Die 0:1-Niederlage gegen den FC Bayern im wohl vorentscheidenden Duell um die Meisterschaft war für Borussia Dortmund schon schwierig genug zu verkraften. Mit seinen kryptischen Aussagen nach dem Spiel sorgte Lucien Favre im Anschluss dann noch für reichlich Wirbel.
Zorc: "Führen keine Trainerdebatte"
Auf die Frage, ob der BVB-Trainer nun eine Debatte darüber befürchte, dass er mit den Dortmundern einfach keine Titel gewinnen könne, sagte der Schweizer bei Sky: "Das sagt man hier seit Monaten schon. Ich lese keine Zeitung. Ich weiß, wie es geht, und werde darüber in ein paar Wochen sprechen. Ich bleibe ruhig und vertraue in mir."
Das trat eine Spekulationswelle los. Will Favre das Kapitel BVB schon im Sommer beenden? Dem ist mitnichten so, wie Favre am Mittwoch erklärte, flankiert von unterstützenden Äußerungen von BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke.
Im Gespräch mit SPORT1 erklärt BVB-Sportchef Michael Zorc, was Favre wirklich gemeint hat und wie er die Niederlage gegen den FC Bayern einordnet. Den Kommentar von Bayern-Vorstand Oliver Kahn zu Jadon Sancho nimmt er mit Humor.
SPORT1: Herr Zorc, mit seinen Aussagen nach dem Spiel hat Lucien Favre für Wirbel gesorgt. Ist die Sprachbarriere sein größtes Problem?
Michael Zorc: Lucien hat sich unmittelbar nach dem Spiel in einem Moment sicher etwas missverständlich ausgedrückt. Die Jungs verstehen ihn alle, und genau das ist wichtig. Wenn er in einem Interview mal falsch verstanden wird, dann stellt er das klar. Das hat Lucien nun direkt und sehr deutlich getan, weil es ihm ein Anliegen war. Es ging ihm einzig und allein darum, die Saisonanalyse erst in einigen Wochen vornehmen zu wollen. Alles gut.
SPORT1: Steht Favre nach der 0:1-Pleite gegen München intern zur Debatte?
Zorc: Wir führen sicher keine Trainerdebatte. Die gibt es auch nicht. Wir haben in der Rückrunde mit Lucien Favre hervorragende Leistungen gezeigt, haben auch gestern ein sehr ordentliches Spiel gemacht. Vor dem Anpfiff hatten wir 27 von 30 möglichen Punkten geholt, fußballerisch gab es viele positive Kritiken. Und das Spiel gegen Bayern war ja nun wirklich kein Offenbarungseid. Wir haben ein gutes Spiel gemacht. Um Bayern in dieser Verfassung aber schlagen zu können, muss man eben eine außergewöhnliche Leistung erzielen. Das haben wir nicht geschafft.
SPORT1: Warum nicht? Was hat gefehlt?
Zorc: Uns fehlte ein bisschen die Reife. Wir haben die Angriffe nicht zu 100 Prozent zu Ende gespielt, und wir hatten zu viele Fehler im Ballbesitz. Dann war es eben der eine Geniestreich von Joshua Kimmich, der das Spiel entschieden hat. So ein Spiel wird am Ende nach dem Ergebnis bewertet, das ist keine Frage. Aber schauen Sie sich mal die Statistik an. Das war ein ausgeglichenes Duell. Wir hätten in der Szene mit Jérôme Boateng einen Elfmeter bekommen können. Den kann man sicherlich geben. Dann hätte das Ganze auch in eine andere Richtung gehen können und wäre anschließend anders bewertet worden.
SPORT1: Von Sky-Experte Lothar Matthäus gab es nach dem Spiel deutliche Kritik an der Aufstellung von Favre. Er hätte Emre Can und Jadon Sancho von Beginn an gebracht. Wie sehen Sie das?
Zorc: Ich kann diese Kritik überhaupt nicht nachvollziehen! Ich habe die Aufstellung vor dem Spiel extra und ausführlich in TV-Interviews erklärt. Axel Witsel hatte nach mehrwöchiger Verletzungspause eine halbe Einheit mitgemacht, Can und Sancho sind nach ihren Verletzungen nicht voll im Saft. Zuvor hatten wir zwei Mal in der gleichen Konstellation überzeugend gewonnen. Die Niederlage jetzt an der Aufstellung festzumachen, wäre doch an den Haaren herbeigezogen. Man kann doch gegen Bayern nicht mit mehreren Spielern starten, die nach Verletzungen Trainingsrückstand haben.
SPORT1: Die Bayern sind nach dem Sieg in Dortmund auf dem Weg zum achten Titel in Folge. Hand aufs Herz: wie sehr ärgert es Sie, dass man wieder mit leeren Händen dasteht?
Zorc: Wir haben vor der Saison gesagt, dass wir wieder um die Meisterschaft mitspielen wollen. Wir haben es nicht geschafft, besser zu sein als Bayern. Jetzt können wir enttäuscht sein, kurz durchatmen, und uns dann für Sonntag ein neues Ziel setzen. Volle Fokussierung auf Platz zwei.
SPORT1: Oliver Kahn hat mit seinen Aussagen zu Jadon Sancho Spekulationen ausgelöst. Er meinte: "Es ist nicht das richtige Surrounding, um über etwaige Spielertransfers zu sprechen. Sancho ist ein sehr guter Spieler. Wir machen uns jeden Tag Gedanken, wer unsere Mannschaft verstärken kann. Alles zu seiner Zeit."
Zorc:(lacht) Oliver Kahn hat in seinem eigenen Surrounding sicher genug zu tun!
SPORT1: Wie fit ist Jadon Sancho wirklich?
Zorc: Er hat in Wolfsburg hervorragende Ansätze gezeigt. Wir hoffen, dass wir ihn schnellstmöglich wieder in Bestverfassung sehen.