Er ist der Mann, dem die Trainer vertrauen. Marc Kosicke hat sich als Berater auf Coaches spezialisiert und damit einen Namen gemacht.
So geht es weiter mit Klopp und Nagelsmann
Neben Jürgen Klopp vom FC Liverpool betreut der gebürtige Bremer aktuell fünf Trainer aus der Bundesliga. Zu seinen Klienten gehören unter anderem Hoffenheims Coach Julian Nagelsmann, David Wagner von Huddersfield Town und Augsburgs Manuel Baum.
Da der FC Bayern nach der Absage von Thomas Tuchel weiterhin einen Trainer für die kommende Saison sucht, fallen natürlich auch die Namen von Kosickes prominentesten Klienten immer wieder.
Im ersten Teil des SPORT1-Interviews erläutert Kosicke, wie die Zukunftspläne seiner Schützlinge aussehen, was das Besondere an der Arbeit mit Trainern ist und welches kaum zu erlernende Talent Klopp besitzt.
SPORT1: Herr Kosicke, wie oft haben Sie Kontakt zu Ihren Trainern?
Marc Kosicke: Völlig unterschiedlich. In der Regel, wenn es wichtig ist. Für Small Talk bleibt den Trainern wenig Zeit.
SPORT1: Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?
Kosicke: Was ist Erfolg? Mein größter Erfolg ist, jeden Tag mit Menschen zu arbeiten, die ich mag, die mich mögen und mir vertrauen. Ich mache keine falschen Hoffnungen, ich sage keinem 'Du trainierst mal Real Madrid. Und ich sage auch jungen Trainern: 'Augen auf bei der Berufswahl'. Wenn einer meiner drei Söhne mal Trainer werden will, würde ich ihm sagen: 'Überleg dir das gut, es ist ein harter Job und jeder Misserfolg wird öffentlich ausgeschlachtet.' Ich habe in meiner Zeit bei Nike große Teams geführt und Leidenschaft für das Thema Leadership. Das Aufgabenfeld des Trainers hat sich sehr verändert. Früher war der Trainer derjenige, der auf dem Platz stand und überspitzt gesagt hat: "heute alt gegen jung". Heute müssen die Trainer ganze Abteilungen an Spezialisten, Physiotherapeuten, Ernährungs-Beratern, Ärzten, Co-Trainern führen. Und die Pressearbeit ist durch das Internet und Social Media viel intensiver geworden. Und in dieser Konstellation Feedbackgeber mit einer Perspektive von außen für die Trainer zu sein, macht mir sehr viel Freude.
SPORT1: Wie sehen Sie die Entwicklung von Julian Nagelsmann? Er ist jetzt zwei Jahre Profitrainer. Anfangs war er der Kometentrainer oder Wunderknabe. Dann kam die erste Krise.
Kosicke: Die Geister, die er rief, für die wird er jetzt bestraft. Damals hat man in großer Hoffnung Julian Nagelsmann zum Cheftrainer gemacht, damit die TSG Hoffenheim nicht absteigt. Dann hat er den Klub sensationell gerettet und im nächsten Jahr den vierten Platz erreicht, womit sich die TSG das erste Mal in ihrer Geschichte für den internationalen Wettbewerb qualifiziert hat. Und er hat Spieler aus anderen Vereinen geholt, die dort gar nicht so gut waren, die er aber besser gemacht hat. Jetzt hat er viele dieser Spieler verloren wie Süle, Rudy, Wagner, demnächst Uth. Drei dieser Spieler hat der FC Bayern gekauft. Das ist schon mal ein Riesending. Diese Saison ist allein aufgrund der Doppelbelastung mit dem internationalen Wettbewerb ein Riesenerfolg.
SPORT1: Wie hat er sich verändert in den zwei Jahren?
Kosicke: In einem normalen Rahmen. Julian ist durch Erfahrung ein bisschen vorsichtiger geworden. Am Anfang war er wie so ein junger Hund auf der Wiese. Und auf einmal merkte er, dass er ein Leben unter der Lupe führt. Er ist erwachsener geworden. Dass er jetzt nicht jeden Tag als Wunderkind beschrieben wird, macht es eigentlich leichter für ihn.
