auf diesem Platz stehen konnte. Dort im Grüngürtel mit dem Geißbockheim im Hintergrund - da dachte ich 20 Jahre zurück. Es war ein schöner Moment.
SPORT1: Stimmt es eigentlich, dass Sie sich Ihre Retter-Mission mit 1 Million Euro vergüten lassen?
Funkel: Bitte wie viel? Jetzt wäre mir fast das Handy aus der Hand gefallen. Das ist sowas von weit hergeholt. Das ist utopisch. Ich habe ein gutes und faires Angebot bekommen, habe auch nicht eine Sekunde verhandelt und nichts gefordert. Das ist meilenweit entfernt von einer Million. Mir geht es auch nicht ums Geld. Man hat mir eine gewisse Wertschätzung entgegengebracht und da habe ich schnell gesagt "Horst, wir machen das so".
SPORT1: Machen Sie es aber auch, weil Sie noch eine Rechnung offen haben? Damals sind Sie mit dem Verein abgestiegen.
Funkel: Nicht unbedingt. Ich möchte es jetzt aber anders machen. Damals habe ich die Möglichkeit gehabt, das Team zusammen zu halten und wir sind nach dem Abstieg auch gleich wieder aufgestiegen. Das wird jetzt nicht der Fall sein, weil wir noch nicht abgestiegen sind.
SPORT1: Sie können Ihre Trainerkarriere mit dem Klassenerhalt total vergolden. Ein Abstieg zum Abschluss wäre ein schlimmer Kratzer. Haben Sie davor Angst?
Funkel: Nein. Ich habe in meine Leben noch nie Angst gehabt. Es kann passieren, dass wir absteigen, aber wir können auch die Rettung schaffen. Daran glaube ich! (Die Tabelle der Bundesliga)