Beim 0:4 gegen den AC Milan hatte der FC Bayern keine Chance. Trainer Carlo Ancelotti wirkte nach der Pleite ernüchtert. "Das Ergebnis hat mich etwas überrascht. Wir haben nicht gut gespielt und sind dementsprechend enttäuscht", sagte der Italiener.
Nach 0:4: FCB hadert mit "totem Tag"
Natürlich: Ancelottis Mannschaft steckt mitten in der Vorbereitung, die China-Reise kostet Kräfte, die Umstände im Stadion von Shenzhen waren mit 32 Grad im Schatten und 61 Prozent Luftfeuchtigkeit suboptimal.
"Dass es so heiß ist, überrascht natürlich", meinte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge am Sonntag in der Bild. "Man hat schon gemerkt, dass die Mannschaft müde war gestern. Gestern war der tote Tag. Man hat die Strapazen gemerkt.“
Dennoch sei es "natürlich nicht zufriedenstellend, wenn man 0:4 verliert. Jetzt müssen wir schauen, dass wir in Singapur zwei gute Spiele haben. Marketingtermine werden jetzt ein Stück weniger. Aber das Wetter ist leider, wie es ist.“
Mit dem musste allerdings auch Gegner Milan klar kommen. Und die Italiener deckten schonungslos mehrere Mängel im Spiel der Münchner auf.
SPORT1 nennt die aktuellen Schwachstellen der Bayern.
1. Defensive Organisation
Jedem Treffer der Italiener gingen Fehler in der Münchner Defensive voraus. "Die Tore für Milan fielen zu einfach. Ich denke, wir können viel aus dem Spiel lernen", analysierte der zur Pause ausgewechselte Mats Hummels.
Hummels selbst leitete mit einem sorglosen Fehlpass im Mittelfeld das 0:3 ein. Nach seinem Fauxpas schaltete die Mannschaft viel zu langsam von Offensive auf Defensive um.
Eine Schwäche, die die Bayern mehrfach zeigten. Immer wieder konnte Milan schnelle Konter fahren, immer wieder bekamen die Münchner zu wenige Spieler hinter den Ball.
Auch die Zuordnung bei Standards ließ zu wünschen übrig. Mit fatalen Folgen: Beim 0:2 kam Torschütze Patrick Cutrone völlig frei zum Kopfball, sein Gegenspieler David Alaba sah nur zu.
Das Abwehrverhalten bei Standardsituationen muss Bayern verbessern. Hier ist Ancelotti in der Pflicht.
2. Rechte Abwehrseite
Bis zum Ende der vergangenen Saison wurde die Position rechts hinten von einem absoluten Weltklasse-Spieler beackert, doch Philipp Lahm ist in Rente. Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge ernannte Joshua Kimmich öffentlich zu Lahms Nachfolger - was Rafhinha nicht akzeptieren will.
"Rummenigge kann sagen, was er will", schimpfte der Brasilianer: "Ich hoffe, ich bekomme jetzt mehr Einsätze. Die Qualität dafür habe ich."
Das konnte Rafinha gegen Milan allerdings nicht beweisen. Ganz im Gegenteil: Der 31-Jährige war an drei der vier Gegentreffer beteiligt.
Beim 0:1 ließ er Ricardo Rodriguez ganz in Ruhe den Ball annehmen und den Pass in die Mitte spielen. Beim 0:3 war seine Seite komplett verwaist, Rafinha lief stattdessen im Zentrum herum. Beim 0:4 gab er dem Torschützen Hakan Calhanoglu lediglich Geleitschutz.
So wird der Brasilianer kein ernsthafter Konkurrent für Nationalspieler Kimmich, der nach einer starken Leistung beim Confed Cup nicht an der Asienreise teilnimmt.
3. Defensives Mittelfeld
Auch im defensiven Mittelfeld schmerzt der Abgang eines Routiniers: Nach dem Karriereende von Xabi Alonso fehlt in Bayerns Zentrale eine ordnende Hand.
Zugang Corentin Tolisso konnte diese Lücke gegen Milan nicht ausfüllen. Der 22-Jährige war viel unterwegs auf dem Platz, strahlt aber zu wenig Ruhe aus. Exemplarisch dafür: Tolisso hatte freistehend die beste Torchance der Bayern, schoss aber überhastet nur ans Außennetz.
Beim 0:4 durch Calhanoglu sah der Franzose - genau wie Rafinha - nur zu, statt den Ex-Leverkusener zu attackieren.
Neben Tolisso kam Javi Martinez im defensiven Mittelfeld zum Einsatz, auch er konnte nicht für Balance und Absicherung gegen Milans gefährliche Konter sorgen.
In der zweiten Hälfte wurde zudem Renato Sanches eingewechselt, doch der Portugiese blieb einmal mehr blass. Seinen potenziellen neuen Klub Milan konnte er mit dieser Leistung sicher nicht von einer Verpflichtung überzeugen.
4. Planlose Offensive
Im Angriff bissen sich die Bayern an Milans Defensive regelrecht die Zähne aus. Der Großteil der wenigen Münchner Torchancen war mehr Zufallsprodukt, denn herausgespielt.
Robert Lewandowski wurde von seinen Kollegen nicht gut eingesetzt, der Pole sorgte höchstens bei Freistößen oder mit Weitschüssen für Gefahr.
Thomas Müller agierte fahrig, eine gute Gelegenheit machte er zunichte, als er sich verdribbelte, anstatt zu schießen.
Neuzugang James Rodriguez soll den Bayern vorne zusätzliche Optionen geben, doch Ancelotti brachte den Kolumbianer erst in Halbzeit zwei. Der Neuzugang fiel nicht weiter auf, wirkt noch wie ein Fremdkörper.
Die Bayern-Offensive muss wieder variabler agieren. Am Besten schon in den nächsten Tests am Dienstag gegen den FC Chelsea und zwei Tage später gegen Inter Mailand (beide Spiele LIVE im TV auf SPORT1).