SPORT1: Wie konkret war bisher das Thema Bayern für ihn?
Kosicke: Gar nicht konkret.
SPORT1: Er wurde aber eine Zeit lang immer als neuer Bayern-Coach genannt.
Kosicke: Ja, es war immer ein Thema, das außerhalb von Hoffenheim und München genannt wurde. Weder hat Bayern bei Hoffenheim angefragt, noch Julian Nagelsmann bei Bayern. Man erkundigt sich, hat sich über ihn schlau gemacht. Das passiert aber bei vielen Trainern, gehört einfach dazu. Außerdem hat Julian noch einen Vertrag. Er ist erst seit zwei Jahren Bundesliga-Trainer und kann das sehr gut einschätzen. Es ist schön, dass seine Arbeit wertgeschätzt wird. Ich glaube fest daran, dass er irgendwann Bayern München, Borussia Dortmund oder Arsenal trainieren wird, aber jetzt noch nicht. Er fühlt sich in Hoffenheim sehr wohl. Jetzt muss man schauen, wie es weiter geht. Der Verein setzt ihm natürlich auch einen Rucksack auf, indem gute Spieler verkauft werden. So nach dem Motto: 'Der Nagelsmann macht aus der nächsten Truppe auch wieder etwas.' Da muss man überlegen, ob das auf Dauer gut geht.
SPORT1: Dietmar Hopp macht auch nicht die Schatulle auf und holt gute Spieler. Lässt man Nagelsmann im Stich?
Kosicke: Ich weiß nicht, ob man ihn da im Stich lässt, aber schauen wir mal, was am Ende dabei rauskommt.
SPORT1: Wie lange sollte er noch in Hoffenheim bleiben?
Kosicke: Noch bis zum Sommer 2019.
SPORT1: Wäre das Ausland danach auch ein Thema?
Kosicke: Warum nicht? Das Leben ist dynamisch. Vielleicht bleibt er noch länger in Hoffenheim, weil es ihm dort doch gut gefällt, weil er etwas aufgebaut hat. Es kommt immer auf die Konstellation und das Momentum an. Sucht der Verein gerade einen Trainer, zu dem er passen würde? Ich würde nach Hoffenheim auch eine Pause nicht ausschließen. Dass er sich sagt: 'Ich weiß ich bin gut, werde irgendwann wieder einen neuen Job bekommen, aber jetzt schaue ich etwas über den Tellerrand hinaus.'
SPORT1: Und was sagt Ihr Gefühl?
Kosicke: Mein Gefühl ist, dass er auf jeden Fall zu einem Top-Klub in Deutschland passt.
SPORT1: Ihr bester Kumpel ist Jürgen Klopp. Warum funktioniert das so gut für ihn beim FC Liverpool?
Kosicke: Gute Frage. Ich glaube, dass Jürgen einfach eine Idee vom Fußball hat und die Eigentümer des Klubs haben von Anfang an gesagt, diese eine Idee braucht Zeit. Und Jürgen hat eine unglaublich gute Menschenkenntnis und weiß, welche Spieler dazu passen, nicht nur von ihren Fähigkeiten, sondern auch von ihrem Charakter her. Aki Watzke (Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer von Borussia Dortmund, Anm. d. Red.) hat einmal gesagt, es gebe viele gute Trainer für eine Mannschaft, aber wenn man einen Trainer braucht, der einen ganzen Klub und eine ganze Stadt mitziehen kann, dann ist das Jürgen Klopp. Das kann man auch nicht lernen, das hat er einfach.
SPORT1: Können Sie das beschreiben?
Kosicke: Jürgen schafft es, alle von seiner Idee zu überzeugen und lädt alle ein, dabei zu sein. Und das ist mit harter Arbeit, viel Leidenschaft und auch mit Rückschlägen, die man wegstecken muss, verbunden. Er hat diese außergewöhnliche Fähigkeit, immer das Energielevel bei allen hochzuhalten. Das Größte daran ist, dass er dabei immer 'The Normal One' ist. Wenn wir zusammen sind, reden wir über die normalsten Dinge der Welt, schauen Serien und spielen Tischtennis. Wir haben beide Sport studiert und kneifen uns hin und wieder mal. Er ist einfach dankbar für das Leben, dass er jetzt führt und dass er immer Jürgen Klopp sein darf. Auch als Trainer. Dadurch spürt er auch nicht so viel Druck, weil er sich treu bleibt.
