Den Konkurrenten um Platz drei überholt, die direkte Champions-League-Qualifikation im Visier - Borussia Dortmund hat sich mit dem 2:1 gegen die TSG Hoffenheim eine glänzende Ausgangslage für den Endspurt in der Bundesliga geschaffen.
Wie sich Watzke von Tuchel entfernte
Zudem sind die Schwarz-Gelben im Pokal-Finale gegen Frankfurt der erklärte Favorit. Alles in Butter, sollte man meinen. In Wahrheit herrscht in Dortmund jedoch eine mehr als angespannte Atmosphäre, in der sich die Verantwortlichen über die Medien gegenseitig attackieren.
In den letzten Tagen verschärfte sich der Zwist durch die Aussagen von Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, der ganz unverblümt Risse im Verhältnis zu seinem Cheftrainer Thomas Tuchel einräumte.
Es gebe einen "klaren Dissens" zwischen den beiden, verriet Watzke in der WAZ - und brachte damit vor dem richtungsweisenden Spiel gegen Hoffenheim weitere Unruhe ins Team.
Doch was brachte den BVB-Boss dazu, eine derartige Äußerung in der Öffentlichkeit zu platzieren? War es die unterschiedliche Bewertung der Neuansetzung des Champions-League-Spiels gegen Monaco nach dem Anschlag auf den Mannschaftsbus?
Angesichts der sportlichen Erfolge, die Tuchel seit seinem Amtsantritt vor knapp zwei Jahren aufweist, kann die Aussage jedenfalls keine leistungsbezogene Ursache haben.
Auch der Runde im Volkswagen Doppelpass von SPORT1 bleibt das angespannte Binnenverhältnis zwischen Vereinsboss und Cheftrainer im Unklaren.
"Gezielte Spitzen in der Öffentlichkeit sind nicht nachvollziehbar, es ist eine sehr gute Saison bisher", sagte Stefan Effenberg - und bekam Unterstützung von SPORT1-Experte Armin Veh: "Ich glaube nicht an eine große Diskrepanz, die aus diesem Attentat entstanden sein soll."
Dass es aber in der Vergangenheit schon öfter Unstimmigkeiten zwischen Tuchel und der Dortmunder Vereinsspitze gab, ist offenkundig. SPORT1 begibt sich im zerrütteten Verhältnis der Dortmunder Verantwortlichen auf Spurensuche.
- Widerworte nach dem Attentat
Der Bombenanschlag gegen den Mannschaftsbus erschütterte nicht nur Team und Betreuer der Schwarzgelben - er legte auch das ambivalente Verhältnis der Verantwortlichen frei.
So sprachen Watzke und Tuchel nach der Neuansetzung des Champions-League-Hinspiels gegen Monaco mit unterschiedlichen Zungen. Niemand habe den Wunsch geäußert, nicht anzutreten, "auch am Folgetag nicht", stellte Watzke klar. "Es war uns zu gravierend, eine solche Entscheidung über die Köpfe aller hinweg vorzunehmen."
Tuchel und einige Spieler hatten sich dagegen über die Ansetzung nur einen Tag nach dem Anschlag beschwert. Der Coach kritisierte, "in die Entscheidung überhaupt nicht eingebunden" worden zu sein: "Das hat die UEFA in der Schweiz entschieden. Es war ein Gefühl der Ohnmacht."
Dabei bekam der Trainer Unterstützung von einigen Spielern. "Wir sind keine Tiere, wir sind Menschen, die Familie und Kinder zu Hause haben. Ich fühle mich wie ein Tier, nicht wie ein Mensch", sagte Innenverteidiger Sokratis.
- Zwist mit dem Chefscout
Dass zwei Angestellte eines Vereins nicht auf einer Wellenlänge liegen, ist nicht ungewöhnlich. Das Verhältnis zwischen Tuchel und Sven Mislintat, dem früheren Chefscout der Borussen, ist jedoch nicht nur unterkühlt - es gibt mittlerweile keines mehr.
Auslöser des Zoffs soll im vergangenen Sommer der angeblich monatelang vorbereitete, am Ende aber gescheiterte Transfer von Atletico Madrids Mittelfeldspieler Oliver Torres gewesen sein.
Die Funkstille mit dem mittlerweile zum Leiter Profifußball beförderten Mislintat, der uneingeschränkt von der Vereinsführung unterstützt wird, und Tuchel könnte erklären, warum der Coach beim Scouting von Talenten kaum eingebunden ist.
- Tuchel bei Kaderplanung übergangen?
Doch nicht dort war Tuchel offenbar nicht immer eingeweiht. So halten sich bis heute Gerüchte über die Rückholaktion von Mario Götze, die über Tuchels Kopf hinweg entschieden worden sein soll.
Drei Spieler, die der Trainer mit aller Macht halten wollte, verließen dagegen die Borussia - entgegen Watzkes Ankündigung.
"Ich habe gesagt, dass wir in dieser Saison definitiv nicht drei Spieler verlieren werden", hatte der BVB-Boss versprochen - und musste dann doch Mats Hummels, Henrikh Mkhitaryan und Ilkay Gündogan ziehen lassen.
- Streit über Saisonziele
Nachdem die drei Stammspieler dem BVB den Rücken kehrten, wollte Tuchel die verminderte Leistungsfähigkeit von der Klubspitze gewürdigt wissen. "Ihr Verlust bedeutet einen Einschnitt", klagte der Übungsleiter - und setzte daraufhin die Saisonziele nach unten.
Watzke und Sportdirektor Michael Zorc wollten jedoch nichts davon wissen, die direkte Champions-League-Qualifikation abzuschenken.
Nachdem der BVB überraschend in Darmstadt verlor, appellierte Tuchel: "Wir sind nicht nur das, was wir gegen Leipzig oder Bayern zeigen, sondern auch das, was wir gegen Darmstadt zeigen. Es wäre hilfreich, wenn das mal durchsickern würde."
Und an Watzke und Zorc gerichtet, schickte er hinterher: "Ich dachte, das ist intern schon angekommen."
- Unverständnis nach harscher Kritik
Nach der 1:2-Niederlage in Frankfurt holte Tuchel zum Rundumschlag gegen seine Mannschaft aus - und überraschte damit die breite Öffentlichkeit "Technisch, taktisch, mental, Bereitschaft - komplett. Unsere Leistung war ein einziges Defizit", ätzte der BVB-Coach.
Auch nach dem souveränen 3:0-Sieg gegen den HSV ging Tuchel auf Konfrontationskurs. "Das ist so ein Aufwand, den wir heute betrieben haben, da mir wird angst und bange, wenn ich an unser Programm denke", schimpfte er.
Was die Motivation des Trainers war, der sich üblicherweise hinter sein Team stellt, blieb im Verborgenen.