"Man muss feststellen, dass wir es in dieser Saison noch nicht geschafft haben, ein Spiel über 90 Minuten dominant zu bestreiten."
Darum ist Kimmich der Chefkritiker

Joshua Kimmich überraschte am frühen Samstagabend mit einer Klartext-Kritik. Soeben hatte sein FC Bayern mühselig 3:2 beim SC Paderborn gewonnen und erstmals in dieser Saison die Tabellenführung erobert. (DATENCENTER: Die Tabelle der Bundesliga)




Kimmich konnte sich darüber aber nicht so recht freuen und monierte mit seinen 24 Jahren "die Art und Weise", wie man derzeit die Siege einfahre. Zwar ab und an durchaus deutlich, aber selten überzeugend.
"Kein Spieler" sei damit "zufrieden". Für Kimmich Grund genug, behaupten zu können: "Wir laufen unserem Anspruch hinterher."
Zwar äußerten sich auch Trainer Niko Kovac und Sportdirektor Hasan Salihamidzic nach Abpfiff selbstkritisch und auch andere Spieler kamen zu Wort. Derart deutlich wie Kimmich analysierte die Bayern-Lage aber niemand.
“Kimmich hat natürlich Recht", meinte SPORT1-Experte Stefan Effenberg, selbst jahrelang der Münchner Leader, im CHECK24 Doppelpass. "Trotzdem hätte ich mich nach dem Spiel nicht so hingestellt und gesagt, dass alles besser werden muss."
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Warum immer wieder Kimmich?
Es ist klar, dass der Dauerbrenner mit seinen meinungsstarken Worten automatisch an seinem Image des Anführers schraubt. Er ist jemand, der nicht verlieren kann – egal ob Trainings- oder Pflichtspiel. Kimmich geht auch verbal voran und sagt, was er wahrnimmt.
Ohnehin gilt er für viele Experten als designierter Nachfolge-Kapitän von Manuel Neuer – sowohl bei den Münchnern als auch in der Nationalmannschaft. Öffentlich für sich beansprucht hat er dieses Amt bislang nicht - wird aber nicht nur von Experten längst als Anführer seiner Generation gesehen.
Kimmich trägt den stolzen und nimmersatten Mia-san-Mia-Gedanken vielleicht auch deshalb derart offensiv nach außen, wie kaum ein Zweiter.
Er ist ein emotionaler Typ, wie er selbst sagt, schreit nach Fehlern im Training, er klopft sich wachrüttelnd auf die Brust, freut sich intensiv über jedes Bayern-Tor, legt sich mit Balljungen an, die das Spiel nicht schnell genug machen, und setzt neuerdings im Mittelfeld Zeichen, in dem er auch mal den Rambo gibt, wenn die Bayern schwächeln. So, wie es einst auch Mark van Bommel und Arturo Vidal im Zentrum taten.
Schaltzentrale Mittelfeld statt Rechtsverteidiger
In die Mittelfeld-Zentrale hat ihn Kovac in dieser Saison nahezu still und heimlich fast dauerhaft installiert. Kimmich selbst stellte auch immer wieder klar, dort am liebsten dauerhaft spielen zu wollen – wie in der Nationalmannschaft. Grund: Mehr Einfluss auf das Spiel und auf die Mitspieler. In Paderborn wirkte er sogar sicherer als Thiago, den Kovac frühzeitig runternahm.
Die Position des Rechtsverteidigers füllte zuletzt auch Benjamin Pavard passabel aus, weshalb sich Kimmich neben dem Spanier austoben durfte.
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Kimmich gegen Tottenham wieder hinten?
Da Pavard aber gegen Paderborn enttäuschte, sich falsche Laufwege und Stellungsfehler leistete, die Kimmich dort selten passieren, könnte es für ihn bereits am Dienstag in der Champions League gegen die Tottenham Hotspur zurück auf seine angestammte, aber nicht favorisierte Position in der Viererkette gehen. (Champions League: Tottenham Hotspur - FC Bayern, ab 21 Uhr im LIVETICKER)
Kimmich wird darüber wohl nicht meckern, betonte aber in Paderborn, dass es auch für ihn "immer gut" sei, "wenn man Rhythmus aufbauen kann und man zwei, drei Spiele auf der Sechs machen kann. Dann ist es für mich etwas einfacher, als wenn alle zwei, drei Wochen gewechselt wird."
Kimmich besitzt die Gabe, sich rhetorisch auch derart äußern zu können, dass klare Botschaften, auch gegen die eigenen Bosse, nicht als Affront bewertet werden müssen, sondern als Klartext an der Kante des Akzeptablen.
Widerspruch zu Hoeneß, Forderung nach Transfers
Dies gelang ihm zuletzt auch, als er indirekt Uli Hoeneß in der Causa Neuer versus Marc-André ter Stegen widersprach. Als er bei SPORT1 vor Saisonbeginn Neuzugänge forderte. Oder als er sich auf die Seite der ausgebooteten Thomas Müller, Mats Hummels und Jérôme Boateng stellte und Bundestrainer Joachim Löw für dessen Vorgehen rügte.
Deutlicher soll er zuletzt intern geworden sein, als er nach dem 2:2 gegen Hertha BSC Kovac lautstark für dessen späte Einwechslungen kritisierte. Da er sich am nächsten Tag entschuldigte, entging er allerdings einer Geldstrafe.
Vielleicht auch deshalb, weil man ihm dies neuerdings zugesteht. Schließlich ist er seit dieser Saison von Kovac in den Mannschaftsrat befördert worden, dem auch Neuer, Müller, Robert Lewandowski, David Alaba und Thiago angehören.
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Gier nach großem Titel treibt Kimmich an
Kimmichs enormer Ehrgeiz liegt auch darin begründet, dass er trotz seines noch jungen Alters zwar immer gesetzt ist, auf einen großen Titel, mit dem man Spieler aber auch lange nach dem Karriere-Ende in Verbindung bringt - WM, EM, Champions League -, aber noch warten muss.
Diese Erfolge sind sein großes Ziel. Bei SPORT1 sagte er sogar: "Die Champions League zu gewinnen ist mein Kindheitstraum. Das war auch ein Grund, warum ich damals hierher gewechselt bin."
Kimmichs Zahlen und Titel sprechen bereits jetzt für sich: 44 Länderspiele (drei Tore), 180 Pflichtspiele für den FC Bayern (17 Tore/ 43 Assists), national alles gewonnen, was es zu gewinnen gab (viermal Deutscher Meister, zweimal Pokalsieger). Was fehlt, ist der ganz große Coup.
Kimmich fordert Ausrufezeichen in Champions League
In der Königsklasse wurmte ihn daher vor allem das frühe Vorjahres-Aus gegen den FC Liverpool im Achtelfinale.
Umso motivierter ist Kimmich, diese Saison auch international nach dem Höchsten zu greifen und am Dienstag in London zu bestehen.
"So ein Spiel ist etwas Besonderes. Da können wir mal wieder ein Ausrufezeichen setzen, dass wir international noch auf der Bildfläche sind. Das wollen wir tun", sagte Kimmich und fügte hinzu: "Wenn man mich fragt: Ich will da auf jeden Fall gewinnen."