SPORT1: Auch hier die Frage. Hat er sich in Liverpool verändert?
Kosicke: Er spricht sehr viel besser Englisch (lacht). Nein, ernsthaft, er hat sich überhaupt nicht verändert. Sein Leben hat sich verändert. Früher konnte er als erfolgreicher deutscher Trainer auch mal in die USA fahren. Oder nach Mexiko. Jetzt kennt ihn auch dort jeder. Das merkte ich, als er mich in Südafrika besuchte. Liverpool ist einfach eine globale Marke. Jeder erkennt ihn, auch mit Kappe. Er ist darüber hinaus auch nicht der Kleinste. Das ist ein bisschen schade. Jürgen kann sich nicht mehr so frei bewegen. Und deshalb ist er wohl auch am liebsten zu Hause mit seiner Frau und seinen Söhnen.
SPORT1: Ist Bayern die nächste Adresse für Jürgen Klopp oder steht das außer Frage?
Kosicke: Man muss sagen, Bayern war öfter mal ein Thema, weil Jürgen Uli Hoeneß sehr gut kennt. Aber es war nie der richtige Moment, wurde nie konkret. Damals war Franz Beckenbauer noch Präsident, 2006 stand Jürgen mit ihm gemeinsam auf der Bühne als TV-Experte. Die verstehen sich heute noch gut und haben Kontakt. Aber Jürgen kann durchaus seine Karriere als Trainer irgendwann beenden, auch ohne den FC Bayern trainiert zu haben.
SPORT1: Wird er noch lange in Liverpool sein?
Kosicke: Er hat einen Vertrag bis 2022. Und ich glaube, dass der Weg bis dahin noch nicht zu Ende ist. Aber da gehören auch immer mehrere Faktoren dazu. Was man nicht unterschätzen darf, wenn man nach England wechselt, ist diese nicht vorhandene Winterpause. Diese verkürzt die Lebenszeit. In der Zeit, in der der deutsche Trainer oder der deutsche Spieler Weihnachten feiert, in die Sonne fliegt, zurückkommt, wieder anfängt zu arbeiten, wieder in die Sonne fliegt zum Trainingslager. Das sind zirka vier Wochen und in dieser Zeit hat man in England 13 Spiele und keinen Heiligabend. Weihnachten geht es in das Hotel, Boxing Day, coole Kultur, aber 13 Spiele bei drei Grad, Wind und Nieselregen, keine Pause. Wie gesagt. Das Leben ist dynamisch.
SPORT1: Täuscht der Eindruck oder ist ein Jürgen Klopp inzwischen eine Nummer zu groß für den FC Bayern?
Kosicke: Nein, das ist Quatsch. Kein Trainer dieser Welt ist größer als irgendein Klub. Generell ist der Verein immer größer. Jürgen ist nicht zu groß für Bayern München oder Bayern München zu groß für ihn. Er könnte das durchaus sehr gut machen. Bayern und Klopp - das würde schon passen. Aber es ist nichts, was im Moment ein Thema ist.
SPORT1: Würde ihn Bayern überhaupt reizen?
Kosicke: Wir haben nicht darüber gesprochen, ob ihn das jetzt reizt. Aber einen der größten Klubs Europas zu trainieren, ist nichts, was nicht reizvoll ist. Es muss alles stimmen, es muss passen. Bayern sucht zwar für Sommer einen Trainer, aber Jürgen hat noch einen langen Vertrag. Jürgen macht sich momentan keine Gedanken darüber irgendeinen anderen Klub als die Reds zu trainieren.
SPORT1: Und er wird seinen Vertrag in Liverpool erfüllen?
Kosicke: Ich gehe davon aus.
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