Borussia Dortmund schlitterte in den vergangenen Wochen in eine sportliche Krise. Dreimal in Folge spielte der BVB in der Bundesliga nur 2:2, was den hohen Ansprüchen des Vereins nicht genügen kann. (Tabelle der Bundesliga)
Schwachstellen des Favre-Systems
Ein Mann steht dabei besonders in der Kritik: Cheftrainer Lucien Favre. Die Bundesligisten scheinen den Schweizer immer besser entschlüsselt zu haben. Was genau sind die Schwachstellen des Favre-Systems?
Das System der Dortmunder ist momentan vor allem von zwei Dingen geprägt: vielen Ballbesitzphasen und einer tiefen Verteidigung. Beide Merkmale nutzen Gegner zum eigenen Vorteil. Der BVB möchte – insbesondere, wenn er nicht in Führung liegt – den Ball ungerne hergeben. Dieses Verhalten hat damit zu tun, dass Favre die Kontrolle über das Geschehen behalten will.
Keine Rhythmuswechsel im BVB-Spiel
Allerdings bleibt die Mannschaft dabei auch oft in einem gleichbleibenden Trott. Angriffe ähneln sich und sind vom Gegner leicht zu verteidigen. Die wichtigsten Dortmunder im Spielaufbau werden in Manndeckung genommen und Passwege im Zentrum blockiert. Gerade dann fällt dem BVB wenig ein. Und er ist selten in der Lage, das Tempo durch ein paar schnelle Passabfolgen und Sprints zu erhöhen und den Gegner zu überraschen.
Zudem ist Favre ein Verfechter der Strategie, wonach nicht viele Torschüsse, sondern nur die aussichtsreichsten Torschüsse zum Erfolg führen. Er verlangt von seinen Spielern, dass sie gegebenenfalls auch Angriffe abbrechen, wenn sie sich in keiner guten Feldposition befinden oder keinen Weg in den Strafraum finden, statt einfach mal aus suboptimaler Position einen Schuss zu wagen.
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Das führt zu einigen Rückpässen und untermauert das Bild des eher risikoarmen Spielstils der Dortmunder. "Unsere Ballbesitzphasen sind in Ordnung, aber ohne jede Gefahr für den Gegner", konstatierte Marco Reus nach dem 2:2 gegen den SC Freiburg am 7. Spieltag.
Tiefes Verteidigen ist kontraproduktiv
Natürlich kommt der BVB trotz dieser Probleme regelmäßig zum Torerfolg. Dafür ist die individuelle Qualität mit Reus und einigen anderen schlichtweg zu groß. Aber Torerfolge verschlimmern zumeist noch die taktischen Probleme der Dortmunder – so absurd das klingen mag. Denn insbesondere in Führung liegend zieht sich die Mannschaft oftmals stark zurück und verteidigt in tiefer Grundposition.
Das ist nicht ungewöhnlich für ein Favre-Team, wie vorherige Stationen seiner Trainerlaufbahn gezeigt haben. Aber der BVB ist nicht dafür gemacht, im tiefen 4-4-2 den eigenen Strafraum zu verteidigen. Offensivspieler wie Jadon Sancho oder Julian Brandt fühlen sich in solch einem System nicht wohl. Sie wollen viel lieber proaktiv verteidigen und schnellstens wieder an den Ball gelangen.
Zudem sind die beiden Viererketten im 4-4-2 sehr kompakt gestaffelt. Das heißt, die Dortmunder decken vor allem die Mitte ab und lassen die Flügel ein Stück weit offen. Doch gerade über die Flügel haben sie in den letzten Wochen – etwa gegen Eintracht Frankfurt und den SC Freiburg – in Führung liegend Gegentore kassiert. Gegner wissen, dass sie am besten mit mehreren Flügelspielern auf der Außenbahn angreifen. Gerade mit nachstoßenden Bewegungen von Außenverteidigern, die also mit etwas Verzögerung nach vorn sprinten, hat der BVB seine Probleme.
Borussia Dortmund mit Pressing erfolgreich
Der eher behäbige Angriffsstil sowie die vorsichtige, teils passive Verteidigungsweise ergeben momentan ein Bild, das eben auch schon die Frage aufwarf, ob es bei den Dortmundern an Mentalität und Einstellung mangelt. Dabei spielen sie eigentlich mehr oder weniger nach den Vorstellungen Favres.
Interessanterweise hat der BVB in dieser Saison aber auch schon bewiesen, dass er anders auftreten kann. Gegen Bayer Leverkusen zum Beispiel lieferte er sich ein Pressingduell und gewann die Partie mit 4:0. Grundsätzlich sind die Ergebnisse für Dortmund immer besser, wenn sie hohes und aggressives Pressing spielen und damit auch Konterangriffe forcieren.
Dem BVB liegt vor allem schneller Fußball mit offenen Räumen, in die die tempostarken Angreifer hineinstoßen können. Natürlich wird nicht jeder Gegner diese Räume freiwillig gewähren. Aber Favre bleibt bis jetzt den Beweis schuldig, ob er überhaupt einen Matchplan für diesen schnellen Fußball hat.