Die Saison 2000/2001 war die Spielzeit des FC Schalke 04 – bis auf die letzten, sagenumwobenen vier Minuten.
Als Thorsten Legat die Hose hochzog
Doch das Spektakel begann für die Königsblauen bereits vor dem eigentlichen Start der Saison.
Denn Manager Rudi Assauer hatte in der Sommerpause eine irre Idee entwickelt, die zum großen Paukenschlag wurde.
Möller wechselte vom BVB zu S04
Kein Wunder. Denn auf so etwas Verrücktes muss man auch erst einmal kommen! Assauers Plan: Der BVB-Profi Andreas Möller sollte von Borussia Dortmund zum ewigen Rivalen FC Schalke 04 wechseln.
Ein Transfer, der dann tatsächlich auch weit über das gewöhnliche Maß hinaus für Furore sorgte.
BVB-Manager Michael Meier meinte damals mit einem verschmitzten Lächeln: "Möller hat mit seinem Berater bei uns um mehr Geld gepokert, gleichzeitig gesagt, er stünde bei einem anderen Klub im Wort. Dann hat er offenbart, dass er nach Schalke gehen will. Wir haben ihm nicht gesagt, dass er bekloppt ist. Aber gedacht haben wir es schon."
Für viele überraschend erkämpfte sich der Ex-Dortmunder jedoch recht schnell den Respekt der Schalker. Seine guten bis überragenden Leistungen und der hervorragende Start der gesamten Mannschaft halfen dabei natürlich sehr. Schalke spielte groß auf und gewann bereits bis zur Winterpause dreimal auswärts mit 4:0 (Berlin, Rostock, Dortmund).
Schalke gab Skandal-Kicker Legat 2. Chance
Doch Rudi Assauer hatte noch einen anderen Transfer abgewickelt, der ebenfalls für Aufsehen sorgen sollte. Thorsten Legat kam aus Stuttgart, wo er in Ungnade gefallen war. Weil Legat im Fitnessraum des VfB auf ein Poster, das seinen dunkelhäutigen Mannschaftskollegen Pablo Thiam mit einer Trinkflasche in der Hand zeigt, das Wort "Negersaft" geschrieben hatte, musste er die Schwaben verlassen.
Nur Assauer und der FC Schalke 04 hatten noch ein Herz für Legat gezeigt und ihn aufgenommen. Doch der gebürtige Bochumer hatte sofort wieder nur Unsinn im Kopf. Als das offizielle Mannschaftsfoto der Schalker geknipst werden sollte, raunte ihm von der Seite sein Mitspieler Olaf Thon zu: "Legat, wenn du deine Hose bis zum Anschlag hochziehst, bekommst du von mir 500 Mark." Aus dem Hintergrund schaltete sich Andreas Möller ein und meinte: "Ich erhöhe auf 1.000!"
Da ließ sich Legat nicht lange bitten, schob das Trikot in die Hose und zog diese bis unter die Achseln hoch. Ein Bild für die Götter! Und das dachten sich offensichtlich auch die Verantwortlichen des legendären "Kicker"-Sonderheftes in Nürnberg. Tatsächlich schaffte es genau dieses Foto ins Magazin. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!
Dumm nur, dass Manager Assauer, als er das Heft drei Wochen später früh morgens in den Händen hielt, nicht viel Sinn für Humor zeigte: "Mensch, Thorsten, was haste jetzt wieder angestellt? 20.000 Mark Geldstrafe, 5.000 Mark in die Mannschaftskasse und noch ein Essen für alle obendrauf." Als Legat einwendete, dass sich das für ihn aber nicht rentieren würde, da er doch nur 1.000 Mark bekommen hätte, schmiss Assauer ihn nicht nur hochkant aus seinem Büro – sondern seinen prall gefüllten Aschenbecher hinter dem verdutzten Legat noch hinterher.
Bayern entriss Schalke Meisterschale
Zehn Monate später war es Rudi Assauer, der vollkommen fertig in den Seilen hing. Mit tränenerstickter Stimme meinte der schwer angeschlagene Manager am Abend dieses legendären Tages: "Wenn es einen Fußballgott gibt, ist er ungerecht. Der ist für mich gestorben."
Zuvor hatten die Anhänger des FC Schalke 04 auf dem Rasen des Parkstadions mit ansehen müssen, wie der FC Bayern München im Hamburger Volksparkstadion in aller letzter Sekunde die Meisterschaft klar machte. Vier Minuten hatten sich die Königsblauen bereits als Titelträger gefühlt – nun wurden sie nachträglich zum "Meister der Herzen" erklärt.
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Und Legat? Der hielt sich tapfer und dachte an eine andere Geschichte aus seinem Leben zurück. Eines Tages hatte er verletzt in München im Wartezimmer des berühmten Doktor Müller-Wohlfahrt gesessen.
Und nachdem er schon eine lange Zeit dort zugebracht hatte, ging auf einmal die Tür auf und herein kam: Pierre Brice, der bekannte Winnetou-Darsteller. Doch dem Schauspieler ging es offensichtlich nicht gut. Er schrie vor Schmerzen. Gestützt auf seine Frau trat er nun langsam ins Zimmer.
Und weil er selbst nicht reden konnte, fragte seine Gattin den wartenden Thorsten Legat, ob es denn möglich sei, dass ihr Mann, der ja vor Schmerzen schrie, vielleicht vorgelassen würde – doch Legat machte es kurz und eindeutig: "Nee".
Und dann schob er einen Satz hinterher, den man sich einfach nicht ausdenken kann. Legat schaute empört zum großen Winnetou-Darsteller Pierre Brice hinüber und meinte: "Außerdem dachte ich, Indianer kennen keinen Schmerz!"
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Ben Redelings wurde 1975 im Flutlichtschatten des Bochumer Ruhrstadions geboren und ist Experte für die unterhaltsamen Momente des Fußballs. Sein aktuelles Werk "Das neue Buch der Fußballsprüche" verkauft sich sprichwörtlich wie das gut gekühlte Stadionbier. Als SPORT1-Kolumnist schreibt Ben regelmäßig über die "Legenden des Fußballs" und "Best of Bundesliga".
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