Beim letzten Heimspiel des Hamburger SV gegen den Karlsruher SC wurde Fußball-Geschichte geschrieben. Zum ersten Mal durften die Fans kontrolliert sogenannte "kalte Pyro" abbrennen.
Streitfall Pyro: Das wollen die Fans
Und nach dem Willen der HSV-Anhänger soll es nicht das letzte Mal gewesen sein: Wie der Verein unter Berufung auf eine interne Umfrage unter Dauerkarteninhabern mitteilte, würden es 89 Prozent der Befragten "begrüßen, wenn der HSV erneut Anträge für das Abbrennen von Pyrotechnik stellen würde".
Das kommt insofern überraschend, als dass eine groß angelegte Studie unter Fußballfans zuletzt ein ganz anderes Ergebnis zutage förderte: Demnach will die Mehrheit der Stadiongänger nämlich keine Pyrotechnik - im Gegenteil.
"Es ist ein Störfaktor. 66 Prozent wollen es nicht haben und empfinden es als störend im Stadion. Aus verschiedenen Gründen", sagt Prof. Dr. Alfons Madeja im Gespräch mit SPORT1.
Seine SLC Management GmbH, die mit verschiedenen Vereinen zusammenarbeitet, hat die repräsentative Studie durchgeführt. Befragt wurden über 5.000 Fußballfans aus der 1. und 2. Bundesliga.
Beim Thema Pyrotechnik sei besonders wichtig, dass immer deren Wirkung auf alle Fans berücksichtigt werden müsse, fordert "Bundesliga-Professor" Madeja. Das bedeute eben nicht nur die Fans aus den Nord- und Südkurven zu betrachten, sondern auch die restlichen Zuschauer im Stadion - was womöglich auch die krassen Unterschiede im Vergleich zur Befragung der HSV-Dauerkarteninhaber erklärt.
Pyrotechnik ist kein Teil der Fan-Kultur
Die Umfrage unter Fans verschiedener Vereine habe laut Madeja klar gezeigt, dass für die Mehrheit (75,8 Prozent) der Fans Pyrotechnik nicht zur Fan-Kultur gehört. Und damit noch nicht genug.
Exakt 66,8 Prozent der Befragten gaben an, dass sie das Abbrennen von Pyrotechnik sogar stört. Im Klartext: Zwei Drittel der Fans wollen keine Pyro in der Arena.
Da ist es auch egal, ob es sich bei der Pyrotechnik um "kalte Pyro", Bengalfackeln, Rauchkörper oder Knallkörper handelt. Während 45 Prozent bei "kalter" Pyrotechnik immerhin noch für eine Erlaubnis sind, wären es bei Knallkörpern gerade noch 1,3 Prozent.
Emotionalität der Fans
Angesichts dieser Zahlen stellt sich zwangsläufig die Frage, warum trotzdem regelmäßig Pyrotechnik im Stadion gezündet wird.
"Ganz klar, es ist die Emotionalität der Fans", meint Madeja, "und es ist doch auch in Ordnung, dass wir Fans aus allen Schattierungen haben, die sich auch besser als Fans sehen als andere. Aber sie können nicht diejenigen sein, die bestimmen dürfen, was in den Stadien letztendlich vor sich geht."
Er betont noch einmal: "Mehrheit heißt, man sollte alle berücksichtigen: den Vater mit seinem Kind, die Damen - und nicht nur die Nord- und Südkurve."
HSV-Erlebnis sollte nicht wiederholt werden
Mit Blick auf das Pilotprojekt im Hamburg hat die Umfrage ergeben, dass fast 70 Prozent der Befragten es nicht befürworten, dass der HSV auch in Zukunft weiter "kalte Pyro" abbrennen lässt.
Viele Fans seien "trotzdem der Meinung, wenn etwas über 200 Grad ist, ist es keine kalte Pyrotechnik und lehnen dies auch ab", erklärt Madeja das Abstimmungsverhalten. Unter den befragten HSV-Dauerkarteninhabern gaben nach Vereinsangaben jedoch 98 Prozent an, "dass sie ein sicheres Gefühl während des Abbrennens hatten".
Beim Einlaufen der Teams vor dem Spiel gegen den KSC wurden vor der Nordtribüne im Volksparkstadion kontrolliert zehn Rauchtöpfe in den Vereinsfarben Schwarz, Weiß und Blau gezündet, alles eingebettet in eine große Choreografie.
HSV-Spieler Lukas Hinterseer zeigte sich begeistert: "Wenn so eine Choreo noch mit Rauch untermalt wird, dann sieht das sehr gut aus", sagte er nach dem Spiel gegen Karlsruhe.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisierte hingegen die Pyro-Aktion, bei den Befragten der SLC-Studie gibt es zudem Zweifel, ob kontrolliertes Abbrennen das unkontrollierte in Zukunft tatsächlich verhindern würde.
Brauchen Fans eine Pyro-Alternative?
Auch Cornelius Göbel, Abteilungsleiter Fankultur beim HSV, erwartet nicht, "dass die Zündelei in allen Stadien nun abrupt aufhört. Es handelt sich um einen Prozess."
Die rege Beteiligung an der HSV-Befragung zeige jedoch, "dass es sich um ein wichtiges Thema handelt. Man hat gemerkt, dass das Experiment mit sehr hohen Erwartungen verbunden ist."
Professor Madeja rät zu einer Pyro-Alternative. Man müsse eine "andere Art von Erlebnis" - ähnlich wie Pyrotechnik - erfinden oder suchen.
Gleichzeitig appelliert er: "Liebe Fans, habt Verständnis dafür. Das ist - wie sagt man so schön: Widerspruch ist zwecklos - die Meinung der Mehrheit."