Auf Neu-Trainer Niko Kovac warten beim FC Bayern sofort große Herausforderungen: Robert Lewandowski und Jerome Boateng will er halten, die WM-Verlierer aufbauen, mit dem Team will er ein neues System einstudieren.
So will Kovac die Bayern umbauen
Pünktlich um 11 Uhr startete Niko Kovac am Montagvormittag in sein zweites Bayern-Abenteuer. Diesmal als Trainer, nachdem er bereits von 2001 bis 2003 als Spieler für den Rekordmeister auflief. "Ich weiß, was man tun muss, um hier erfolgreich zu sein", verkündete der neue Bayern-Trainer selbstbewusst.
Sportdirektor und Ex-Mitspieler Hasan Salihamidzic, der wie Kovac ein schwarzes Sakko zu weißem Hemd trug, musste während dieses Satzes schmunzeln.
SPORT1 erklärt, wie Kovac ab sofort die Bayern umbauen will!
Leistungsträger halten
Dass die Bayern-Stars Lewandowski und Jerome Boateng (beide Vertrag bis 2021) den Bayern-Bossen ihre Wechselabsichten mitgeteilt haben, ist bekannt. Geht es nach Kovac, werden beide Spieler jedoch bleiben. "Wir haben einen sehr starken Kader. Ich möchte zusehen, dass wir alle Spieler behalten können. Ich weiß aber auch, dass auf dem Transfermarkt viel passieren kann", sagte Kovac.
Lewandowski rief der Heynckes-Nachfolger sogar persönlich an. "Ich habe ihm meinen Standpunkt mitgeteilt. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit ihm und finde ihn klasse. Er ist ein Weltklasse-Stürmer, der viel für den Klub geleistet hat und in Zukunft sicher genauso viel für den Klub leisten wird", sagte Kovac.
Zu Boateng äußerte sich der Kroate so: "So glücklich ich in Frankfurt mit Kevin-Prince Boateng war, so glücklich werde ich sicherlich auch mit Jerome werden."
Auch mit Renato Sanches hat Kovac Großes vor. Nach einer erfolglosen Debüt-Saison konnte sich der Portugiese auch im Vorjahr bei Swansea City nicht durchsetzen. Kovac will dem Europameister von 2016 aber eine zweite Chance geben. "Ich freue mich auf ihn, denn er hat Qualitäten, die man in der Bundesliga nicht alltäglich sieht. Ich wünsche mir, dass er den Kampf annimmt."
Unklar ist dagegen weiter, ob Arturo Vidal zum Verkauf steht. Nach SPORT1-Informationen hat Atletico Madrid Interesse am chilenischen Mittelfeldstar bekundet. Der Vertrag des 31-Jährigen läuft noch bis 2019, entsprechend können die Münchner nur noch in diesem Sommer eine Ablöse generieren.
Mannschaft verstärken
Vor allem Sportdirektor Hasan Salihamdizic war zwar erneut darum bemüht, die vorhandene Stärke des Bayern-Kaders zu betonen. Zwei Namen wurden aber so kommentiert, dass man den Anschein haben könnte, dass die Bayern ihre Personalplanungen eben doch noch nicht abgeschlossen haben.
Über Frankfurts Ante Rebic, der mit Kroatien nach dem Sieg im Elfmeterschießen gegen Dänemark im WM-Viertelfinale steht, sagte Kovac mit einem Lächeln im Gesicht: "Er ist ein toller Spieler, der jeder Mannschaft gut zu Gesicht stehen würde."
Und über Gerüchte, wonach Bayern an Anthony Martial von Manchester United dran sein soll, sagte Salihamidzic schmallippig: "Verhandlungen sind interne Sachen, die wir nicht nach außen diskutieren. Wenn es was zu verkünden gibt, werde ich das mitteilen."
Die bislang einzigen Neuzugänge sind Serge Gnabry (Leih-Ende aus Hoffenheim), der bei der PK in schrillem Outfit erschien, Leon Goretzka (aus Schalke) und Rückkehrer Sanches.
Zudem bekommt Kovac neben seinem Co-Trainer und Bruder Robert mit Peter Hermann ab 1. September einen weiteren Assistenten zur Seite gestellt. Eine Personalie, die für Kovac zum Trumpf werden könnte, denn Hermann kennt den FC Bayern aus dem Effeff und unterstützte bis zuletzt auch Jupp Heynckes.
Stil behalten, neue Taktik einstudieren
Unter Jupp Heynckes kehrten die Bayern zum altvertrauten 4-2-3-1 System zurück. Viel Ballbesitz und kontrollierter Spielaufbau zeichnete die Münchner mit dieser Marschrichtung aus. Und was plant Kovac?
