Am Samstagmorgen klingelte bei Peter Hermann das Telefon.
Nervöse Bayern "lügen" sich zum Sieg
"Gegen 8 Uhr hat der Jupp angerufen. Er war gestern schon ein bisschen angeschlagen, es ging nicht bei ihm", berichtete der Assistent des Bayern-Cheftrainers.
Der 72-Jährige musste mit einem grippalen Infekt das Bett hüten und so dürfte der "ewige Co-Trainer" Hermann Bayern München im Topspiel gegen Schalke 04 betreuen - rund 22 Jahre nach seinem letzten Bundesligaspiel als Interimscoach bei Bayer Leverkusen.
"Ich war sehr nervös. Das ist schon etwas anderes als als Co-Trainer, zumal bei Bayern", sagte Hermann sichtlich erleichtert nach den 90 Minuten.
Denn auch unter dem Ersatzmann hielt die Erfolgsserie des souveränen Spitzenreiters an, wenngleich der 2:1 (2:1)-Heimsieg vor allem in der hochklassigen ersten Halbzeit hart erkämpft werden musste.
"Es war okay. Aber es war ein sehr schweres Spiel, weil Schalke gut gespielt hat. Das müssen wir uns nochmal anschauen", wollte Hermann hinterher nicht zu kritisch sein.
Hoeneß sicher: "Werden Meister"
Schließlich hat der Rekordmeister nach dem 22. Spieltag weiter 18 Punkte Vorsprung auf den Tabellenzweiten RB Leipzig, die 28. Meisterschaft ist nur noch Formsache und kann schon im März perfekt gemacht werden. (Die Tabelle der Bundesliga)
"Deutscher Meister werden wir, da bin ich mir sicher", sagte Präsident Uli Hoeneß im ZDF und freute sich zudem über "das beste Spiel seit langem in der Allianz Arena".
Entsprechend groß war das Lob für den Aushilfstrainer, zumal der Ausfall von Heynckes die Mannschaft völlig unvorbereitet traf.
"Ohne Jupp Heynckes hat zwar etwas gefehlt, aber es war jetzt auch nicht so schlimm, dass es gar nicht geklappt hätte. Peter Hermann hat das super gemacht, ist ein lässiger Typ", meinte Niklas Süle.
"Wir waren alle nervös"
Hasan Salihamidzic gab allerdings zu, dass schon eine gewisse Anspannung vor dem Anpfiff geherrscht hatte. "Wir waren alle nervös, weil wir wussten, dass es ein schwieriges Spiel wird", sagte der Sportdirektor.
"Aber Peter Hermann hat einen richtig guten Job gemacht. Er hat eine gute, besondere Rede gehalten und die Jungs motiviert. Ich bin stolz auf ihn, weil so eine Situation ja nicht jeden Tag vorkommt."
David Alaba lobte Hermanns Ansprache ans Team sogar als "überragend". Und Thomas Müller ergänzte: "Er hat gesagt, dass ihn unsere Mentalität, immer gewinnen zu müssen und zu wollen, beeindruckt, und dass wir das beibehalten sollten."
Lewandowskis Rekord und Müllers "Lügen"-Tor
Das gelang vor allem dank Müller, der an beiden Bayern-Toren maßgeblich beteiligt war. Beim 1:0 (6.) konnte Schalkes Torhüter Ralf Fährmann einen Distanzknaller des Nationalspielers nur nach vorne ablenken, wo Robert Lewandowski dankend abstaubte.
Es war das 19. Saisontor des Polen, der damit einen Bundesliga-Rekord seines Trainers einstellte: Er traf im elften Heimspiel in Folge, Heynckes war das 1972/73 gelungen.
Nach dem nicht unverdienten Ausgleich von Schalkes Franco Di Santo (29.) sorgte Müller dann selber für die Entscheidung, als er den Ball von der Außenlinie aus an Fährmann vorbei ins kurze Eck zum 2:1 schoss (36.).
"Der Trainer würde sagen, ich habe den Ball rein gelogen", witzelte Müller später bei Sky.
Und gestand: "Ich habe einfach versucht, den Ball vors Tor zu bringen. Dass er direkt ins Tor geht, war auch ein bisschen Glück."
Fehler von Fährmann
Fährmann nahm das Gegentor auf seine Kappe. "Ich wollte den Ball in die Mitte verteidigen und habe das kurze Eck aufgemacht. Das hätte ich gegen einen Thomas Müller aber wohl nicht machen dürfen“, sagte der 29-Jährige selbstkritisch:
"Das waren zwei bittere Gegentore, das ist klar. Wir haben das sehr gut gemacht, waren nah dran. Ich bin keine Maschine, ich hätte das gerne anders verteidigt."
Schon im Spiel gegen Werder Bremen vor einer Woche waren Fährmann zwei folgenschwere Fehler unterlaufen.
Tedesco nimmt Pechvogel in Schutz
Schalkes Trainer Domenico Tedesco nahm den Pechvogel aber demonstrativ in Schutz: "Den Schuss von Thomas Müller kann kein Torwart der Welt festhalten, es ist genau richtig, den Ball zur Seite oder nach oben abzuwehren. Beim zweiten Tor passt nicht viel mehr rein als ein Fußball. Ralf ärgert sich da am meisten drüber. Da kommt er gestärkt wieder raus."
Ansonsten wäre vielleicht mehr drin gewesen für die gut eingestellten Gäste, die vor allem vor der Pause mindestens ebenbürtig waren und mehrfach zu guten Chancen kamen.
"Ich habe natürlich keine gute Laune. Ich bin sehr enttäuscht, weil wir verloren haben", meinte S04-Sportvorstand Christian Heidel daher:
"Ich finde, dass wir das gesamte Spiel ein Gegner auf Augenhöhe waren. Wir hätten das Spiel nicht verlieren müssen. Wir hatten große Chancen, ein Unentschieden zu holen."
So aber kassierten die Gelsenkirchener ihre 50. Bundesliga-Niederlage gegen die Bayern, gegen die sie zuletzt vor fast sieben Jahren (2. März 2011) gewinnen konnten.
Glückwunsch-SMS von Heynckes
Peter Hermann, einst auch bei Schalke Co-Trainer, bekam dafür kurz nach Spielende Lob von seinem Chef.
"Ich denke, Jupp Heynckes hat vor dem TV am meisten mitgezittert. Er hat vorhin eine SMS geschickt, ich muss ihn gleich mal anrufen. Glückwunsch zum Sieg stand drin", erzählte er.
Angst um seinen Job muss sich Heynckes aber nicht machen. "Nein, nein, ich habe kein Blut geleckt", sagte Hermann.
Auch auf den Trainerplatz auf der Bayern-Bank hatte er sich nicht setzen wollen: "Der ist eine Nummer zu groß für mich."