Als Borussia Dortmund vor einer Woche im Heimspiel gegen Hertha BSC in letzter Minute den Sieg verspielte, stellte sich Marco Reus vor die Mikrofone und machte eine Ansage.
Warum Reus beim BVB so wichtig ist
"Die letzten Minuten haben wir etwas naiv gespielt. Wir müssen cleverer sein und nicht immer vier, fünf Tore schießen. Auch ein 2:1 gibt drei Punkte", monierte er. Zuvor, nach dem 4:0 gegen Stuttgart befand Reus, man habe in der zweiten Hälfte "kein richtiges Mittel gefunden" - und versprach, dass man diese Phase noch analysieren werde.
Als Kapitän, zu dem ihn sein Cheftrainer Lucien Favre im Sommer machte, waren das keine Aussagen, die man besonders hervorheben müsste. Wer aber weiß, dass derselbe Spieler vor nicht allzu langer Zeit am liebsten einen großen Bogen um jedes Mikro gegangen wäre, kommt aus dem Staunen nicht heraus.
Fußballerisch war der heute 29-Jährige schon immer eine Ausnahmeerscheinung. In seiner Persönlichkeit hat er aber in der letzten Zeit einen riesigen Schritt gemacht - und das hat viel mit dem Kapitänsamt zu tun.
"Reus hat eine wahnsinnige Qualität"
"Ein Kapitän muss ein Vorbild für die anderen Spieler sein. Wir zählen auf Marco, dass er den Job gut macht", sagte Favre über seinen neuen Spielführer. Ein Kniff, mit dem der Schweizer Trainer offenbar die Persönlichkeitsentwicklung seines Schützlings förderte.
Seine Mitspieler geraten angesichts Reus' Leistungen längst ins Schwärmen. "Marco ist einer der besten Spieler der Liga, wahrscheinlich sogar derzeit der beste. Er hat eine wahnsinnige Qualität. Es ist großartig, neben ihm auf dem Platz stehen zu dürfen", sagte Jacob Bruun Larsen, nachdem sein Spielführer den BVB in Wolfsburg zu einem 1:0-Sieg geschossen hatte.
Es war bereits sein neunter Pflichtspieltreffer in der laufenden Saison, sieben Torvorlagen hat er zudem gesammelt. Nicht zuletzt dank konstant starken Leistungen ihres Offensivstars ist der BVB seit Favres Amtsantritt im Sommer noch immer unbesiegt. Vor dem Duell mit dem FC Bayern München am kommenden Samstag hat der BVB vier Punkte Vorsprung auf den Rekordmeister. (Bundesliga: Borussia Dortmund - FC Bayern, Sa., 15.30 Uhr im LIVETICKER)
Es scheint so, als sei der Nationalspieler in diesen Wochen und Monaten der beste Reus aller Zeiten.
Reus endlich verletzungsfrei
Bei der Frage nach den weiteren Ursachen der Leistungsexplosion lohnt ein Blick in seine Krankenakte. Zehn Tage lang musste er im Oktober während der Länderspielpause wegen leichter Kniebeprobleme pausieren - ansonsten hat er seit sieben Monaten keinerlei Beschwerden mehr.
In den Genuss einer so langen verletzungsfreien Phase ist Reus seit seinem Wechsel von Mönchengladbach nach Dortmund im fernen Jahr 2012 nicht mehr gekommen. Für Reus selbst ist die Sache klar: "Ich habe immer betont: Wenn ich gesund bin, kann ich der Mannschaft helfen."
Wobei "helfen" noch untertrieben ist. Wer gesehen hat, wie sich Reus beim Pokalkrimi gegen Union Berlin den Ball in der 120. Minute schnappte und ihn zum 3:2-Sieg in die Maschen drosch, weiß, dass er für Dortmund längst unbezahlbar ist.
"Druck habe ich beim Elfmeter nicht verspürt. Du musst dir sicher sein, wohin du schießt. Alles andere musst du ausblenden. Ich weiß vorher, wohin ich schieße", sagte er nach dem Einzug ins Achtelfinale.
Alleskönner in der Offensive
Neben seiner Nervenstärke besticht Reus durch fast alle Komponenten, die im modernen Fußball wichtig sind: Er ist noch immer wieselflink, läuft pro Spiel im Schnitt elf Kilometer, ist technisch brillant - und hat spieltaktisch noch einmal einen Schritt nach vorne gemacht.
Beim 1:1 in Hoffenheim kam Reus im Laufe des Spiels auf drei verschiedenen Positionen zum Einsatz: Von der Rolle des Spielmachers wurde er in die Spitze beordert und kam am Ende über den linken Flügel. Seine Läufe dosiert er mehr als früher, weil er mit der Erfahrung besser erkennt, wann es sich lohnt, loszusprinten.
Reus übernimmt auf und neben dem Platz Verantwortung, zu ihm schauen die Jungstars wie Bruun Larsen oder Jadon Sancho auf. Und Favre? Der zeigt sich immer wieder verwundert, warum man ihn immer über die Stärke seines Kapitäns ausfragt. "Er ist einfach gut", sagt er dann gewohnt sparsam.
Aber auch der Trainer dürfte wissen, dass sein Spielführer in diesen Tagen der beste Marco Reus aller Zeiten ist.
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