Suchst du das Unglück, dann brauchst du nicht mehr tun als dich zu vergleichen. In diesem Satz liegt viel Wahrheit.
Warum es bei den Bayern brodelt
Wir kennen das alle. Man ist zufrieden mit dem eigenen Gehalt, hat sich über die letzte Gehaltserhöhung richtig gefreut bis man erfährt, was der Kollege, der genau die gleiche Arbeit macht, verdient. Das ganze Glücksgefühl, die Freude ist verflogen. Schlechte Laune breitet sich aus: Warum bekommt er mehr Geld als ich? Vergleiche sind die größte Quelle des menschlichen Unwohlseins.
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Insofern wundert es nicht, dass es im Teamgefüge des FC Bayern aktuell brodelt. Lucas Hernandez soll mehr als David Alaba verdienen, Manuel Neuer weniger als Coutinho? Stehen Spieler in Vertragsverhandlungen, schauen sie schon mal auf den Nebenmann und machen ihr eigenes Glücksgefühl davon abhängig, wie man im Vergleich zu Spieler X entlohnt wird. Ein schlechter Plan. Der erste und wichtigste Schritt wäre deshalb zunächst einmal, unabhängig vom Außen für sich eine Zahl zu benennen, an denen man den eigenen Erfolg, das eigene Glück festmacht. Was wäre für mich eine Summe X, bei der ich zufrieden und glücklich wäre, egal was andere verdienen?
Die nächste wichtige Frage wäre, warum ist mir das so wichtig? Geld ist im beruflichen Zusammenhang immer noch ein großer Faktor, der an Wertschätzung gekoppelt wird. Bekomme ich viel Geld, heißt das übersetzt, ich bin dem Unternehmen, dem Klub viel wert. Wertschätzung wird aufs Monetäre übertragen. Gehaltserhöhungen werden als Bestätigung für eine Performance, eine Leistung betrachtet, deshalb ist Geld immer noch Motivationsspritze Nummer 1 in den meisten Unternehmen.
Auch im Fußball werden Euro-Beträge als Prämien oder Gehaltserhöhungen zur Motivationsspritze benutzt. Viele Menschen interpretieren ein hohes Gehalt immer als Ausdruck großer Wertschätzung. Dabei haben viele Studien bewiesen, dass die intrinsische Motivation, also eine Motivation, die von inneren Faktoren gespeist wird, viel nachhaltiger und stabiler wirkt. Dabei geht es um Dinge wie Verantwortung, Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeit, Langfristigkeit, Einbeziehung in Entscheidungsprozesse, Zugehörigkeit, etc.
Bayern-Spieler müssen wissen, dass sie öffentliche Personen sind
Wenn Manuel Neuer aktuell also über die Laufzeit, Gehalt, Perspektiven, seine Rolle im Verein verhandelt, sollte er sich auch immer wieder vergegenwärtigen: Worum geht es mir eigentlich? Wertschätzung, Anerkennung, Altersabsicherung, Geld…? Es liegt an ihm abzuwägen. Als Fußballer beim FC Bayern müssen Spieler wie Neuer oder Alaba allerdings wissen, dass sie auch immer öffentliche Personen sind. Da muss man damit rechnen, dass manchmal auch bestimmte Gesprächsinhalte an die Öffentlichkeit gelangen. Dass Neuer in den nächsten 5 Jahren 100 Millionen Euro verdienen wolle (nach Medienberichten und ohne Prämien) verändert bei vielen den Blick auf den Torhüter.
Mounir Zitouni - Autor dieses Textes - arbeitet als Business-Coach für Veränderung, Entwicklung und Persönlichkeit (www.mounir-zitouni.de). Als Ex-Profifußballer (unter anderem Kickers Offenbach und Eintracht Frankfurt) und ehemaliger Sportjournalist (kicker Sportmagazin) weiß er genau um die Anforderungen und den Druck in einem spannungsgeladenen und leistungsausgerichteten Umfeld.
Und selbst wenn es intern um ganz andere Dinge geht, die Sachlage von den Medien falsch dargestellt wird, in der Kommunikation ist nicht wichtig, was genau Person A zu Person B sagt, sondern das, was bei Person B ankommt. Damit will ich sagen, dass es am Ende nur essenziell ist, was auf der anderen Seite verstanden wird. Und gerade in der aktuellen Coronakrise nehmen viele Menschen die kolportierten Forderungen als Beispiel für abgehobene, nimmersatte Fußballprofis.
Manuel Neuer ist für viele ein Vorbild
Deshalb hat sich Neuer nun gemeldet und die im Raum stehenden Fakten dementiert. Wir wissen letztlich nicht, was stimmt, aber der Torwart tut gut daran, öffentlich zu signalisieren: Mir geht es nicht so sehr um Geld.
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Denn gerade Neuer ist ein Spieler, der in den letzten Jahren aufgrund seiner Persönlichkeit, Leistungen und seines Auftretens für viele zum Vorbild wurde. Die Menschen da draußen sehnen sich nach Menschen, denen sie nacheifern. Vorbilder heben sich ab, sie stehen ein Stück weit über den Dingen, sie beeindrucken mit Taten, Gesten, Haltungen. Die Menschen suchen Inspiration und plötzlich nehmen viele den vielfachen Welttorhüter als einen Spieler wahr, der so dargestellt wurde, als gehe es ihm nur darum: "Ich will mehr Geld als der oder der…"
Albert Schweitzer, bedeutender Denker des 20. Jahrhunderts, sagte mal: "Ein Beispiel zu geben ist nicht die wichtigste Art, wie man andere beeinflusst, sondern die einzige!" Die Menschen brauchen gerade jetzt Orientierung, sie wollen mit Beispielen, die sie erleben, Werte und Sinn für ihr eigenes Leben finden. Insofern liegt in den aktuellen Verhandlungen für Spieler wie Alaba und Neuer auch eine große Chance, ganz andere Werte in den Vordergrund zu rücken. Gerade in schweren Zeiten wie diesen.
Ein Hernández wird höchstwahrscheinlich nie den Status und die Beliebtheit eines Neuer oder eines Alaba erreichen. Insofern verfügen die beiden Spieler über etwas, was sich nicht in Geld aufwiegen lässt. Der Franzose würde wahrscheinlich große Teile seines Gehalts hergeben, wenn er nach vielen Jahren in einem großen Klub wie dem FC Bayern jemals so dastehen könnte wie Neuer oder Alaba. Manchmal gibt es im Leben wichtigere Dinge als Geld. Vielleicht ist es gerade der Zeitpunkt, darüber intensiver nachzudenken.
Die aktuellen Äußerungen Neuers lassen darauf schließen, dass er diesen Aspekt auch erkannt hat.