"Der FC Bayern hat seit Louis van Gaal (Bayern-Trainer von 2009-2011, d.Red.) einen Spielstil geprägt, der auch letztes Jahr gespielt wurde. Den wollen wir weiterhin beibehalten. Ich denke aber auch, dass wir das ein oder andere modifizieren werden. Möglicherweise auch in einem anderen Spielsystem", kündigte Kovac an.
Klares Ziel sei es, flexibel zu bleiben. Sich auch mal dem Spiel des Gegners anzupassen und nicht stur zu bleiben. "Man muss zusehen, was der Gegner macht und nicht mit einem System anfängt und aufhört. Wir müssen reagieren können und daher das ein oder andere einstudieren."
Bei den Hessen spielte Kovac bevorzugt in einem defensiven 5-1-3-2-System. In seinem zweiten Jahr ließ er bei den Hessen deutlich mehr Angriffsfußball spielen, agierte im Spielaufbau oftmals mit Dreierkette. Eine Option, die auch bei Bayern zum Vorschein kommen könnte.
Trainings-Einheiten intensivieren
"Vorbereiten heißt arbeiten. Wir müssen zusehen, dass wir die nötige Fitness an den Tag bringen und uns technisch und taktisch verbessern. Ich bin ein Typ, der gerne arbeitet", kündigte Kovac an. Vor allem die Bayern-Bosse wird diese Einstellung freuen, denn vor allem unter Carlo Ancelotti war offensichtlich, dass die Trainingseinheiten zu lasch waren und die Spieler daher nicht auf konditionellem Top-Niveau agieren konnten.
Heynckes zog mit seinem Trainer-Team die Zügel wieder an, die Bayern waren merklich fitter. Kovac wird nochmal eine Schippe drauflegen, denn schon in Frankfurt waren seine Einheiten gefürchtet. Teilweise ließ er fast drei Stunden am Stück trainieren, wechselte ständig zwischen Pass- und Sprintübungen, Spielformen und Trinkpausen.
Mit den Bayern (aber ohne die WM-Spieler) wird er im Rahmen der Audi Summer Tour zunächst ein Trainingslager in den USA absolvieren (23. bis 30. Juli). Anschließend schuftet der gesamte Kader im Trainingslager in Rottach-Egern am Tegernsee (2. bis 9. August). Kovac zur Vorbereitung: "Wir können es uns nicht erlauben, locker in die Saison zu gehen. Die ersten vier Saisonspiele haben es in sich."
WM-Verlierer aufbauen
Den sieben deutschen Nationalspielern sowie der bereits ausgeschiedene Lewandowski bekommen von Kovac vier Wochen Sonderurlaub, müssen erst am 25. Juli ins Mannschaftstraining anreisen und die anstrengende Amerika-Reise nicht mit antreten.
"Es ist ärgerlich, dass die deutsche Nationalmannschaft ausgeschieden ist. Aber als Bayern-Trainer bin ich darüber auch ein bisschen glücklich, weil ich jetzt alle Spieler etwas eher dabeihaben werde", sagte Kovac.
Sorgen, dass die Stars mit WM-Frust starten, hat er nicht. "Die Enttäuschung ist da, aber das werden sie im Urlaub vergessen. Ich bin davon überzeugt, dass sie am ersten Trainingstag motiviert sind. Ich erwarte absolute Leidenschaft und Ehrgeiz. Das werden die Spieler auch zeigen. Es sind Spieler, die sich selbst motivieren können und trotz der vielen Titel noch weitere gewinnen wollen."
Ribery und Robben antreiben
Die beiden Altstars Franck Ribery und Arjen Robben verlängerten ihre Verträge bis 2019, werden sich in ihren Stammplatz-Ansprüchen aber keinesfalls zurücknehmen. Dafür sind beide zu ehrgeizig. Kovac selbst gilt als extrem fordernd, erfolgsbesessen, ehrlich und direkt - auch gegenüber seinen Mitarbeitern.
Attribute, die im Umgang mit den beiden Oldies zum Vorteil werden könnten. "Es sind zwei Weltklasse-Spieler, die in ihrer Karriere Tolles geleistet haben, gerade für den FC Bayern. Sie bringen ein hohes Maß an Qualität mit", stärkte Kovac sie bereits vorab.
"Es sind impulsive Menschen. Ich habe auch das deutsche und kroatische in mir. Daher weiß ich, wie die beiden denken und fühlen." In den kommenden Tagen will Kovac den beiden Führungsspielern vor allem klarmachen, "wie wichtig sie sind".