Rund zweieinhalb Monate war Serdar Dayat Cheftrainer von Türkgücü München. In neun Spielen gab es zwei Siege, ein Remis und sechs Niederlagen. Vergangene Woche entschieden der Verein und der 51-Jährige einvernehmlich, "die gemeinsame Zusammenarbeit aus gesundheitlichen Gründen vor Vertragsende zu beenden". Doch dies wirft Fragen auf.
Türkgücü-Aus: Jetzt spricht Dayat
Im ersten Interview nach der Trennung spricht Dayat bei SPORT1 über seine Zeit beim Drittligisten und nennt den Grund für seinen Abschied. (Service: TABELLE der 3. Liga)
SPORT1: Herr Dayat, warum das plötzliche Aus bei Türkgücü? Sie sollen Rückenprobleme haben, hieß es. Oder wurde das nur vorgeschoben und es gab Unstimmigkeiten?
Serdar Dayat: Ich kam zu Türkgücü, um zu helfen. Ich bin in München aufgewachsen und habe für diesen Verein schon in der Jugend gespielt. Es waren somit auch emotionale Gründe im Spiel, als ich die Herausforderung annahm. Es war eine Herzensentscheidung und ich habe mit einem guten Gefühl angefangen. In der Folgezeit verflachte dieses Gefühl. Mein Rücken wurde dabei jedoch nicht in Mitleidenschaft gezogen. Meinem Rücken geht es demzufolge immer noch gut. Jedoch braucht ein Trainer ein harmonisches Umfeld und die nötige Ruhe, um effektiv arbeiten zu können. Diese Voraussetzungen waren leider von Anfang an nicht vorhanden.
"...weil mir der Klub am Herzen liegt"
SPORT1: Ein Vorwurf an die Verantwortlichen. Sie klingen verbittert.
Dayat: Ich bin ganz und gar nicht verbittert. Ich habe das bei Türkgücü für wenig Geld gemacht, weil mir der Klub am Herzen liegt. Auch zum Schluss bin ich dem Klub entgegengekommen. Das wissen die handelnden Personen auch.
SPORT1: Mit zwei Siegen in zehn Spielen in der Liga ist Ihre Bilanz ernüchternd. Wie bewerten Sie rückblickend Ihre sportliche Ausbeute? (NEWS: Alles zur 3. Liga)
Dayat: In der Liga stand ich in neun Spielen an der Seitenlinie, in denen wir zwei Siege und ein Unentschieden geholt haben. Im Toto-Pokal haben wir 1860 München und Unterhaching geschlagen und so den Weg in den DFB-Pokal im nächsten Jahr geebnet. Rückblickend war es natürlich durchwachsen. Jedoch muss man bedenken, dass die Voraussetzungen in meiner Situation ganz andere waren, als jene vor meiner Zeit.
SPORT1: Können Sie konkret werden?
Dayat: Unsere Trümpfe in der Offensive nämlich Sercan Sararer und Petar Sliskovic haben zusammen 23 Tore geschossen und 15 weitere Treffer vorbereitet. Das sind 38 Scorerpunkte. Türkgücü hat in dieser Saison insgesamt 44 Tore geschossen. Beide sind also für 86 Prozent aller Tore verantwortlich. Auf diese Offensivkräfte musste ich aufgrund Verletzungen weitgehend verzichten. Man muss sich dies vor Augen führen und differenziert betrachten, wenn es um meine Leistung geht. Vor meiner Zeit hat Türkgücü zum Beispiel mit Sercan im Kader durchschnittlich 1,5 Punkte geholt. Ich habe mit Sararer durchschnittlich 1,67 Punkte geholt.
"Da werden gerne voreilige Schlüsse gezogen"
SPORT1: Der einzige Grund?
