Stell dir vor, es ist Revierderby - und kaum einer darf hin!
So erlebte SPORT1 das Geister-Derby
Das 96. Pott-Derby, das der BVB mit 4:0 gegen Schalke gewann, ging in die Bundesliga-Geschichte ein. Als erstes, das vor leeren Rängen ausgetragen wurde.
Vor genau 66 Tagen war ich als SPORT1-Reporter in Mönchengladbach beim Derby gegen Köln bereits beim ersten Geisterspiel der Bundesliga-Geschichte dabei. Doch diesmal war alles noch mal anders. Noch kurioser. Noch seltsamer.
Im Stadion herrschte für uns Reporter (zehn schreibende Journalisten und 23 Rechteinhaber durften rein), die Ordner, die Sanitäter und die vier Balljungen Maskenpflicht. Verrückt: Sogar die Auswechselspieler, die in Zwei-Meter-Abständen an der Seitenlinie auf ihren Sitzen Platz nahmen, mussten den Schutz tragen.
Gähnende Leere statt knisternder Derby-Stimmung
Während der strengen Einlasskontrolle mussten wir Reporter zunächst zwei Check-Posten durchlaufen. Zunächst bekamen wir einen Fragebogen in die Hand gedrückt. Ich leide NICHT unter typischen Symptomen einer Coronavirus-Infektion. Es liegt KEIN aktueller positiver Corona-Nachweis bei mir vor. Ich habe mich NICHT in den letzten 14 Tagen in einem Risikogebiet aufgehalten und hatte meiner Kenntnis nach in den letzten 14 Tagen KEINEN Kontakt zu einer positiv getesteten Person.
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Vier Kreuze. Danach ging es zum zweiten Posten: Temperatur messen. "Sieht gut aus", sagt die Dame, die mir ein Thermometer ins linke Ohr steckt. 36,8 Grad Celsius. "Sie dürfen rein!" Vorher werden aber noch schnell die Hände desinfiziert.
Der Blick in das leere Stadion tut weh. Wo normalerweise mehr als 80.000 Fans für heiße und knisternde Derby-Stimmung sorgen, herrscht gähnende Leere.
Aus den Lautsprechern läuft vor dem Anpfiff Gute-Laune-Musik. "Volare" oder "Heja BVB". Kurios wird es, als "You‘ll never walk alone" aus den Boxen dröhnt. Wo sonst 20.000 auf der "Süd" inbrünstig trällern, kommt nichts zurück. You walk alone!
Anweisungen bis auf die Tribüne zu hören
Vor dem Stadion versammeln sich rund 60 Reporter, darunter SPORT1-Kollege Lukas Rott. Internationale Kamera-Teams sind da von Sendern aus Japan, Brasilien, Norwegen, oder England. Sie alle schauen auf die Bundesliga. Ansonsten ist es total ruhig. Die Mannschaften fahren in jeweils zwei Bussen vor. Die Schiedsrichter reisen in ihren Privatwagen an, jeder für sich. Fanansammlungen gibt es (Gott sei Dank!) nicht - weder am Stadion, noch später in der Stadt.
Stadionsprecher Nobby Dickel begrüßt die rund 300 anwesenden Personen im Stadion zum "wohl ungewöhnlichsten Derby aller Zeiten".
Schiri Deniz Aytekin, der auch schon das Geister-Derby in Gladbach vor zwei Monaten leitete, pfeift die Begegnung an. "Kommt Männer, Spannung!" fordert Mats Hummels.
Auf dem Platz hört man fast jede Anweisung. "Ey, Männer, das ist zu einfach", moniert Mahmoud Dahoud. Als Jean-Clair Todibo und Erling Haaland in der 23. Minute vor einer Ecke aneinanderrasseln, hört man Aytekin rufen: "Ey, come here! Stop that shit!"
Wie früher auf dem Bolzplatz
Auf der Tribüne hört man jedes einzelne Wort des Sky-Kommentators. Sogar die Kamera-Auslöser der drei Fotografen und das Hilfssignal für den Schiedsrichter sind zu hören. Sobald einer der beiden Assistenten Abseits winkt, ertönt der schrille Piep-Ton. Pieeep!
Es hat etwas Ursprüngliches. was sich dort unten auf dem grünen Rasen abspielt. Back to the roots. Wie früher auf dem Bolzplatz. Die 22 Fußballer, die normalerweise von tausenden Fans angehimmelt werden, sind einfach nur 22 Fußballer, die dem runden Leder nachjagen. Die das tun, was sie so sehr lieben.
Kollege Rott ist während des Spiels im Dortmunder Kreuzviertel. Dort, wo die Kneipen an einem normalen Derby-Tag völlig überlaufen sind. Aber was ist in Corona-Zeiten schon normal?
In der Kneipe "Mit Schmackes" von BVB-Urgestein Kevin Großkreutz schauen rund 40 BVB-Fans mit dem nötigen Abstand. Jubel kommt beim 3:0 durch Thorgan Hazard und 4:0 durch Raphael Guerreiro schon auf. Aber in den Armen, wie sonst eigentlich, liegt sich hier niemand. Es ist ein seltsames Geister-Derby.
Noch seltsamer wird es nach Schlusspfiff. Die BVB-Spieler bilden nach dem Derby-Sieg eine Kette vor der "Süd".
Kurios.