Turbulente Tage beim FC Bayern: Am Mittwoch verloren die Münchner das Champions-League-Hinspiel beim FC Porto mit 1:3, das Aus in der Königsklasse droht.
Das steckt hinter dem Ärzte-Eklat
Keine 24 Stunden später teilte der langjährige Bayern-Arzt Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt völlig überraschend seinen Rücktritt mit.
Drei weitere Ärzte legten ebenfalls ihre Ämter nieder. Offenbar eskalierte nach der 1:3-Pleite in Porto ein Streit, der schon länger schwelte.
SPORT1 erklärt die Hintergründe.
- Was ist passiert?
Am Donnerstagabend, keine 24 Stunden nach dem Spiel in Porto, erklärten Müller-Wohlfahrt, sein Sohn Kilian sowie Peter Ueblacker und Lutz Hänsel in einem Schreiben, die medizinische Abteilung sei "aus ihnen unerklärlichen Gründen für die Niederlage hauptverantwortlich gemacht" worden. Der 72 Jahre alte Müller-Wohlfahrt, der sich mit Unterbrechungen seit fast vier Jahrzehnten um die Profis des FC Bayern kümmert, sprach von einem "geschädigten Vertrauensverhältnis".
In Porto hatten dem FC Bayern mit Medhi Benatia (Muskelfaserriss), Franck Ribery (Knöchelprobleme), Arjen Robben (Bauchmuskelriss), Javi Martinez (Kreuzbandriss), David Alaba (Innenbandriss) und Bastian Schweinsteiger (Grippe/geschwollene Lymphknoten/Sprunggelenk) sechs Stars gefehlt.
Offenbar wurden auch die Mediziner vom Trainerstab um Pep Guardiola für das Verletzungspech verantwortlich gemacht. Das Ärzte-Quartett sieht "dadurch das für eine erfolgreiche medizinische Arbeit notwendige Vertrauensverhältnis nachhaltig beschädigt".
In der Pressekonferenz am Freitag machte Guardiola den Ärzten allerdings keine Vorwürfe und sagte: "Ich bin in der Verantwortung für diese Niederlage."
Es könnte nun noch weitere Rücktritte geben. Nach SPORT1-Informationen könnten auch einzelne Physiotherapeuten dem Beispiel von Müller-Wohlfahrt und Co. folgen.
- Was hat Ribery damit zu tun?
Der launische Franzose ist seit nunmehr fünfeinhalb Wochen verletzt. Offizielle Erklärung: Stauchung des Sprunggelenks.
Bei Ribery soll es mit den Beschwerden wie bei einer Achterbahn gewesen sein: ein ständiges Auf und Ab. Einmal fühlte er sich gut, einmal hatte er Schmerzen. Deshalb soll es auch am Donnerstag zu einem Krisengipfel in der Praxis von Müller-Wohlfahrt gekommen sein. Der Ausgang ist bekannt.
An der Säbener Straße halten sich hartnäckig Gerüchte, dass Ribery nicht nur den Rat des Bayern-Doktors eingeholt haben soll.
- Wusste der FC Bayern über die Entwicklung Bescheid?
Nein, die Münchner wurde von der Eskalation des Ärzte-Streits völlig kalt erwischt.
"Der FC Bayern München ist über diesen Schritt nicht informiert", sagte Medien-Direktor Markus Hörwick am Donnerstagabend zu SPORT1. Erst am Freitagmorgen versandte der Klub eine Presseerklärung, in der er Müller-Wohlfahrts Rückzug "mit Bedauern" zur Kenntnis nahm und ihm für seine Arbeit dankte.
- Wie reagieren die Spieler auf das Aus von Müller-Wohlfahrt?
Wie SPORT1 aus Spielerkreisen erfahren hat, sind die Profis vom Rückzug "total überrascht", aus ihrer Sicht hat sich das auch nicht angekündigt.
Selbst auf der Heimreise von Porto deutete sich nichts an.
- Wie werden die Spieler nun medizinisch versorgt?
Zunächst wird Dr. Volker Braun, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und Sportmediziner, die Mannschaft des FC Bayern bei ihren Spielen begleiten. Für die weitere Nachfolgeregelung soll zeitnah eine Lösung gefunden werden.
Braun ist bereits Doc der zweiten Mannschaft des Rekordmeisters. Praktisch: Seine Praxis hat er in der Säbener Straße, nahe am Trainingsgelände der Münchener. Trainer Pep Guardiola hatte des Öfteren moniert, dass verletzte Spieler bisher in Müller-Wohlfahrts Praxis in der Innenstadt mussten.
- War die Entwicklung abzusehen?
Ja und Nein. Auf der einen Seite galt das Verhältnis zwischen Trainer Pep Guardiola und Müller-Wohlfahrt schon länger als schwer belastet.
Guardiola soll irritiert über die herausgehobene Rolle des Bayern-Docs gewesen sein, auch darüber dass der Teamarzt seine Praxis nicht am Trainingsgelände hatte und die Spieler bei Blessuren stets den langen Weg in die Münchner Innenstadt zurücklegen mussten.
Immer wieder gab es zudem Konflikte, wie schnell verletzte Spieler wieder einsatzfähig sein sollten - Tendenz bei Guardiola: möglichst schnell. Tendenz bei Müller-Wohlfahrt: lieber etwas mehr Regeneration.
Anschaulichstes Beispiel: der Fall Thiago. Über die Behandlungs-Kompetenzen kam es zum Zerwürfnis zwischen Müller-Wohlfahrt und Guardiola. Thiago wurde zeitweise von Guardiolas "Leibärzten" in Barcelona betreut. Offenbar ohne vorher Rücksprache mit Müller-Wohlfahrt gehalten zu haben. Gut tat Guardiolas Wunschspieler das Hin und Her letztlich nicht. Ihm drohte nach drei Innenbandverletzungen im rechten Knie sogar ein frühes Karriere-Ende.
Zuletzt schien sich die Lage allerdings entspannt zu haben. Seit Anfang des Jahres kümmerte sich Müller-Wohlfahrts Sohn Kilian um die tägliche Arbeit mit der Mannschaft.
"Es ist die beste Lösung" , sagte Guardiola anlässlich des Amtsantritts von Müller-Wohlfahrt junior. Nun ist das Engagement bereits wieder beendet.
- Seit wann ist Müller-Wohlfahrt beim FC Bayern?
Mit Unterbrechungen seit 1977. Im Jahr 2008 trat der Orthopäde nach einem Streit mit dem damaligen Bayern-Trainer Jürgen Klinsmann schon einmal zurück, kehrte allerdings nach dessen Entlassung wieder auf die Bank des Rekordmeisters zurück. "Wir haben bislang jeden Trainer überzeugt, wir werden auch Guardiola überzeugen", hatte Müller-Wohlfahrt erst kürzlich gesagt.
- Bleibt Müller-Wohlfahrt Arzt der Nationalmannschaft?
Ja, Müller-Wohlfahrt wird dem DFB-Team weiter zur Verfügung stehen.
- Was macht Müller-Wohlfahrt so besonders?
Der Sportmediziner ist wohl der einzige Arzt in der Bundesliga, der selber ein Star ist. Nicht nur bei Sportlern, sondern auch bei Showgrößen gilt Müller-Wohlfahrt als Guru.
Sprinter Usain Bolt machte er fit für dessen Olympiasieg in London. "Er ist ein großer Mann. Er hat meine Muskeln behandelt, aber er war mehr als ein Arzt für mich", sagte der Jamaikaner damals. Ob Maria Höfl-Riesch, Boris Becker oder U2-Sänger Bono - Müller-Wohlfahrt machte sie alle fit.