Max Eberl blieb besonnen. Angesichts der Schwere der Vorwürfe ist das bemerkenswert.
Was ist dran an Dominguez' Vorwürfen?
Denn Alvaro Dominguez fuhr nach der Verkündung seiner Invalidität schwere Geschütze auf, holte zu einem Rundumschlag gegen die medizinische Abteilung von Borussia Mönchengladbach aus. Borussia sei schuld, dass er seine Karriere beenden muss.
"Niemand hat einen Finger gerührt, um mir zu helfen. Es war bei Borussia kein Respekt vorhanden, keine Menschlichkeit", sagte der Abwehrmann der Marca, beim Radiosender Cadena Ser sprach er sogar von Selbstmord-Gedanken. Der Spanier schließt zudem eine Klage nicht aus.
"Wir sind für Alvaro da"
Eberl unterstrich am Donnerstag trotzdem erneut, dass der Verein Dominguez weiterhin unterstützen will. "Wir sind für Alvaro da", sagte der Gladbacher Manager.
Und das nach diesen heftigen Aussagen gegen einen Klub, der stolz auf sein familiäres Image und den Zusammenhalt ist. Ein Tiefschlag gegen die eigene Philosophie also. Was angesichts der Meldungen rund um Dominguez' Comeback-Versuch im Sommer, der Verein wolle seinen 2017 auslaufenden Vertrag aus Loyalität und Dankbarkeit verlängern, zumindest seltsam erscheint.
Doch ist die medizinische Abteilung tatsächlich unfähig, "nicht auf dem Niveau einer Spitzenmannschaft", wie es Dominguez formulierte?
Unter Favre kaum Verletzte
Zumindest ist es auffällig, dass die Borussia in der Ära Lucien Favre trotz teilweiser Dreifachbelastung die wenigsten Ausfälle der Liga vorzuweisen hatte, wie der Blog "Fußballverletzungen.com" festhält.
Die drei aktuellen Vereinsärzte arbeiten seit 2011 oder noch länger im Klub, immer wieder wurde die besondere und vertrauliche Zusammenarbeit zwischen Favre und den Medizinern gelobt. Dr. Stefan Hertl stellte in einem Interview mit der Rheinischen Post vor zwei Jahren zudem klar: "Bei Borussia spritzen wir niemanden fit."
Auch das war ein Vorwurf Dominguez' gewesen.
Favre selbst wartete zudem fast schon länger als nötig, bis er von Verletzungen kurierte Spieler wieder aufstellte, übte keinerlei Druck aus. Er hatte in enger Abstimmung mit den Physios ganz offensichtlich ein Händchen für die richtige Dosierung.
Seit Sommer 2015 mehr Verletzte
Anders sieht die Bilanz der vergangenen Saison aus, da hatte die Borussia die viertmeisten Ausfalltage zu beklagen.
Was in diese Zeit fällt, ist zum Beispiel der Abgang von Athletiktrainer Christian Weigl im Sommer 2015. Sein Nachfolger Klaus Luisser war nach einem Jahr schon wieder weg, der Express berichtete von Spannungen zwischen Luisser und Trainer Andre Schubert und unterschiedlichen Auffassungen über die Trainingsgestaltung und -belastung.
Gestiegen sind nach Favres Flucht im September 2015 vor allem die Zahl der Muskel- und Bänderverletzungen.
Nun kann niemand etwas für Kreuzbandrisse (Nico Schulz, Tony Jantschke, Patrick Herrmann) oder einen Schienbeinbruch bei Andre Hahn. Doch der damals nicht so breite Kader sorgte dafür, dass kaum rotiert werden konnte und die restlichen Spieler auf dem Zahnfleisch gingen. Die Folge waren besagte Muskelverletzungen.
Misere geht weiter
In dieser Saison geht die Verletztenmisere trotz eines breiteren Kaders allerdings weiter - und auch diesmal haben die Gladbacher zahlreiche Muskelverletzungen zu beklagen, wie bei Raffael, Herrmann, Ibrahima Traore, Andreas Christensen oder Tobias Strobl.
Ein Beweis für die Vorwürfe von Alvaro Dominguez sind die Fakten nicht. Dafür aber ein Hinweis, dass in der medizinischen Abteilung zumindest nicht alles rund läuft.