Lucien Favre hatte das Thema an sich abperlen lassen, wie so oft.
Favre gewinnt neuen Kredit beim BVB
"Mein Fall ist unwichtig", antwortete er vor dem Spiel bei Hertha BSC auf die Reporterfrage nach seinem persönlichen Schicksal als Trainer des BVB - das in dieser Partie offensichtlich auf dem Spiel stand.
Als er sein Schicksalsspiel dann gewonnen hatte, schien dann aber doch viel von ihm abzufallen. Völlig euphorisch reagierte er auf das hart erkämpfte 2:1 gegen die nun von Jürgen Klinsmann trainierten Berliner - für seine Verhältnisse zumindest. Mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht lief der zuvor angezählte Coach von Borussia Dortmund nach dem 2:1 (2:1) in Berlin auf seine Spieler zu, herzte einen nach dem anderen - auch Jadon Sancho, unter der Woche noch unangenehm aufgefallen, nun Schütze des wichtigen 1:0.
Zwar war der Sieg, der in der zweiten Halbzeit nach der Gelb-Roten Karte gegen Ex-Nationalspieler Mats Hummels (45.) mit nur noch zehn Mann errungen wurde, kein Glanzlicht. Für Favre war er in der Form, wie er errungen wurde, aber vielleicht letztlich sogar wertvoller, als wenn sein Team den Gegner an die Wand gespielt hätte (Service: Tabelle der Bundesliga).
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Favre: "Fantastischer Sieg"
"Es war ein fantastischer Sieg, sie haben alles gegeben", freute sich der Schweizer nach Abpfiff bei Sky und hob dabei vor allem die kämpferische und läuferische Leistung in der zweiten Hälfte hervor: "Ich habe in der Halbzeit gesagt: Wir müssen jetzt zeigen, dass wir eine Mannschaft sind." Das sei seinen Schützlingen gelungen. Sie hätten "intelligent gekämpft".
Favres Kapitän Marco Reus, ein großer Fürsprecher seines Weggefährten aus Gladbacher Zeiten, ergänzte: "Das war in der zweiten Halbzeit nur Leiden und Kampf."
Das glückliche Ende der Leidensgeschichte aber könnte Favre etwas neuen Kredit bei der BVB-Führung verschafft haben. Schließlich war und ist ja Kernthema der ewigen Favre-Debatte ja der Vorwurf, nicht genug Leidenschaft vorzuleben, nicht genügend Siegermentalität zu vermitteln, um solche Spiele zu gewinnen. Diesmal hat er es geschafft - und einen ähnlichen Einbruch wie beim 3:3 gegen Paderborn nach 3:0-Führung vor acht Tagen verhindert.
"Wir sind überzeugt, dass wir die Trendwende schaffen und heute war es der wichtige Schritt in die richtige Richtung", vermerkte Manager Michael Zorc. Ob die Dortmunder auch die weiteren Schritte gehen, ist die andere Frage. An diesem Tag aber war allen Beteiligten auf Dortmunder Seite anzumerken, wie befreiend das Erfolgserlebnis in der Hauptstadt für sie war - ein Erfolgserlebnis, das gerade in der zweiten Halbzeit am seidenen Faden hing.
Entscheidender Eingriff des VAR
Vor 74.667 Zuschauern im ausverkauften Berliner Olympiastadion hatten Sancho (15.) und Thorgan Hazard (17.) die Tore für die Borussen erzielt. Vladimir Darida (34.) brachte die Hausherren wieder ins Spiel. Noch wackeliger wurde es, als Ex-Hummels vor der Pause wegen zwei Foulspielen gegen Davie Selke mit Gelb-Rot vom Platz musste - unter Protest der BVB-Kollegen, die vor Hummels zweitem Foul eines von Herthas Dortmunder Leihgabe Marius Wolf wahrgenommen hatten.
Nur drei Minuten nach dem Wiederanpfiff schien der nächste Tiefschlag zu folgen: Selke traf nach Zuspiel von Marko Grujic ins Netz, Hertha jubelte - aber der VAR schaltete sich ein: Selke stand wenige Zentimeter im Abseits - Zentimeter, die womöglich entscheidend waren für dieses Spiel, den weiteren Saisonverlauf des BVB und Favres Zukunft in Dortmund (Bundesliga: Hertha - BVB im TICKER zum Nachlesen).
Dass die an diesem Tag zur Vergangenheit hätte werden können, hatte Zorc unmittelbar vor dem Spiel noch einmal deutlich gemacht. Auf explizite Nachfrage hatte er offen gelassen, wie es dann mit Favre weitergegangen wäre.
Hinterher wertete er den Auftritt des Teams als Bestätigung, "dass die Arbeit zwischen Trainer und Mannschaft sehr gut ist. Das hat man heute auch auf dem Platz gesehen, sonst bringst du hier heute nicht so eine Leistung, sonst bringt sich nicht jeder so ein für die Mannschaft."
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Jürgen Klinsmann betont das Positive
Der neue Coach der Gastgeber zeigte sich derweil gewillt, sich von der Niederlage nicht die Aufbruchsstimmung vermiesen zu lassen.
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"Das nervt schon, wir haben uns etwas mehr erhofft", sagte der trotz allem viel lächelnde und gut gelaunt wirkende Klinsmann, der vor dem Spiel die Zuschauer auf der Osttribüne spontan mit dem Handy gefilmt hatte: "Wir hätten mindestens das 2:2 verdient gehabt und haben gedacht, es erzielt zu haben. Dann wurde es nicht gegeben, und man kann drüber streiten. Die Mannschaft war gewillt, eine gute Leistung abzuliefern. Generell bin ich sehr zufrieden. Auf uns kommen bis Weihnachten sehr arbeitsreiche Wochen zu."
Die Berliner befinden sich weiter im Abstiegskampf und bis zum Jahresende noch ein anspruchsvolles Programm vor sich.