Dayat: Außerdem gab es im Winter viele Jungs, die neu hinzu gestoßen sind zur Mannschaft, wie zum Beispiel Niemann, Maier, Awoudja oder Röser. Diese Spieler haben natürlich auch erst einmal eine Eingewöhnungszeit gebraucht. In Anbetracht der Umstände war es keine leichte Zeit für mich aber ich denke, dass ich das beste versucht habe herauszuholen. Im ersten Jahr als Aufsteiger haben wir die Liga gehalten und den Weg zum DFB-Pokal geebnet. So schlecht wie es dargestellt wird, sehe ich es nicht. Aber ich verstehe natürlich die Dynamik in der heutigen schnelllebigen Zeit des Fußballs. Da werden gerne voreilige Schlüsse gezogen. Aber ich bin das gewohnt. Dafür bin ich schon lange genug im Geschäft.
SPORT1: Sind Sie enttäuscht? Haben Sie Fehler gemacht?
Dayat: Enttäuscht bin ich nicht, da ich es wie schon erwähnt gewohnt bin, dass der Fußball schnelllebig ist und Entscheidungen gefällt werden. Ich kann aber nicht sagen, dass nichts falsch lief. Um in diesem Geschäft Erfolg zu haben, müssen Aufgabenbereiche klar definiert sein. Jeder muss nur für diejenigen Dinge verantwortlich sein, für die er auch zuständig ist. Diese klare Definition war in den zweieinhalb Monaten leider nicht vorhanden. Wenn diese klare Definition fehlt, ist Unruhe schon vorprogrammiert. Mein Fehler war, dass ich vertraut habe. Darauf, dass ich die gesunde Basis für eine erfolgreiche Trainertätigkeit geboten bekomme.
"Eine Sache der Erziehung"
SPORT1:Als Sie anfingen, beschwerte sich Peter Neururer, dass Sie Ihre Trainer-Lizenz nicht rechtmäßig erworben hätten. Wie fühlen Sie sich jetzt? Er dürfte Genugtuung empfinden.
Dayat: Herr Neururer hat versucht, sich über meine Person in den Vordergrund zu spielen. Das macht er gerne, auch wenn es um andere Personen geht. Das hat er auch in der Vergangenheit gezeigt. Es ist nicht meine Art, schlecht über andere Menschen öffentlich zu reden. Es ist vielleicht eine Sache der Erziehung. Aber Herr Neuruer muss selbst damit klar kommen. Ob er Genugtuung empfindet oder nicht, interessiert mich ehrlich gesagt nicht. Ich schaue auf mich und darauf, mich weiterzuentwickeln - sowohl menschlich als auch beruflich.
SPORT1: Wie sehen Sie Türkgücü aufgestellt? Ist der Aufstieg in die 2. Liga nächste Saison drin?
Dayat: Diese Saison war wichtig, um Stabilität hereinzubringen. Ich denke dieses Ziel wurde erreicht. Jedoch wird es in der nächsten Saison auch nicht einfach. Man sollte sich weniger auf den Aufstieg konzentrieren, als auf die Etabiierung klarer Strukturen und klar definierter Verantwortungsbereiche. Wenn das gelingt, kommt auch der Erfolg. Wenn dies nicht gelingt, kann es eine sehr schwierige Saison werden.
SPORT1: Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?
Dayat: Ich bin schon lange im Geschäft und habe bisher viel erlebt. Ich habe auch außerhalb Deutschlands gearbeitet, zum Beispiel in der Türkei, den Niederlanden, den USA, Schweden oder Bulgarien. Ich war Cheftrainer, Co-Trainer aber auch Akademieleiter. In meiner Zeit als Akademieleiter bei Fenerbahce war ich sehr eng vernetzt mit dem damaligen Sportdirektor Damien Comolli, der in der Vergangenheit beim FC Arsenal, Tottenham Hotspur, beim FC Liverpool und bei AS Monaco tätig war.
SPORT1: Gibt es noch Verbindungen dorthin?
Dayat: Ja, auch heute pflege ich regen Kontakt mit meinen ehemaligen Kollegen. Für die Trainertätigkeit bin ich definitiv weiterhin offen. Aber auch andere Tätigkeiten im Fußball würden mich reizen, da ich im Laufe der Jahre viel Erfahrung in den verschiedensten Bereichen sammeln durfte. Man wird sehen, was die Zeit bringt.